08.01.2021
Standardisierung der Datenmodelle – ID#08
Digitalisierung heißt in vielen Branchen zunächst einmal Standardisierung. In der Versicherungswirtschaft gibt es dazu vor allem BiPRO und GDV – im Bereich der Industrieversicherungen findet sich dagegen wenig. Dabei hebt gerade hier ein unternehmensübergreifender, schneller und fehlerfreier Datenfluss zwischen Endkunden, Maklern, Assekuradeuren und Versicherungen enorme Potenziale.
Im Gespräch: Ansgar Knipschild und Benjamin Zühr
Länge: 30 Min.
Hinweis: Diese Folge wurde nach Folge #05 aufgenommen, zwischenzeitlich aber #06 und #07 aus aktuellen Gründen veröffentlicht.
Transkript
Benjamin Zühr: Herzlich willkommen zu unserem nächsten Podcast der Reihe Industrie-Versicherung-Digital. Herzlich willkommen, lieber Ansgar.
Ansgar Knipschild: Moin Benni, grüß dich.
Benjamin Zühr: Moin. So. Ja. Letztes Mal haben wir uns mit dem Thema Datenmodelle beschäftigt, und da hatte Rebecca uns ja echt viel erzählt, wie das bei denen so gemacht wird, und da natürlich mit dem Fokus auf, ja, Strukturierung. Wenn man über Digitalisierung spricht, spricht man ja aber vor allen Dingen über Standardisierung. Und da gibt es ja unterschiedlichste Initiativen, die es ja in der Versicherungsbranche schon gibt, aber wahrscheinlich auch Branchen-übergreifend. Ich sage mal, aus der Versicherungsbranche kenne ich da vor allen Dingen das Thema BiPRO, GDV. Persönlich ist mir das aus der Industrie-Versicherung gar nicht so bekannt. Und ich meine, du als Techniker, ja, sag mal bitte: Warum ist denn Standardisierung so wichtig?
Ansgar Knipschild: Ich freue mich ja immer, wenn ich mich so auf die Rolle des Technikers hier so reduziert fühle von dir, aber ich versuche mal meiner Rolle hier gerecht zu werden. Genau. Ja. Standardisierung ist ein wichtiges Thema meiner Meinung nach vor allen Dingen Unternehmens-übergreifend, weil, klar, wir haben es beim letzten Mal gesehen: Es geht darum, dass man auf der einen Seite intern schon mal beginnt zu standardisieren, um vor allen Dingen Effizienz zu gewinnen. Man kann da natürlich schneller arbeiten, spart doppelte Dateneingaben, kann Daten besser austauschen. Aber ich glaube gerade in dem Geschäftsbereich, in dem wir tätig sind, in der Versicherungsbranche, geht es ja auch darum mit vielen Partnern zu kommunizieren. Der Endkunde kommuniziert mit dem Makler. Der Makler kommuniziert mit einem Versicherer oder einem Assekuradeur, der wiederum mit einem Risikoversicherer. Bei Beteiligungsgeschäft kommunizieren die Versicherer untereinander. Und da sind natürlich Standards schön, wenn man dann eben auch im Sinne von Datenstandards die Modelle, die uns letztes Mal Rebecca vorgestellt hat, in einer gleichen Sprache beschreibt, und dann natürlich sich auch viel besser untereinander austauschen kann.
Benjamin Zühr: Okay. Das ist nachvollziehbar. Und sag mal: Also ich hatte da jetzt ja aus der Versicherungsbranche ein paar Standards mal genannt. Kennst du die Standards, und kannst du zu den Standards irgendwie was sagen?
Ansgar Knipschild: Klar. Ich glaube, der Klassiker, den wir alle kennen, ist der GDV, der schon seit Mitte der achtziger Jahre sich auch so auf die Fahnen geschrieben hat, als Gesamtverband der Versicherungswirtschaft, den Datenaustausch zu standardisieren. Diejenigen von uns, die länger dabei sind, kennen das sicherlich aus den achtziger Jahren. Da gab es zum Teil sogar noch Diskettenaustausch. Damit hat das ja echt begonnen. Dann gab es Datenaustausch einmal am Tag per Batch vom Maklerverwaltungsprogramm zum Versicherer. Das war so der nächste Schritt. Und wir merken so ein bisschen die Ursprünge hier. Also es geht hier um so ein Textdateiformat. Der legendäre VU, Vermittlerdatendatz, wo man also, mit Leerzeichen und Kommas getrennt, vor allen Dingen so Bestandsdaten austauscht, die dort auch normiert sind, auch Spaten-übergreifend. Also da kann man dann, beim Makler verändert sich was, beim Versicherer verändert sich was, Daten austauschen. Das Ganze war aber relativ starr. Das ist, glaube ich, auch einfach der damaligen technischen Zeit geschuldet, File-basiert Datenaustausch-geprägt. Aber das waren so die ersten Schritte in der Branche, wo man sich über Standards unterhalten hat.
Benjamin Zühr: Okay. Und zum Thema BiPRO: Kannst du da noch einmal kurz darauf eingehen? Also das hatte ich ja eben auch schon kurz gesagt.
Ansgar Knipschild: Genau. Die BiPRO kam dann, jetzt gucke ich hier gerade auch mal parallel im Web, 2006 auf den Plan, hat also jetzt auch schon knapp fünfzehn Jahre auf dem Buckel. BiPRO hat nach einer langsamen Anfahrtsfahrt glaube ich aber inzwischen auch eine Erfolgsgeschichte hinter sich, denn sie haben, ich würde sagen, auf Versichererseite alles, was Rang und Namen hat, oder eigentlich den gesamten deutschen Markt, an Bord: Hundert Versicherer, lese ich hier gerade auch nochmal, Round-About 120, 130 Makler, 25 Softwarehersteller. Und die BiPRO hat halt versucht auf die vor allen Dingen auch technischen Lücken, die der GDV damals hatte, zu antworten. Klar, Anfang der 2000er: Webservices, SOAP. Das waren so die Begriffe, die die Technik so mitgebracht hatte, und XML als Beschreibungssprache. Und es ging vor allen Dingen, neben den Datenmodellen, auch um Prozesse. Das heißt, man hat hier sowohl Prozesse, als auch Daten spatenweise normiert. Am bekanntesten ist sicherlich der TAA-Bereich. Und ich glaube, den hast du ja bestimmt auch schon mal gehört. Jetzt könnte ich die Fangfrage stellen, wofür TAA steht.
Benjamin Zühr: Ja. Das kannst du gerne machen. Und ich glaube, ich kann es dir sogar beantworten. Das ist das Schöne. Aber es geht um den ganzen Antrags- und Angebotsprozess. Genau.
Ansgar Knipschild: Ganz genau. Ja. Der wurde auch getrieben sicherlich von den Maklerverwaltungsprogrammherstellern. Das war ein klassischer Use-Case: Ein Makler sitzt an seinem Maklerverwaltungsprogramm, tippt dort die Daten von seinem zu versichernden Gewerbekunden ein, und möchte jetzt natürlich gerne ein oder zwei Angebote bekommen. Das ist dann klassisch Tarifierung und Angebotsprozess. Und das hat vor allen Dingen im Privatbereich dann auch wirklich gut geklappt nach einigen Jahren. Und ich glaube, BiPRO war sicherlich ein starker Motor in der Branche, in der Versicherungsbranche, gerade im Private-Line Geschäft, sodass man hier auch echt ein Schritt weitergekommen ist, und eben nicht nur Bestandsdaten ausgetauscht hat, sondern jetzt auch prozessual, vom Neugeschäft bis dann nachher auch in die Bestandsveränderung, Schadenmeldungen und so weiter, einen Riesen Schritt vorangekommen ist. Ein anderer Treiber waren sicherlich auch die Vergleicher, die dann ja auch am Markt erschienen sind, Check-24 als der Bekannteste, die sich natürlich auch gesagt haben, wenn sie sich dann mit den Marktplayern zusammengesetzt haben: Okay. Es kann ja nicht sein, dass jetzt jeder Versicherer, beleuchten wir nur mal die Seite, eine einzelne Strippe zu Check-24 zieht sozusagen, und wieder ausgehandelt wird bei einem Vergleich, bei einem Online-Vergleich, wie denn jetzt welches Feld für welche Prämie und so weiter, zu heißen hat. Genau.
Benjamin Zühr: Okay. Aber Stichwort Versicherer: Also ich meine, viele Versicherer sind international unterwegs. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass BiPRO jetzt nicht auch international der Standard ist. Gibt es da andere Standards? Und gibt es da vielleicht auch Standards, die schon weiter sind, als wir hier in Deutschland?
Ansgar Knipschild: Also da muss ich ehrlicherweise jetzt direkt einräumen: Da fehlt mir so der praktische oder der operative Bezug. Ich weiß auch so aus der eigenen BiPRO-Arbeit, ich bin ja selber auch bei dem einen oder anderen BiPRO-Normierungskreis auch dabei gewesen, dass dort enge Kontakte in die USA zum Arcor Standard sind. Der ist vor allen Dingen so im Bereich Leben, Unfall und Sach aktiv, auch schon so, ich glaube locker seit den achtziger Jahren. Sie sind aber, so würde ich jetzt deine Frage mal beantworten, auch letztendlich regional begrenzt. Die USA haben natürlich, als größeres Land mit den vielen Staaten und den einzelnen Regularien, glaube ich auch genug zu tun, das zu standardisieren. BiPRO ist sehr auf den deutschen, oder nehmen wir noch Österreich, Schweiz hat glaube ich zum Teil auch Marktbereich, abgesprochen. Das verbindende Glied ist sicherlich die technische Beschreibungssprache, das XML-Format, auf dem zurzeit noch alles basiert. Das kennt sicher auch der eine oder andere Zuhörer hier: Das ist das, was in diesen berühmten spitzen Klammern steckt, XML. Wobei da die BiPRO sich gerade dem nächsten, recht innovativem Format, das sogenannte JSON, was so seit ein paar Jahren eigentlich bei modernen Applikationen so der Standard ist, öffnet. Aber fachlich haben wir immer noch Unterschiede bei diesen internationalen Standards, auch zum Beispiel in diesen Standards in die Banken-Szene rein. Da gibt es ja auch einiges, Finanzberichterstattung, für Versicherer ja auch nicht ganz uninteressant, Finanzkennzahlen, BWAs und so weiter, Solvency 2. Also mein Eindruck ist hier sowohl eben in der lokalen Versicherungsszene, als auch international: Das ist alles recht regional und vor allen Dingen so auf den Massenmarkt begrenzt. Also da machen dann ja auch Standards Sinn. Klar, wenn ich tausende Datensätze jeden Tag bewegen muss, dann wird es irgendwann richtig teuer, das von Hand zu machen. Und das sind nach wie vor die Treiber im Markt.
Benjamin Zühr: Okay. Naja. Kommen wir mal wieder zurück. Unser Podcast heißt ja Industrie-Versicherung-Digital.
Ansgar Knipschild: Stimmt. Danke.
Benjamin Zühr: Wie sieht es denn da aus? Also kennst du da irgendwelche Standards? Also mir persönlich sind jetzt keine groß bekannt. Aber wo geht da die Reise hin?
Ansgar Knipschild: Ja. Die Industrieversicherung, oder fangen wir vielleicht mal mit der Gewerbeversicherung an, ich hoffe, die Zuschauer nehmen es mir nicht übel, wenn ich mal von der kleinen Schwester oder dem kleinen Bruder der Industrieversicherung da spreche, die rein von den Stückzahlen hier eine Vorreiterrolle gespielt hat. Da war sowohl beim GDV, aber dann auch bei der BiPRO so rund um 2010 der erste Berührungspunkt, was Industrieversicherungsthemen angeht. Man hat dort für TAA, also Tarifierung, Angebot und Antrag in der berühmt-berüchtigten Norm 426, diesen Bereich standardisiert, sodass also gerade so die Themen Sachhaftpflicht, die hier abgebildet sind, hier schon eine Entsprechung drin haben. Und fünf, sechs Jahre später, ich meine Mitte der 2010er, gab es dann auch nach ein, zwei Anläufen die erste Norm für Industrieversicherung zum Thema Meldeprozesse. Und dann nochmal zwei Jahre später, 2018, 2019, bei beiden Initiativen war ich also auch mit dabei, kam dann das Thema Risikodaten, Risikodatenerfassung und auch Risikodatentransfer. Und wenn man das so hört, denkt man natürlich: Oh, wow. Dann passiert da ja echt schon ganz schön viel. Und da muss man glaube ich so ein bisschen einschränkend sagen: Man hat sich von der Reihenfolge her daran orientiert, wo der Need ist. Und klar, Meldeprozesse, kennen wir alle, sind wahnsinnig zeit- und abstimmungsaufwendig. Das ist das erste Thema, Risikodaten das zweite. Man muss aber, im Sinne einer Normierung, natürlich immer Kompromisse eingehen, was so die Datentiefe angeht. Das heißt, da sind wir sicherlich auch erst so, das ist so meine persönliche Meinung dazu, an einem Anfang. Man hat hier nur einen gewissen Teil der Daten, über die wir hier eigentlich reden, der Risikodaten zum Beispiel, normieren können auch einfach.
Benjamin Zühr: Okay. Also das hört sich jetzt gerade für mich ein bisschen so an, dass eigentlich eine Standardisierung im Industriegeschäft so gar nicht möglich ist.
Ansgar Knipschild: Tja. Da bist du natürlich jetzt beim, also meiner Meinung nach, so ein bisschen beim Casus knacksus, beim Kern der ganzen Diskussion. Was kann man standardisieren, was kann man nicht standardisieren? Ich glaube, das hat auch viel mit dem Willen, so würde ich es mal formulieren, der Beteiligten zu tun. Klar, eine Normierung hat immer ihre Grenzen. Und wir alle wissen, dass Industrieversicherung letztendlich, gerade natürlich im schwergewichtigen Geschäft, hoch individuell ist. Aber ich persönlich glaube, dass zum Beispiel auf der Risikoerfassungsseite, der beschreibenden Seite, wo ich eben sage: Okay. Ich habe hier ein Unternehmen. Ich habe hier ein Gebäude. Ich habe eine Maschine. Ich habe eine Flotte. Dass wir hier meiner Meinung nach in der Lage sein müssen, eine gemeinsame Sprache zu finden, das Risiko zu beschreiben, damit man eben im Markt Ausschreibungen starten kann, oder eben auch die Bewegungsdaten, die jährlich aktualisiert werden, besser kommunizieren kann. Ich würde da echt die Antwortseite, nenne ich sie jetzt mal so technisch, pseudotechnisch, von trennen. Welche Produkte packe ich darauf? Die sind natürlich individuell. Wir kennen die individuellen Deckungskonzepte: Die zu normieren, ist echt schwer. Vielleicht ist das auch so ein Punkt in der Diskussion: Man stellt sich das mal vor bei der BiPRO, BiPRO Düsseldorf: Zehn Versicherer, zehn Makler, ein paar Softwarehersteller sitzen in einem engen Raum. Und das läuft ja wirklich so, ja?
Benjamin Zühr: Ja. Ja ja.
Ansgar Knipschild: Die haben ein halbes Jahr lang, nicht jeden Tag, ein paar Meetings, und haben lange Listen vor sich, und hauen sich wirklich die Köpfe ein: Welche Risikofragen kommen rein, und welche nicht? Die sind alle, das hört sich jetzt so ein bisschen despektierlich an, natürlich Produkt-getrieben, die Sichten, die wir dann da haben alle, ja? Das ist unser täglich Brot. Und ich glaube, wenn man es da schafft, das so ein bisschen aufzulösen, und so ein bisschen mehr auf die Risikosicht rüberzukommen, dann geht es. Aber mal ganz ehrlich: Immer, wenn wir uns einigen wollen, und je mehr Leute am Tisch sitzen, wird es halt schwer, ja? Das ist glaube ich, ein psychologisches Problem, und natürlich ein Konkurrenzproblem, weil man glaubt sich da zu sehr vergleichbar zu machen. Aber ich weiß nicht. Wie ist so deine Sicht denn darauf, mal ganz untechnisch gefragt jetzt auch?
Benjamin Zühr: Also ich glaube, das ist ja nicht umsonst so, dass bisher es ja scheinbar schwierig scheint, für das Thema Industrieversicherung irgendwelche Standards zu schaffen. Und ich sage mal das, was du jetzt gerade angesprochen hast, das ist ja quasi eigentlich eine komplett andere Denke, weil du sagtest ja eben: Bisher spricht man eher von Produkten. Und jetzt sagst du auf einmal: Okay. Lass uns doch mal das Risiko beschreiben, und vielleicht im Risiko Standards finden. Also ich glaube persönlich, dass momentan viele so noch gar nicht denken, weil zumindest die Gespräche, die ich mitbekomme, die handeln immer von Produkten, und nicht vom Risiko. Aber jetzt haben wir so ein bisschen ja die Problematik aus der Versicherungssicht beleuchtet. Also was sind denn die Herausforderungen von IT-Seite beispielsweise? Also ist eine Problematik auch, das Thema Implementierungsaufwände?
Ansgar Knipschild: Ja. Also ich sage mal, kurze knackige Antwort: Ja. Mit Sicherheit. Also bei Schnittstellenprojekten, Projekten, wo Systeme miteinander reden sollen, Daten austauschen können, gehen in der Regel bei vielen Unternehmen die Warnlampen an, weil man weiß: Ich habe jetzt hier eben nicht nur eine Softwareentwicklungsaufgabe innerhalb eines Systems zu lösen, was manchmal schon schwierig genug ist, sondern muss jetzt auch noch über Systemgrenzen hinweg Daten austauschen, kommunizieren, Schnittstellen anbinden, muss mit mehreren Parteien reden, und so weiter, und so weiter. Also wir haben einfach ein höheres Risiko darin. Das sind Kosten. Und also die Projekte, bei denen ich dabei sein durfte, wo wir probiert haben BiPRO-Normen zu schaffen, wobei das ehrlicherweise auch mit der BiPRO jetzt gar nicht so wahnsinnig viel zu tun hat. Aber machen wir das mal am Beispiel der BiPRO-Normen, wie man die umsetzt: Ich glaube so unter drei, vier Monaten Durchlaufzeit kommt man da nicht weg, und das ist ganz viel Kommunikation. Das ist also jetzt letztendlich Technik, die rauskommt, aber man stimmt sich eben ab. Dann, wenn die Norm eben nicht tief genug ist, also nicht alle Felder beschreibt, ich formuliere es mal nur so einfach, muss man eben doch viel am Tisch sitzen mit Fachbereichen und auch mit den ITlern. Wie bilden wir das jetzt digital ab? Was machen wir denn mit den fehlenden Risikofragen? Was machen wir denn mit der fehlenden Prämienkomponente, die in der Norm nicht vorgesehen war, als Beispiel. Und wenn man dann guckt, was das dann in Summe kostet, verglichen vielleicht mit dem Prämienvolumen, über was wir dann da reden in den Häusern, gerade wenn wir vielleicht über kleinere Häuser reden, bei denen Gewerbe oder Industrie auch nicht das Kerngeschäft ist, dann kann ich auch verstehen, warum das länger dauert. Da argumentiert natürlich daneben eine KFZ-Privatspate, die rein vom Transaktionsvolumen her tausende, zehntausende Anfragen dreht, logischerweise ganz anders.
Benjamin Zühr: Okay. Aber also so, wie ich dich verstehe, sagst du also, dass man vor allen Dingen im Industriesegment da ja in gewisser Weise pragmatisch, ehrlich rangehen muss, und das Individuelle zum Standard machen muss, oder?
Ansgar Knipschild: Ja. Da kommen wir ja fast so in den philosophischen Bereich rein. Also ich glaube auf der einen Seite, dass man letztendlich auch einfach über die Kostenseite sich diesem Thema einfach öffnen muss, weil die Branche jammert seit Jahren zurecht, wie teuer das alles ist, über hohe Kosten, die halt einfach sowohl im Vertrieb, als auch im Betrieb darin stecken. Und da muss man sich irgendwann mal ehrlich in die Augen gucken, und sagen: Okay. Wenn ich die berühmte Dunkelverarbeitung oder Teildunkelverarbeitung haben will, dann muss ich mich auch über eine gemeinsame Sprache halt einigen. So, das ist der eine Weg. Und da jetzt genau den richtigen Weg zu finden, auf der einen Seite zu sagen: So, das ist ein Standard, hart gesprochen, über den diskutiere ich jetzt nicht. Den vereinbaren wir einfach. Das haben ja andere Industrien auch gemacht, richtig? Also ich kenne die Geschichte aus dem Automotive Bereich, auch harte Konkurrenz. Aber ein Odette-Standard, wie er dort heißt, von Zulieferern, die teilweise um Pfennige feilschen, um halt eben den Zuschlag zu bekommen: Die haben auch am Ende des Tages gesagt: Bevor jeder von uns jeden Tag Angebote schreibt, manuell abtippt und so weiter, machen wir doch einen Standard, und konzentrieren uns dann eben darauf unsere Produkte, oder unsere Leistungen, sagen wir mal so, besser zu machen. Also das ist überfällig. Und dann fragt man doch einfach gar nicht mehr: Geht das? Geht das nicht? Und jetzt einen Standard sowohl fachlich, als auch technisch, dann so zu bauen, dass er eben genau die Individualität zulässt, und damit die Individualität zum Standard macht: Das ist glaube ich die Kunst. Und eben nicht so starr, wie es vielleicht die heutigen Standardisierungsansätze wie GDV oder BiPRO haben. Die BiPRO macht das schon deutlich besser, als der GDV, rein vom technischen Standard her, dass ich erweitern kann. BiPRO hat aber eben den Nachteil, dass der Anteil dessen, was ich da individuell (Ton), meiner Meinung nach immer noch zu groß ist. Also wenn ich halt D&O erst gar nicht finde im Standard, um mal ein Beispiel zu nennen, und dann jedes Mal alle Risikofragen durchklappern muss: Ich meine, du kennst es, wie viele Risikofragen haben wir in dem D&O Vertrag Pi mal Daumen? Zwanzig? Dreißig?
Benjamin Zühr: Ja. Also es kommt darauf an wie viele Versicherer darin sind. Also das kann, je nachdem, wie viele Versicherer ich anfrage, natürlich viel werden.
Ansgar Knipschild: Genau. Und da eben zu sagen: Bevor wir das Thema x-fach machen, sagt man halt: Komm, dann lass uns auf die zehn, fünfzehn wirklich relevanten, Risiko-relevanten, die ich auch für eine Erstbewertung brauche, einigen. Und wenn man dann eben merkt, in welche Richtung das Risiko vom Kunden auch geht, kommt es darein. Und das ist glaube ich eine relativ harte Kosten-Nutzen Entscheidung, die man da einfach treffen muss, weil derjenige, der sich dem verwehrt, wird halt irgendwann einfach merken: Okay. Ich bleibe dann halt außen vor. Denn ich glaube wirklich, die Standards werden kommen. Also es ist immer eine Frage wann? Und wer sich vielleicht auch einfach stärker durchdrückt, durch eine Marktmacht vielleicht auch einfach.
Benjamin Zühr: Ja. Also ich finde, wir müssen an diesem Punkt jetzt einmal konkret werden. Also wir haben jetzt einmal über Produkte, wo Spaten hinter stehen häufig, gesprochen. Und wir haben jetzt über das Risiko, wo im Zweifel Branchen hinter stecken, gesprochen. Also so, wie ich das jetzt verstehe, ist das eigentlich eine Kombination, dass man eigentlich zum einen die Spate in Verbindung mit einem Spaten-bezogenen Datenmodell kombinieren muss, aber in dieser Kombination noch eine individuelle Flexibilität braucht. So verstehe ich es jetzt. An der Stelle stehe jetzt nach unserer bisherigen Diskussion.
Ansgar Knipschild: Ja. Ich sehe es genau so. Mit der Kunst die Stellschrauben der beteiligten Parteien, also einer ich sage mal, signifikanten Anzahl von Versicherern und Maklerhäusern, zusammenzubringen, und zu sagen: Okay. Auf das Datenmodell, was letzte Woche oder vor vierzehn Tagen Rebekka vorgestellt, einigen wir uns. Wenn wir die Daten hinkriegen, haben wir ein vernünftiges Verhältnis von Aufwand und von Nutzen. Und gleichzeitig bietet uns das Verfahren technisch die Möglichkeit, flexibel weitere Datenpunkte hinzuzufügen, wo ich dann vielleicht auch individuell auf Makler-, auf Versichererseite dann eben in den Prozess hereingehen muss, und praktisch auf das Risiko bezogen dann eben ergänzen kann. Also ich glaube, es ist wirklich weniger ein technisches Problem, als eines, wie man diesen Schieberegler, also wie viel verpflichtenden Standard, behandelt. Und dann reden wir auch über Pflichtfelder, da ist wieder dieser technische Ausdruck dann da, weil ohne die fehlt eben eine wichtige Information. Die Diskussion muss dann geführt werden, und die ist natürlich schwer. Also ich meine, du kennst es ja durch das tägliche Geschäft besser als jeder andere. Wie schätzt du es denn ein, dass da wirklich mal Player sich an den Tisch setzen, und versuchen sich da mal einig zu werden?
Benjamin Zühr: Ja. Es ist natürlich eine unglaubliche Herausforderung. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu reden. Also meine Erfahrung ist, dass selbst innerhalb einer Abteilung es quasi fast unmöglich ist, einen Standard zu definieren, wo ja viele Unternehmen schon unglaubliche Probleme mit haben. Und jetzt hinzugehen, und zu sagen: Okay. Wir versuchen uns mal mit mehreren Häusern, die im Industrie-Segment unterwegs sind, zu einigen auf einen Standard. Das ist natürlich umso schwerer. Und trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass wenn wir über Branchen reden, und wenn wir über Spaten reden, wir in achtzig Prozent über dasselbe reden. Es gibt vielleicht heutzutage unterschiedliche Wege, wie man zu gewissen Punkten kommt, aber letztendlich ist doch der Kern sehr, sehr ähnlich. Und entscheidend sind nachher in der Individualität die letzten zehn bis zwanzig Prozent. Aber wenn ich alleine achtzig Prozent nehmen könnte, und quasi mich einigen könnte auf achtzig Prozent Einheitlichkeit: Da hätten wir ja also unglaublich viel gewonnen. Ich glaube, da würde die Branche, aber auch vor allen Dingen die Kunden würden unglaublich davon profitieren. Und somit ist das natürlich etwas total Wünschenswertes, wo wir glaube ich aber noch weit von entfernt sind, weil wir alleine das Denken noch gar nicht haben. Also das Denken der Gemeinschaft ist bisher, glaube ich persönlich, noch nicht so weit. Und ich glaube, daran müssen wir als Erstes arbeiten. Aber neben dem, du sagtest: Technik ist nicht das Problem. Ist das so?
Ansgar Knipschild: Ich würde die Frage mal direkt zurückspielen. Also wenn wir mal hier unser Rollenspiel zu Ende spielen: Du der Nicht-Techniker, ich der Techniker. Ich weiß aber, du bist ja durchaus jemand, der schon sich auch mit Werkzeugen beschäftigt. Ich weiß, du hast dich mit Low-Code-Tools und ähnlichem beschäftigt. Glaubst du nicht auch, dass sich da Möglichkeiten auftun in dem Moment, wenn Business-Menschen, bezeichne ich dich mal so, Werkzeuge in die Hand bekommen, die ihnen den Datenumgang leichter machen, dass das auch ein Hebel ist, um letztendlich Datenstandards voranzutreiben, weil dann einfach diese Grenze von „Oh. Datenstandards ist ja nur was für Techniker.“ aufgehebelt wird? Glaubst du daran? Gibt es sowas?
Benjamin Zühr: Also geben tut es ja sowas definitiv. Also ich sage mal das Thema No-Code.
Ansgar Knipschild: Oh, direkt No, ich dachte Low wäre erstmal der Einstieg, aber du bist schon direkt bei No. Okay.
Benjamin Zühr: Ja. No ist für mich natürlich das Sympathischste.
Ansgar Knipschild: Verstehe.
Benjamin Zühr: Aber ob wir über Low-Code, No-Code sprechen: Letztendlich sind das ja Ansätze, die in die Richtung gehen, also wo es nicht mehr darauf ankommt, dass der Fachexperte dem Techniker Anforderungen übersetzen muss, sondern wo es darum geht, dass der Fachexperte in die Lage versetzt wird, die Technik nach seinen Anforderungen einzustellen. Und das sind natürlich sehr wünschenswerte Ansätze, die wir ja auch an der einen oder anderen Stelle definitiv schon sehen können, aber die, zumindest nach meinem Kenntnisstand, noch nicht den Standard darstellen. Also es gibt Systeme, die das können, aber viele können es eben auch noch nicht.
Ansgar Knipschild: Ja. Genauso Robotics: Da hast du dich ja glaube ich auch mit beschäftigt, mit dem Thema.
Benjamin Zühr: Ja. Genau. Also Robotics ist sicherlich ein Thema, über das man nachdenken kann. Ob das jetzt eine Lösung ist, weiß ich nicht. Es kann ein Übergang sein. Also ich sage mal, heutzutage gibt es ja einige Robotics-Tools: Das sind ja klassische No-Code Ansätze dann, in den meisten Fällen zumindest, oder in den Fällen, die ich kenne, und wo man sagt: Okay. Lass uns auf starre Schnittstellen verzichten, und lass uns gucken, dass wir mit Robotic-Software beispielsweise Daten von einer Software in die andere kriegen. Also das ist eine total valide Herangehensweise, denke ich. Ob das jetzt die endgültige Lösung ist, da würde ich mal ein großes Fragezeichen heranmachen. Ich weiß nicht, wie du das siehst.
Ansgar Knipschild: Ja. Ich sehe es genauso. Ich sehe aber darin eine Chance, in den Low-Code- und in den Robotics-Tools zum Beispiel, dass sich Leute mit einem nicht so technischen Hintergrund mit der Strukturierung von Daten beschäftigen, damit beschäftigen, dass sie Muster erkennen, also wiederholenden Tätigkeiten, die man sonst vielleicht einfach im Alltag einfach mal so nebenbei macht. Und dann kann man vielleicht sogar die Brücke schlagen zu den Kommunikations- und Datenwerkzeugen, mit denen wir ja täglich arbeiten, also den viel gehassten E-Mails oder auch Excels, über die ja dann gerade die Techniker gerne mal lächeln. Aber ich mache mir da manchmal keine Freunde, auch wenn ich mit technischen Kollegen so spreche, aber ich glaube ja auch, dass in der Übergangszeit ein gezielter Umgang mit E-Mails oder mit Excels, dass man versucht die in eine standardisierte Form zu bringen, und dann vielleicht mit Robotics- oder Low-Code-Tools besser bearbeiten zu können: Ob das nicht vielleicht auch so ein, ja, sanfter Übergang sein kann, aus der Praxis heraus, ohne große IT-Projekte, ohne drei Monate Analyse, drei Monate Implementierung und so weiter, arbeiten zu können, sondern im Prinzip beim Underwriter, beim Sachbearbeiter idealerweise, das Verständnis damit zu erzeugen: Ah. Das macht ja Sinn, wenn meine Excel-Tabelle immer die gleichen Spalten hat beim Versicherer A, beim Versicherer B, und auch bei mir. Und wenn ich mich da einige mit meinem Kollegen, kann ich die ja viel einfacher übernehmen. Und danach kann ich die vielleicht sogar per Klick mit einem Tool besser übertragen. Und dann habe ich auch meine Angebotsübersicht viel einfacher. Also das finde ich, ist eigentlich das Interessante, wenn da vielleicht auch gerade so in der nachwachsenden Generation der Kollegen, da vielleicht auch eine viel höhere Affinität da ist, und man eben nicht klassisch die IT-Abteilung da als den alleinigen Treiber auch sieht, sondern es parallel läuft. Ich will die auch gar nicht jetzt zu sehr gegeneinander ausspielen, aber dass auch das Business wirklich sagt: Hey. Wir helfen da. Und können dann mit diesen Tools auch selber besser verstehen, warum das sinnvoll ist, und, ja, so das Thema auch mit vorantreiben.
Benjamin Zühr: Also total. Also ich glaube, Excel oder CSV kennt auch jeder, kann auch jeder. Also zumindest bei uns ist das sehr, momentan auch, sehr, sehr viel im Einsatz. Und somit glaube ich, dass wenn man mit solchen Instrumenten oder solchen Programmen arbeitet, dass grundsätzlich jetzt erstmal, ja, eine freundliche Art und Weise ist, womit jeder klarkommt. Wie gesagt, vielleicht das in Kombination mit Robotics-Software oder sonst was machen. Ich glaube persönlich: Da liegen zumindest Chancen, erste Schritte zu machen. Parallel muss man aber definitiv gucken, dass man an der Gemeinsamkeit arbeitet, und guckt, dass man gemeinsam Dinge standardisiert. Und da hatten wir ja jetzt vorhin einige Möglichkeiten, sage ich mal, erörtert im Laufe des Podcasts, wie das aussehen könnte Richtung Spate, Richtung Branche etc. pp. Genau. Ansgar, vielen lieben Dank. Es war sehr interessant, vor allen Dingen stärker diese technische Perspektive einfach mal doch zu beleuchten. Und ich freue mich wirklich sehr auf unseren nächsten Podcast. Ja. Ich bin fest davon überzeugt: Die Industrieversicherung hat noch einen langen Weg vor sich. Es wird nicht langweilig. Aber es sieht auch nicht so aus, als dass es chancenlos wäre. Und ich finde das total spannend, dass wir heute mal über Lösungsansätze gesprochen haben, und bin mir sicher, dass dieses Thema noch einige Male bei uns im Podcast weiter besprochen wird und diskutiert wird. Und ich bin gespannt, wie es sich entwickelt. In diesem Sinne: Bis bald und schönen Nachmittag dir.
Ansgar Knipschild: Alles klar. Dir auch Benni, danke, bis demnächst, Ciao.
Benjamin Zühr: Tschüss.
Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.
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