ID#06

08.12.2020

Small Talk: Digitaler Euro, Parametrische Versicherungen, Optimiz, Digitale Kommunikation, Clark – ID#06

Ein neues Format mit einem lockeren Austausch über aktuelle Themen und News. Die Inhalte in dieser Folge: Digitaler Euro, Facebook Libra, Parametrische Versicherungen, Optimiz: Digitale Abwicklung von Transportschäden, Automatisierte Kundenkommunikation mit Bots & Co, Digitalmakler Clark: Digitaler Bedarfscheck per App im Test.

Im Gespräch: Ansgar Knipschild und Benjamin Zühr.

Länge: 70 Min.

Transkript

Benjamin Zühr: Freitagabend und hier sitzen wir. Ein neues Format, das wir einfach mal austesten wollen. Zu einem Freitagabend gehört vor allem aber auch ein entspannendes Bierchen.

Ansgar Knipschild: Sehr gute Idee.

Benjamin Zühr: Genau. Also ich habe hier ein längeres Köpi.

Ansgar Knipschild: Ich gucke mal bei mir.

Benjamin Zühr: Ja, nichts Besonderes.

Ansgar Knipschild: Mit schönem Gruß von unseren Kollegen aus Prag, habe ich hier ein Bernard Betschelpopki. Jetzt hauen sie mich wahrscheinlich, weil ich es nicht richtig ausspreche. Sieht sehr amtlich aus, mit Bügelverschluss und allem Drum und Dran. Glutenfrei. Ich glaube, das war zum Ärgern. Aber es sieht sehr lecker aus. Ich würde sagen, wir stoßen mal virtuell an und verkosten mal.

Benjamin Zühr: Genau. Prost.

Ansgar Knipschild: Prost. Gut im Abgang. Kann man nicht meckern.

Benjamin Zühr: Super. Genau. Köpi schmeckt wie Köpi schmeckt. Da kann man nichts falsch machen. Oder wie man in einigen Regionen in Deutschland sagt: Da weiß man, was man hat.

Ansgar Knipschild: Wie war die Woche bei dir, Benni?

Benjamin Zühr: Ja, interessant, wie jede Woche irgendwie. Viel los, seit der Pandemie gefühlt auch nur noch Videokonferenzen. Deswegen freue ich mich jetzt, hier in der nächsten zu sitzen.

Ansgar Knipschild: Da fällt mir ein, habe ich im Vorgespräch gar nicht gefragt, was macht denn dein Productivity-Score? Sagt dir das was?

Benjamin Zühr: Nur bedingt.

Ansgar Knipschild: Klar, Productivity war ja noch nie dein Thema. Nein, spannende News, die interessanterweise so ein bisschen untergingen. Microsoft hat sich ja ein bisschen ins Fettnäpfchen gesetzt. Die haben vor ein paar Tagen ein neues Feature aktiviert, das sich wirklich Productivity-Score nennt. Damit dürfen die Vorgesetzten genau messen und tracken, wie lange die lieben Mitarbeiter in Teams arbeiten. Und das kam verständlicherweise natürlich nicht so gut an. Ich halte es wirklich für einen echten Fauxpas, was die da gemacht haben. Erinnert mich ein bisschen an good old IBM. Die haben ja vor Jahren mal so was Ähnliches gemacht unter dem Namen Social-Dashboard oder so. Ich glaube, die haben sogar damals einen Big-Brother-Award dafür bekommen. Alles mit dieser dämlichen Idee, sorry, ich messe Zeiten von Mitarbeitern am Rechner und meine, daraus Produktivität ableiten zu können. Mal ganz unabhängig davon, ob es clever ist, so was überhaupt zu machen. Aber mich regt eigentlich am meisten auf, dass die meinen, wenn ich Minuten messe, die ich in einem Meeting bin, kann ich daraus ableiten, ob ich produktiv bin oder nicht. Was für ein Quatsch. Sorry.

Benjamin Zühr: Ja. Vor allen Dingen habe ich das Gefühl, dass man eigentlich nur noch in Meetings hängt und sich nur noch bespricht. Die Dinge, die eigentlich gemacht werden müssen, finden fast gar nicht mehr statt. Ich finde es echt schwierig. Und was das Thema Productivity-Score angeht, würde mich auch mal interessieren, ob das datenschutztechnisch überhaupt so sauber ist. Ich weiß nicht, haben sie das in Europa auch ausgerollt oder ist das nur in Amerika?

Ansgar Knipschild: Ich glaube, das ist erst mal America First, wie immer. Es gab auch direkt eine Pressemitteilung, wo sie ordentlich zurückgerudert sind. Da können wir gleich einen Link in die Show machen. Sie wollen wohl das Feature beibehalten, aber durch entsprechende Aggregierung oder Ähnliches das Ganze so ein bisschen an der Stelle entschärfen. Ich glaube, das war echt ein Schuss nach hinten. Gut, aber das war jetzt ein super Intro. Direkt mal hier der kleine Empörungsschrei der Woche zu Beginn. Was haben wir sonst an Themen? Hast du einen kurzen Überblick über unsere Themenliste?

Benjamin Zühr: Ja, also grundsätzlich wollen wir ja dieses Medium oder Format so ein bisschen nutzen, um mal durch so ein paar Themen durchzuführen, die wir einfach interessant finden, die aber in erster Linie gar nichts mit Industrieversicherung zu tun haben müssen. Sondern wir wollen uns wirklich mit allgemeinen digitalen Themen auseinandersetzen und schauen, ob es vielleicht irgendwann auch mal Einfluss auf die Industrieversicherung hat und welche Chancen oder Risiken dadurch entstehen. Finde ich total spannend. Genau, und ich finde es klasse, dass wir uns heute über unterschiedlichste Themen aus unterschiedlichsten Feldern unterhalten. Einmal das Thema digitale Währung. Ist ja momentan total im Kommen. Nicht nur momentan. Bitcoin hat da ja schon einiges vorgemacht. Dann ganz spannend und mir auch bisher nur bedingt bekannt das Thema parametrische Versicherung und was damit für Chancen und Risiken verbunden sind. Dann einmal so ein Klassiker, Digitalität von Marine-Transport-Geschäft, um da einfach mal ein Beispiel zu nennen, wo da momentan die Entwicklungen so hingehen. Und dann noch zum Thema Kommunikation in der digitalen Welt. Dann hattest du ja quasi einen Selbstversuch gemacht, über den du dann auch noch kurz was erzählen möchtest. Da bin ich natürlich auch super gespannt, was du da erzählst. Genau. Und ich würde sagen, wir starten einfach mal voll durch.

Ansgar Knipschild: Zu Beginn, sorry, ich drücke mal eben hier noch auf einen Knopf. Wir sind ja virtuell und frönen hier unserem Feierabend-Bier. Ich klicke jetzt mal auf „Beer with me“, die App-Empfehlung der Woche. Ich musste dafür kurz hier den Flugmodus verlassen. Ein Tipp von dir vor ein paar Wochen, als wir uns zu Nicht-Corona-Zeiten oder Halb-Corona-Zeiten noch mal zu einem Getränk treffen durften. Ich glaube, datenschutztechnisch die völlige Katastrophe. Aber nichtsdestotrotz, als digitale Arbeiter machen wir das. Hier kann man über eine App den Leuten, mit denen man vernetzt ist, mitteilen, dass man gerade hier das eine oder andere leckere Bierchen trinkt. Was wir hiermit öffentlich kundgetan haben.

Benjamin Zühr: Ja, und auch ganz wichtig, du kannst natürlich Prost sagen und du kannst sehen, wo sie das Bier trinken. Wenn ich jetzt hier auf meine Karte gucke, sehe ich, dass ich in Hamburg sitze und du in Köln.

Ansgar Knipschild: Genau.

Benjamin Zühr: So. Also dementsprechend Informationen, die keiner braucht. Aber trotzdem einfach eine nette Sache und was Lustiges. Und gerade in Zeiten von Corona, wo man ansonsten ja leider nicht anstoßen kann oder es zumindest schwierig ist, einfach echt eine lustige Sache.

Ansgar Knipschild: Genau. Wie gesagt, datenschutztechnisch auf eigene Gefahr. Ich wollte immer mal googeln, ob das irgendwo auch öffentlich publik gemacht wird. Dann haben wir natürlich ein Problem. Aber egal.

Benjamin Zühr: Ja. Das ist richtig. So. Thema digitale Währung. Und mich interessiert einfach mal, was glaubst du, wo entwickelt sich das Ganze hin? Man redet über das Thema digitaler Euro, über die Libra von Facebook, die ja angekündigterweise schneller kommt als gedacht. Also erst mal wäre es total klasse, wenn du grundsätzlich einmal was zum Thema digitale Währungen sagst und dann einfach auch vielleicht den Schwenk machst hin zum Industriegeschäft. Digitale Währung, so wie ich es verstehe, könnte ja eine Riesenveränderung bringen.

Ansgar Knipschild: Ja, ist natürlich echt ein Riesenthema. Ich glaube, es hat schon tausende Versuche gegeben, zu erklären, was Bitcoin ist und sie sind jedes Mal gescheitert. Ich würde jetzt so in aller Kürze zwischen zwei Währungsformaten unterscheiden. Und dann kommen wir auch genau zu dem Thema Libra und digitaler Euro. „Echte“, in Anführungsstrichen, digitale Währungen und Kryptowährungen, die nicht an Euro, Dollar oder physische Währungen gebunden sind, die also aus sich heraus einen Wert schaffen, einfach weil sie knapp sind.

Benjamin Zühr: Das war Thema Bitcoin, nicht?

Ansgar Knipschild: Ganz genau. Wo eben aufgrund der begrenzten Ressourcen, Rechenkapazitäten und so weiter ein Wert geschaffen wird, der letztendlich nur davon abhängt, ob die Leute an das Konzept und an die Sicherheit glauben.  Hochphilosophisch betrachtet, ist das bei Geld natürlich generell der Fall. Seitdem Geld nicht mehr an Gold gebunden ist, was schon ewig lange her ist, muss ich darauf vertrauen, dass ich für das Papier in der Hand oder für die Zahlen auf meinem Bankkonto irgendwas kriege oder halt nicht. Und wenn eine Wirtschaft crasht, haben wir halt ein Problem. Und dann gibt es digitale Währungen, die aber an eine echte Währung gekoppelt sind. Das läuft ja gerade in Europa unter dem Begriff digitaler Euro, wo ich also das digitale Medium verwende, um letztendlich echte Euros, Dollars oder was auch immer zu bewegen. Das sind so die beiden Kategorien. Der Hauptunterschied zu den digitalen Bezahlmethoden, die wir so kennen, Stichwort PayPal, beliebige andere Zahldienstleister oder vielleicht sogar das eigene Girokonto, da kann ich ja schon eine Menge digital, ist halt, dass diese digitalen Währungen den Anspruch haben, deutlich flexibler und von einzelnen Instituten unabhängiger zu sein. Wenn ich heute mit meinem Apple-Pay oder Samsung-Pay zum Beispiel digital bezahle, ist es letztendlich eine Kreditkarte. Also hänge ich wieder an einem Kreditkarten-Provider, an einem Scheme von Visa oder wem auch immer. Und das soll halt anders werden. Interessant ist halt, dass in den letzten Tagen nach einer Flaute rund um das Thema die News hierzu doch wieder deutlich zugenommen haben. Deshalb haben wir es in die Liste aufgenommen. Am spannendsten fand ich eine Meldung von PayPal Anfang November, die sagten, dass sie ab 12.11. offiziell beginnend in den USA auch das Bezahlen mit Kryptowährung erlauben. Das heißt, du kannst dann also Bitcoin, Ether und noch zwei, drei andere sowohl kaufen als auch verkaufen. Was natürlich ein Riesenschub ist, um das ganze Thema in eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Vorher war es ein absolutes Nerd-Thema. Wir haben in den letzten Wochen eine Kursrallye erlebt. Vielleicht für die, die nicht so eng dran sind, wir kommen mit dem Bitcoin am Jahresanfang von round about 5.000 Dollar und sind jetzt wieder bei 20.000.

Benjamin Zühr: Ja, das war der Moment, wo ich mal überlegt hatte, aber es leider nicht gemacht habe. Jetzt ärgert man sich.

Ansgar Knipschild: Ich meine, das zeigt natürlich letztendlich auch die wirklich schon ein bisschen kranke und übersteigernde Erwartungshaltung da dran. 200 Prozent innerhalb von einem Jahr. Aber man merkt auch, wie wenig News was bewegen können. Aber nichtsdestotrotz, das Thema kriegt wieder einen Schub. Ist kurz vor 20.000, auch gerade wieder ein bisschen runtergegangen, weil da wahrscheinlich der eine oder andere Stopp-Loss gezogen hat. Ich bin schwer gespannt, ob das in den nächsten Wochen oder Monaten dann mal über die 20.000 hinausgeht und damit vielleicht eine gewisse Stabilität kriegt. Aber wie gesagt, diese PayPal-Meldung hat da doch unter anderem einiges bewegt. Inzwischen sind es ja auch die institutionellen Investoren, die hier deutlich mehr Geld reinpacken. Zweite Meldung von letzter Woche. Larry Fink, BlackRock-Chef, hat auch noch mal den Kryptowährungen eine große Zukunft prophezeit. Und ich meine, er ist ja ein Mensch, der echt Ahnung hat von seinem Metier. Er bewegt knapp 8 Billionen Dollar. Und der sagt, dieses Asset ist inzwischen einfach marktreif. Und, naja. Schauen wir mal. Zur eigentlichen Frage, Libra und der digitale Euro. Libra ist ja diese digitale Währung, die von Facebook ins Leben gerufen wurde. Letztendlich ist Facebook aber nur einer der Treiber. Es ist ja ein Konsortium von 27 Firmen, die da mitmachen. Ein paar sind auch wieder abgesprungen, wie zum Beispiel Visa, Mastercard, Vodafone, die am Anfang mit viel Euphorie dabei waren. Es sind gleichberechtigte Partner, die sich zum Ziel gesetzt haben, ein weltweites, digitales, Blockchain-basiertes Zahlungssystem zu etablieren. Da haben wir jetzt alle Buzzwords der Welt drin. Die ursprüngliche Idee war, eine Währung damit auszugeben, die an echtes Geld gekoppelt ist. Das heißt, nur, wenn ich Geld einzahle, kann ich danach auch digital damit handeln. Und weil es weltweit gedacht war, war es ursprünglich an einen Währungskorb gekoppelt, also Euro, Dollar, Yen, glaube ich, und noch ein paar Beimischungen. Das Ganze ist aber dann Mitte 2019, als das Paper veröffentlicht wurde, doch starken Turbulenzen unterworfen gewesen. Und ich will es mal so ausdrücken, einige Partner haben sich zurückgezogen, weil es doch gerade von den Zentralbanken scharfe Gegenreaktionen gab, die sagten, geht nicht, kann nicht sein, dass private Firmen so was ansteuern wollen. Ist rechtlich auch umstritten. Die Idee war auch gar nicht so stark, in Konkurrenz zu den Zahlverfahren in den Industrieländern zu gehen, sondern vor allen Dingen den sogenannten under-banked Countries, also teilweise asiatische Länder, Südamerika, Afrika, hier halt über Facebook, was eben alle haben, einen vereinfachten Zugang zu Zahlungsmethoden zu bieten. Und da muss man sagen, die Customer-Base, die Plattform ist halt einfach gigantisch. Jetzt war es lange Zeit ruhig um das ganze Thema. Und mit einem Mal poppte jetzt vor gut einer Woche die Nachricht auf, wir starten. Mitte Januar soll es losgehen. Wir sind technisch fertig. Wir warten jetzt noch auf die Banklizenz, die in der Schweiz durchkommen soll. Schweiz ist ja der Sitz der Association. Und wenn da der Haken dran ist, dann scheint es so zu sein, dass es kommt, aber mit ein paar Einschränkungen. Zumindest laut Financial Times, die das Ganze so geleakt hat. Es ist kein offizielles Announcement von Facebook gewesen. Also man wird erst mal nur an US-Dollar gekoppelt haben. Das heißt, das Geld, was man einzahlt, ist den Dollarschwankungen unterworfen. Also wenn ich Europäer bin, wenn ich Chinese bin, mit ähnlichen Kursschwankungen. Aber wenn das durchkommt, ist der Anfang getan und dann geht das Wettrennen los. Wir alle wissen, wenn Facebook da erst mal weltweit seine Customer-Base hat, dann bewegt sich was. Das ist nicht wie ein kleines Startup, das irgendwas baut. Und das darf man echt nicht unterschätzen.

Benjamin Zühr: Ja, das glaube ich auch. Vor allen Dingen finde ich es halt irre, dass letztendlich ein Privatunternehmen eine eigene Währung aufbaut. Klar, von der Libra hat man jetzt schon mal gehört. Aber was auch für eine Macht damit verbunden ist. Das sollte man einfach nicht unterschätzen. Und je nachdem, wie es läuft, kann das echt bisherige Strukturen ins Schwanken bringen.

Ansgar Knipschild: Ja, das glaube ich auch. Und es ist vor allen Dingen die Zahl. Ich persönlich würde das gar nicht mal als echte eigene Währung bezeichnen, weil es ja nur das digitale Abbild einer Währung ist. Aber warum macht ein Facebook das? Bei einer Customer-Base von ein paar Milliarden Leuten, wenn jeder nur zehn Dollar reinpackt, kann man sich ja vorstellen, was die mit dem Cash machen. Aber noch mal. Da musst du Cash einzahlen oder eine Bankverbindung eingeben, damit Facebook jeden Libra entsprechend hinterlegt. Und dann hat Facebook einfach mal ein paar Milliarden da rumliegen, mit denen man was machen kann. Klar, wenn natürlich alle Leute von heute auf morgen alles Geld wieder abziehen würden, das typische Bankrisiko, hast du ein Problem. Deshalb muss das Ganze wieder mit entsprechendem Eigenkapital hinterlegt werden und so weiter. Aber das ist für Facebook und Co. natürlich ein gigantischer Zugang zu Cash. Man muss aber auch da immer noch ein bisschen differenzieren. Es geht ja nicht eins-zu-eins Facebook zu, sondern dieser Association. Und es gibt relativ starke Regularien, was mit dem Geld passiert. Ich glaube, mehr als Anlegen darf man da auch nicht. Deshalb kann Facebook das nicht selber in die Maschine reinpacken. Aber dieser psychologische Moment, dass da überhaupt was passiert, digital aus einem Facebook-Chat, aus den Apps heraus mit einem Klick zu bezahlen, was bis jetzt doch immer fünf oder zehn Klicks waren. Das ist ja auch das chinesische Modell, wo es ja wirklich rund um Bezahlsysteme eigene Ökonomien gibt. Und wo hier vielleicht der Anfang gelegt wird.

Benjamin Zühr: Total spannend. Wenn man das jetzt mit dem digitalen Euro vergleicht, bin ich jetzt noch nicht so weit, dass ich sage, okay, ich habe jetzt begriffen, wo jetzt genau der Unterschied ist.

Ansgar Knipschild: Genau. Ja, das ist ja auch echt ein Thema, mit dem sich bis jetzt eigentlich nur Banker beschäftigt haben. Ich muss einen noch nachschießen, weil das fand ich doch ganz lustig. Mit der Ankündigung im Januar kam auch direkt so eine Meldung a la „Raider heißt jetzt Twix“. Sie haben das ganze Ding nämlich noch umbenannt. Libra heißt jetzt Diem. Fand ich irgendwie auch schräg. Damit wollen die wohl das ursprüngliche Ziel, international, drei Währungen, entkoppelt von Währungen, davon trennen. Aber jetzt müssen wir uns an diesen Namen Diem, Tag, gewöhnen. Marketing-mäßig auch ganz interessant. Nur, dass man den Namen schon mal gehört hat, für die Hörer draußen.

Benjamin Zühr: Ja, höre ich auch gerade das erste Mal.

Ansgar Knipschild: Genau. So, digitaler Euro. Nachdem die Politik und vor allem die Zentralbanken not amused waren, als Facebook das Ganze angekündigt hat, und einfach aufgrund der schieren Maße auch Panik hatten, ey, die werden einfach bei den Skaleneffekten Währungsmärkte bewegen, wurde mit ziemlicher Hektik überlegt, was können wir denn machen. Und die Idee ist, dass man mit dem digitalen Euro eigentlich einen ganz smarten Move macht, nämlich das Zentralbankgeld zu digitalisieren. Und ich musste echt noch mal ganz tief in meinen BWL-Kenntnisse kramen. Ehrlicherweise habe ich auch kurz vor unserem Podcast noch mal ein bisschen nachgeguckt. Es gibt ja Giralgeld und Zentralbankgeld. Giralgeld haben wir auf dem Konto und ist eigentlich kein echtes Geld. Das wird von den Banken per Kredit erzeugt. Und das echte Geld, was wir darunter verstehen, ist das Zentralbankgeld. Und da haben wir eigentlich nur über Bargeld Zugriff. Die Zentralbank gibt das Papier- oder Münzgeld aus. Wenn sie es einmal ausgegeben hat, ist es im Markt, kann auch nicht mehr kontrolliert werden, ist anonym, haben wir in unserer Tasche, unter dem Kopfkissen, wo auch immer. Und genau dieser Teil, auf den ich sonst als Normalsterblicher gar keinen Zugriff habe, außer eben über Bargeld, soll digitalisiert werden. Mit dem Ziel, jedem Bürger im Euroland ein digitales Konto bereitzustellen, in das er analog zum Bargeld sein Geld reinpacken kann. Also eine echte Konkurrenz zu dem, was bei uns Privatbanken oder auch öffentliche Banken haben. Und das schreckt natürlich die Bankszene gerade so ein bisschen auf. Es ist ein Gegenzug zu Facebook geplant. Die Banken selber, die Privatwirtschaft, sage ich jetzt mal frech, hat es nicht auf die Reihe gekriegt, da ein Gegenmodell zu entwickeln. Klar, wir haben eine sehr verteilte Bankenlandschaft. Es ist auch schwer, dass sich hier private und öffentliche Banken zusammentun. Die Zentralbank hat diesen Move jetzt mal gemacht. Und es gab vor ungefähr einem Monat ein Paper, in dem sie auch ganz klar ihre offizielle Strategie rausgegeben haben, wenn alles gut läuft, machen wir das Mitte 2021. Und das ist mal eine Ansage, die man normalerweise von staatlichen Institutionen so nicht hört.

Benjamin Zühr: Da scheint der Druck auf jeden Fall groß zu sein, da irgendwas gegen andere mögliche digitale Währungen zu setzen. Ich finde das eine total spannende Entwicklung. Und momentan ist es halt so, dass man im Internet versucht, die Tradition mit der Moderne zu verbinden, was das Thema Zahlungen angeht. Und wenn es da neue Mittel und Wege gibt, ist das eine total große Chance. Aber man muss ganz klar sagen, das wird für die eine oder andere traditionelle Bank natürlich eng.

Ansgar Knipschild: Absolut. Und gerade auch im aktuellen Zinsumfeld. Ein wichtiges Geschäftsmodell der Banken ist ja Kredit. Darüber wird letztendlich das Geld geschöpft. Wir wissen, wo der Zins gerade steht. Wenn jetzt noch die Kunden und vielleicht auch Teile des Kreditgeschäfts ausbleiben, ist das massiv. Das ist vielleicht auch die größte Gefahr, die dem digitalen Euro entgegensteht, dass doch die Lobbyisten oder Interessensverbände der Banken da gegensteuern und vielleicht auch rechtliche Gegenargumente finden.

Benjamin Zühr: Ja, da ist wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das ist wahrscheinlich einfach eine Entwicklung. Aber auch spannend. Wie du auch sagtest, Blockchain spielt da vielleicht auch noch eine Rolle und so weiter und so fort. Total interessant. Und letztendlich hat Apple mit seinem Wallet ja ein bisschen vorgedacht. Aber auch da ist es keine digitale Währung. Da hinterlegst du letztendlich deine Kreditkarte, um dann damit zahlen zu können. Aber total cool.

Ansgar Knipschild: Machst du das eigentlich? Wo du das Stichwort nennst.

Benjamin Zühr: Ja, ich mache das.

Ansgar Knipschild: Okay. Auch so beim täglichen Einkauf an der Kasse oder so?

Benjamin Zühr: Mit Maske ist jetzt schwierig.

Ansgar Knipschild: Ach, stimmt. Ja, kenne ich auch.

Benjamin Zühr: Also die Maske nervt da total. Aber mit dem Handy und dem Fingerprint ist das eigentlich eine total coole Sache. Mit der Gesichtserkennung ist es ja auch grundsätzlich total super. Aber wie gesagt, mit der Maske hat die Gesichtserkennung irgendwie gerade ein bisschen schlechte Karten. Aber ich hoffe, dass wir die Maske irgendwann wieder ablegen können. Und somit passt das dann auch wieder.

Ansgar Knipschild: Wenn ich mich hier noch mal als Apple-Fan oute, zur Ehrenrettung, vor ein paar Jahren hatte ich aber auch noch ein Android-Phone. Von daher kenne ich beide Welten ganz gut. Die Apple-Watch ist da natürlich noch mal cooler, weil da musst du gar nichts machen, wenn du über das Apple-Pay-System digital bezahlst. Du hältst wirklich nur die Hand dran. Du musst keinen Pin eingeben, weil die eben von der biometrischen Identifikation ausgehen. Und das ist eigentlich ein sehr smarter Move, weil du ohne Smartphone rausgehen kannst. Bei jedem Rewe, bei jedem Bäcker um die Ecke kannst du es inzwischen machen. Durch Corona ja auch noch mal beschleunigt. Aber es geht wirklich bei Kleinstbeträgen. Das ist schon eine echte Convenience, dass du das einfach kurz dranhältst, kein Pin, keine Gesichtserkennung, Nerd-mäßig. Ich merke immer noch, man fühlt sich ein bisschen komisch, wenn man dann irgendwie an der Kasse da rumfummelt. Aber auch hier merkt man, es wird keine Revolution, sondern eher so eine Evolution über ein paar Jahre und dann wird es ganz normal sein.

Benjamin Zühr: Ja, total. Also ich fand es schon klasse, als in Deutschland dann auch irgendwann mal dieses kontaktlose Zahlen möglich war. Dass man die Kreditkarte wirklich nur noch auf das Gerät legen muss, das finde ich schon klasse. Wenn man sich überlegt, wie lange das schon in anderen Ländern wie Skandinavien oder England möglich war. Bei den Deutschen dauert alles ein bisschen länger. Ich finde es gut, dass es jetzt möglich ist. Ich finde, Apple-Pay ist einfach da auch eine klasse Ergänzung. Und mit der Uhr hast du total Recht. Ich habe keine Uhr. Dementsprechend kann ich das nur bedingt beurteilen.

Ansgar Knipschild: Du bist auch ein bisschen jünger. Die jungen Leute brauchen ja keine Uhren mehr, habe ich gelernt. Genau, Benni, einen habe ich noch. Jetzt können sich natürlich einige fragen, warum erzählen die hier irgendwas von Uhren und Smartphones und so was, was hat denn das mit Industrieversicherungen zu tun. Du hast mir doch auch mal was aus eurem Business erzählt, wo ihr mit PayPal zusammenarbeitet. So ganz ohne ist das zum Teil mit Zahlungsdienstleistern heute ja auch nicht. Und da könnte durchaus auch ein Impact auf unsere Domain Industrie und Gewerbe mit drin sein, wenn es demnächst so was wie einen digitalen Euro gibt.

Benjamin Zühr: Ja, und fairerweise muss man sagen, alles, was wir mit solchen Zahlungsabwicklern machen, ist eigentlich noch nicht als Industriegeschäft zu bezeichnen. Natürlich haben wir nicht nur Industriegeschäft, sondern natürlich tummeln wir uns auch gewissermaßen im Privatkunden- und Kleinstgewerbesegment. Und vor allen Dingen da setzen wir natürlich Online-Zahlungsanbieter ein. Wir haben uns da speziell mit PayPal auseinandergesetzt und haben in dem Fall auch PayPal Plus eingesetzt. Also ich persönlich bin enttäuscht. Punkt eins, es ist von den Volumina sehr begrenzt, was da abgewickelt werden kann. Und die Hürden sind recht hoch, was Auszahlungen angeht, gerade für Dienstleister, die aus dem Finanzsektor oder Versicherungsgewerbe kommen. Da ist PayPal sehr streng. Und in Teilen scheren die auch einiges über einen Kamm, was einfach schwierig ist und zu Komplikationen führt. Was halt auch echt anstrengend ist, man kann nicht wirklich nachvollziehen, warum manche nicht mit PayPal bezahlen können. Die haben da scheinbar irgendwelche Algorithmen drin, weswegen die manche Personen sperren. Und das ist anstrengend. Wir werden das jetzt auch ändern. Wir werden von PayPal Plus weggehen und einen anderen Zahlungsanbieter wählen. Ich muss ganz ehrlich sagen, letztendlich muss Zahlung einfach funktionieren. Es geht gar nicht, dass es so komplex und kompliziert ist. Zumal, wenn ich mich nicht ganz irre, ist PayPal Plus auch vor allen Dingen ein Produkt in Deutschland. Wir haben eine Plattform in vier Ländern live gebracht, unter anderem in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und Deutschland. Da haben wir jetzt auch die Erfahrung gemacht, dass PayPal Plus da gar nicht geeignet ist. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, in welchen Ländern das nicht geeignet war. Wie gesagt, kann man besser machen.

Ansgar Knipschild: Ja, guter Schlusspunkt zu dem Themenblock. Eigentlich will man mit dem Thema ja auch gar nichts zu tun haben. So wie heute dein Bargeld, was du noch von Oma und Opa kennst, um es mal so ganz despektierlich zu nennen. Das zahlst du einfach und gut ist. Da willst du eigentlich nur sagen, hey, ich möchte daraus kein Projekt machen, ich will nur digital Geld austauschen. Sondern es muss eigentlich Commodity sein, wo man sagt, es funktioniert. Und dass dann in dieser Wirtschaftskette noch ein paar Dienstleister dazwischen hängen, die auch noch mal die Hand aufhalten. Ganz ehrlich, gerade bei kleineren Beträgen, und ich rede jetzt nicht von 5 Euro, sondern auch 100 Euro, 5.000 Euro, 2 Prozent weg. Sind 2 Prozent. Für was, könnte man jetzt wirklich ganz hart fragen.

Benjamin Zühr: Ja, absolut. Also aus dem Privaten möchte ich mir PayPal eigentlich nicht wegdenken. Das ist schon sehr praktisch, mal kurz irgendwie Geld hier, Geld da. Aber in dem Moment, wo es um höhere Beträge geht, haben wir es als sperrig empfunden. Da macht allerdings wahrscheinlich auch jeder so seine eigenen Erfahrungen. Letztendlich kommt es einfach wirklich darauf an, was für ein Use-Case dahintersteckt. Also wir haben uns unsere Meinung gebildet.

Ansgar Knipschild: Okay. Schauen wir mal, was die EZB in den nächsten Wochen und Monaten so treibt. Wir werden live berichten.

Benjamin Zühr: So sieht es aus.

Ansgar Knipschild: Nächstes Thema. Wir wollen uns ja auch immer so ein paar Artikel aus den Fachzeitschriften rauspicken. Wir haben hier einen Artikel aus der Versicherungspraxis vom GVNW gefunden, ganz spannend, Stichwort Risikotransfer 2025, parametrische Versicherung. Du hast es schon eben beim Überblick genannt. Erster Versuch. Mich hast du eben genötigt, kurz was zu Bitcoin und Co. zu erzählen. Jetzt bist du dran. Ich spiele den Ball elegant zurück. Was ist denn parametrische Versicherung?

Benjamin Zühr: Ich hatte ja auch gerade schon gesagt, ich habe mich damit auch das erste Mal auseinandergesetzt. Und es ist auf jeden Fall ein total spannender Ansatz. Aber wie du eben richtig gesagt hast, es gibt da einen Artikel, den wir uns rausgesucht haben, den ich persönlich sehr leicht lesbar und gut zu verstehen fand. Das ist der „Risikotransfer 2025, Von der Versicherung zur Finanzierung, Wie die Pandemie den Weg in die Disruption ebnet“, von Doktor Markus Schmalbach. Und Herr Schmalbach vergleicht letztendlich die beiden Versicherungsansätze, also den traditionellen und den parametrischen Versicherungsansatz, wie folgt: Die traditionelle Versicherung basiert auf dem Prinzip der Entschädigung, ein nachweisbarer Verlust gegen ein bestimmtes Vermögen. Und bei der parametrischen Versicherung ist die Auszahlung nicht an den festgestellten Schaden gebunden, sondern an einen Index oder an eine Reihe von Parametern, die die Schwere der Ereignisse messen. So. Und ich finde persönlich, dass das eigentlich ganz gut den Unterschied zwischen der traditionellen und der parametrischen Versicherung erklärt. Und jeder von uns, der sich ein bisschen mit Versicherung beschäftigt, kennt es. Aber auch vor allen Dingen diejenigen, die eigentlich nur wollen, dass sie funktioniert, wenn es mal knallt, also zum Schaden kommt. Die traditionelle Versicherung, wenn es zum Schaden kommt, wird in den meisten Fällen gefragt, was ist passiert, wie ist es passiert, bist du schuld, ist jemand anders schuld, et cetera p.p. Und letztendlich wird auf der Basis vieler Fragen und gegebenenfalls Analysen der entsprechende Schadenwert bemessen und im besten Fall auch ausgezahlt. So. Und manchmal aber auch nicht ausgezahlt, warum auch immer. Es gibt ja tausende Gründe. Ich habe mal in der Betrugsabteilung von einer Versicherung gearbeitet. Das war sehr spannend. Aber da hat man dann auch gesehen, was passiert, wenn es mal nicht ausgezahlt wird. Und da prallen dann natürlich Welten aufeinander. Der eine sagt, naja, aber der Schaden ist entstanden, und der andere sagt, nein, ich glaube dir das aber nicht. Und dann wird es einfach anstrengend. Also nicht nur da, aber grundsätzlich setzt da halt die parametrische Versicherung an. Und hier in dem Artikel fand ich eigentlich total super, da wurde ein Beispiel genannt, was für mich sehr einfach zu verstehen war. Man nimmt sich ein Parameter. Und wir nehmen jetzt mal das Thema Hochwasser als Beispiel. Und der Parameter ist in dem Fall die Regenmenge. So. Und letztendlich ist ein Schadenereignis gegeben, wenn eine bestimmte Regenmenge gefallen ist. So. Hört sich erst mal vor allen Dingen in Sachen Digitalität gut an. Simpler geht es gar nicht mehr. Man kann es perfekt messen und es ist sofort bewiesen. So. Und der Herr Doktor Schmalbach hat aber ganz unten in seinem Artikel das Ganze eigentlich noch mal sehr schön zusammengefasst, indem er nämlich gesagt hat, es gibt einmal das nachteilige Basisrisiko. In dem Fall ist der Schaden eingetreten, aber der Index wird nicht ausgelöst.

Ansgar Knipschild: Also viel Wasser, viel Regen gefallen, aber gar kein Schaden? Keller trocken?

Benjamin Zühr: Genau.

Ansgar Knipschild: Nein, umgekehrt.

Benjamin Zühr: Nein, genau umgekehrt.

Ansgar Knipschild: Umgekehrt. Sorry. Genau. Keller nass, aber ich bin genau 0,2 Punkte unter diesem komischen Messwert und ärgere mich, Mist, parametrische Versicherung zahlt nicht?

Benjamin Zühr: Genau.

Ansgar Knipschild: Okay.

Benjamin Zühr: Und den zweiten Punkt finde ich persönlich schön. Und ich weiß, du magst den per verses Basisrisiko.

Ansgar Knipschild: Stimmt, das hat er ja. Ich bin Lateiner. Ich kenne da die Originalworte. Von daher.

Benjamin Zühr: Ja, genau. Das entschuldigt es. Ein falsch-positiver Auszahlungsindex wird ausgelöst, aber kein Schaden. Das heißt, jetzt kommen wir genau zu dem, was du eben gesagt hast. Letztendlich ist viel Regen gefallen. Der Index wurde ausgelöst. Es wird eine Schadenszahlung ausgelöst. Aber es ist kein Schaden da. So. Und letztendlich muss man darüber diskutieren, inwieweit das ein Ansatz wäre, wie zukünftig Versicherung gestaltet sein kann. Ich beschäftige mich ja viel mit Versicherung und vor allen Dingen auch viel mit Digitalität. Und somit natürlich auch mit Ansätzen, die irgendwie zukunftsweisend sind. Trotzdem muss ich sagen, ich finde es an der einen oder anderen Stelle schon schwer, sich diesen Ansatz in der Praxis vorzustellen. Es ist total richtig, ganz offen darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob zumindest für gewisse Szenarien so ein Ansatz viel zielführender ist, weil einfach ehrlicher als andere, bisherige Versicherungsmethoden. Ich hoffe, ich habe es in deinem Sinne zusammengefasst und es ist einigermaßen verständlich rübergekommen.

Ansgar Knipschild: Jetzt fehlt Herr Doktor Schmalbach, der jetzt wahrscheinlich seinen Zeigefinger hebt und sagt: „Nein, Herr Zühr“. Aber ich finde alles sehr gut zusammengefasst. Meine Meinung wäre ähnlich wie deine. Ich glaube, er selber hat auch gar nicht den Anspruch, zu sagen, das ist der Ansatz, der alles andere schlägt, sondern er muss an der richtigen Stelle angesetzt werden. Der Titel sagt ja auch, „wie die Pandemie den Weg in die Disruption ebnet“. Ich glaube, der Schwerpunkt ist bei Risiken, die nicht im eigenen Einflussbereich liegen und die man dann eben finanzmathematisch mithilfe von Zahlen und Daten statistisch ermitteln kann, wie wahrscheinlich der Eintritt von A, B, C ist, Niederschlag und so weiter. Das Thema ist ja auch nicht ganz neu. Insbesondere die Rückversicherer machen so was ja mit ihren Cut-Bonds zum Beispiel, wo sie ja durchaus Sachen wie Erdbebenrisiken, Hurricanes und so weiter auch wiederum am Finanzmarkt absichern. Und da ist es die gleiche Wette. Es wird einfach knallhart gesagt, okay, ab Erdbebenstufe fünf in der und der Region wird ausgezahlt oder halt nicht. Und dementsprechend steigt oder fällt der Kurs. Und der Finanzmarkt macht halt mit und Versicherer bekommen darüber das Kapital, um den Schaden dann für ihre Kunden zu regulieren. Klar, aus digitaler Perspektive ist es ein sehr spannender Baustein. Und ich bin auch mal gespannt, inwieweit das bei den Industrieversicherungen an der einen oder anderen Stelle vielleicht als Beimischung oder als Spezialprodukt Einzug hält. Vielleicht gerade bei Industrie 4.0, wo wir überall Parameter haben, die aus der Produktionskette kommen, wo man einfach sagt, Frequenzschäden mache ich wirklich parametrisiert oder situativ. Das ist ja auch so eine Gratwanderung dazwischen. Wo man sagt, da mache ich nicht den typischen Schadenregulierungsprozess, weil es einfach zu teuer ist.

Benjamin Zühr: Ja, absolut. Ich glaube auch, so ein Mix wird es letztendlich sein. Man wird gewisse Szenarien finden, wo so parametrische Ansätze total spannend sind, aber auch durchaus in Kombination mit traditionellen Ansätzen. Da kann man ja sonst wohin denken. Ich finde den Ansatz super, weil er total ehrlich ist. Aber du hast total recht. Er ist eine Wette und letztendlich hat er nur noch bedingt etwas mit dem originären Risiko zu tun, meiner Meinung nach. Man sagt, ab dann wird das gemacht. Aber ob es da dann wirklich ein Schaden gibt oder nicht. Bei einem Erdbeben kann es ja auch sein, dass da kein Haus steht.

Ansgar Knipschild: Ja, klar.

Benjamin Zühr: Klar, man kann es auf eine Region begrenzen et cetera p.p. Aber selbst dann kann es ja sein, dass die Häuser gar nicht beschädigt wurden. So. Für Rückversicherungen kann man es sich natürlich total gut vorstellen. Aber weniger für Erstversicherer, die dann vielleicht im direkten Kundenkontakt stehen. Genau da könnte man dann auch mit einem guten Mix arbeiten, vielleicht mit unterschiedlichen Ansätzen. Aber ich glaube, es muss auf jeden Fall durchdacht werden, ob dieser Ansatz auch in gewisser Weise Zukunft hat.

Ansgar Knipschild: Ja. Da fällt mir gerade noch ein, vor einem Jahr, also vor Corona, haben ja ein paar Erstversicherer wie die AXA zum Thema Flugausfall- oder Flugverspätungsversicherung genau so was gemacht. Dass man hier sagt, die Daten liegen vor. Und wenn von der Fluggesellschaft genannt wird, Flug hat Verspätung x und über 30 Minuten, 60 Minuten wird gezahlt, Ende. Da muss ich keinen Schaden melden und nichts. Und in die Kalkulation muss halt die Wahrscheinlichkeit einfließen, dass so was eintritt. Wieder ein Teil der Wette, klassisches Versicherungsgeschäft, wo man einfach überlegt, kann ich hiermit vielleicht ein Marktsegment und somit auch Vertrauen beim Kunden adressieren, der sagt, hey, finde ich spannend, wenn Schaden eintritt, kriege ich wirklich am Gate noch meinen Schaden ausgezahlt, fertig. Das ist natürlich schon was anderes.

Benjamin Zühr: Ja, absolut. Nehmen wir das Beispiel mal auf. Du kannst natürlich dann sagen, okay, wenn der Flug 15 bis 30 Minuten oder 30 Minuten genau Verspätung hat, kriegst du 50 Euro. So. Der eine hat jetzt aber ein First-Class-Ticket und der andere hat die Economy-Class. So. Der in der Economy-Class, der vielleicht 100 Euro für sein Ticket gezahlt hat, sagt: Ja, ist ja super, ich kriege 30 Euro und habe somit 30 Prozent erstattet bekommen. Der First-Class-Mensch hat vielleicht über 1.000 Euro bezahlt und sagt: Naja, also die 30 Euro machen den Kohl jetzt gerade auch nicht fett bei dem, was ich hier gezahlt habe. Wie gesagt, ich bin total bei dir. Genau für so was kann das total spannend sein. Ich würde es mir manchmal wünschen, gerade bei der Deutschen Bahn, wenn die mal wieder mehr als 60 Minuten Verspätung hat und man da dann irgendwelche Zettel ausfüllen muss. Unglaublich nervig. Da würde ich so einen Ansatz viel schöner finden. Und da gibt es sicherlich noch tausende unterschiedliche Ansätze, die da denkbar sind.

Ansgar Knipschild: Okay. Ich würde sagen, nächstes Thema.

Benjamin Zühr: Definitiv.

Ansgar Knipschild: Ich glaube, du hattest noch ein Thema mitgebracht.

Benjamin Zühr: Ich bin dran. Und jetzt werden wir hoffentlich doch noch mal ein bisschen Industrie-lastiger. Genau. Es geht um das Thema Marine-Transport. Und da gibt es momentan ja unterschiedlichste spannende Ansätze, gerade was das Thema Digitalität angeht. Und du hast da ein, zwei coole Beispiele mitgebracht, wo sich gerade die Sparten- und Nischenanbieter hin entwickeln. Und wenn ich die Ansätze richtig verstanden habe, muss sich da die Branche echt warm anziehen.

Ansgar Knipschild: Ja. Genau. Der Trigger, warum wir es bei uns in die Liste mit aufgenommen haben, war eine Meldung von dieser Woche vom Startup Optimiz. Ich glaube, die sprechen sich so aus. Optimiz geschrieben. Das ist ein kleines Startup, entwickelt aus dem Accellerator-Programm, von den InSur-Labs Germany hier in Köln. Von daher muss ich die natürlich kennen als alter Kölner.

Benjamin Zühr: Definitiv.

Ansgar Knipschild: Sonst kennt die wahrscheinlich keiner. Nein, das war jetzt zu böse. Die haben in einer Pressemitteilung und auch in ein paar Interviews in den entsprechenden Fachzeitschriften und Online-Medien kommuniziert, dass sie eine Plattform zur automatisierten Abwicklung von Transportschäden gemacht haben. Wenn man da reingeht, merkt man, okay, es ist auf ein sehr enges Segment reduziert. Es geht halt um Transport zur See, insbesondere jetzt erst mal rund um Obst und verderbliche Früchte, also wirklich ein sehr enges Segment. Und hier ist die Idee, die Kosten für die Schadenregulierung durch Automatisierung zu reduzieren. Ein Beispiel, Container, längerer Weg, quer um die Welt, verderbliche Ware, die dann aufgrund von Klimaeinflüssen oder what ever verdirbt. Ich kenne es ein bisschen aus unseren Schadenabteilungen und den Projekten. Da werden zum Teil, je nach Größe der Schäden, Kosten im drei- bis vierstelligen Bereich verursacht, wenn Gutachter gucken, was denn mit der Charge passiert ist. Und wenn es dann größere Stückzahlen sind und es um große Schadensummen geht, kommen da durchaus, wie im Artikel erwähnt, irgendwie 1.000 Dollar oder Ähnliches heraus, weil halt jemand vor Ort ist, das checken muss und so weiter.

Benjamin Zühr: Klar, ist immer Aufwand.

Ansgar Knipschild: Ist immer Aufwand. Und auf der anderen Seite sind hier die beteiligten Unternehmen, neben dem Startup Optimiz, IBM als Technologiepartner, Maersk eben hier als Logistiker, Lloyds spielt auch wohl ein bisschen mit, die gesagt haben, wir haben einfach so eine Frequenz und so ein Volumen, dass es einfach zu teuer und zu langsam ist. Lasst uns doch gucken, wie wir das automatisieren können. Und die Idee ist hier, mit bildgebenden Verfahren, also sprich Fotos, das zu dokumentieren und daraus auch mithilfe von automatisierten Tools, ein bisschen AI darf natürlich auch nicht fehlen, dafür zu sorgen, dass ein Großteil der so gemeldeten Schäden sofort automatisch reguliert werden oder zumindest so aufbereitet werden kann, dass eine relativ schnelle Entscheidung getroffen werden kann. Ich lade einfach ein Foto vom Schaden hoch. Dadurch lässt sich vor allen Dingen die Vor-Ort-Prüfung deutlich reduzieren.

Benjamin Zühr: Aber heißt auf gut Deutsch gesagt, wenn ich dich ganz kurz unterbrechen darf, es ist jetzt kein vollautomatisierter Prozess, sondern es sind schon Menschen, die in dem Fall ein Foto machen. Im Zweifel sind es auch Menschen, die sich die Fotos angucken und auf Basis dessen letztendlich eine Bewertung abgeben.

Ansgar Knipschild: Genauso ist das. Ja. Auf dieser Plattform sind die verschiedenen Parteien vereint, eben die Eigentümer der Ware, die auf die Reise geschickt wird, die Versicherer, die Schiffsunternehmen natürlich, die Logistiker, zum Teil auch die angeschlossenen Transportunternehmen. Meistens ist ja auch zwischen den Schifffahrten womöglich ein Stück Schiene oder LKW. Das Geschäftsmodell habe ich ehrlicherweise noch nicht ganz genau nachvollziehen können, weil es wahrscheinlich auch den Rahmen der Pressemitteilung hier gesprengt hätte. Aber es scheint ein ganz spannendes zu sein, dass hier die verschiedenen beteiligten Partner, also die Eigentümer, die Versicherer, die Schiffsunternehmen, verschiedene Modelle haben. Es gibt wohl von Versichererseite langfristige Verpflichtungen, die eingegangen werden müssen, die also hier sagen, wir machen mit und können damit eben von der Schadenregulierung partizipieren. Die Kunden, die den Container auf die Reise schicken, scheinen diesen Service pro Case entscheiden und buchen zu können. Die offiziell kommunizierte 5-prozentige Erfolgsgebühr muss wohl nur dann bezahlt werden, wenn der Schaden auch abgewickelt wird. Das macht es natürlich aber ganz interessant, auch wenn hier noch ein paar Fragezeichen sind, wie es jetzt ganz genau funktioniert. Denn man durchbricht hier auch ein bisschen das traditionelle Geschäftsmodell, indem man als Anreiz sagt, macht mit. Und wenn unser System sozusagen in deinem Sinne funktioniert, musst du halt auch ein bisschen mehr zahlen. Und dann werden die Zahlungsströme entsprechend bei den Beteiligten untergeteilt. Und deshalb finde ich es spannend, dass es hier gelungen ist, im Industriesegment ein paar Parteien zusammenzubringen, die ein gemeinsames Interesse eint. Auch wenn bei mir noch ein paar Fragezeichen sind, wie es genau funktioniert. Bis hin zum Versicherer, der sagt, es ist auch mein originäres Interesse, für relativ kleine Kosten Menschen durch die halbe Welt zu schicken, um Schäden aufzunehmen. Was wahrscheinlich auch nicht immer kostendeckend ist. Wenn ich aber einen Teil davon abdecken kann, indem ich Kunden im echten Schadensfall auch an den Kosten beteilige, so kann man es ja durchaus lesen, 5 Prozent zahlt der Kunde dann, wenn der Schaden auch da ist, das finde ich ganz interessant. Dass man hier wohl auch auf der Suche nach einem Geschäftsmodell ist, das es für alle Beteiligten vom Erlebnis und Effekt her auch einfach interessant macht. Also auch vom Geschäftsmodell her mal ein bisschen anders denkt als nur, ich zahle halt brav meine Prämie und, wenn es gut läuft, kriege ich meinen Schaden reguliert.

Benjamin Zühr: Letztendlich könnten wir jetzt darüber diskutieren, wie zukünftig die Versicherung funktioniert. Aber ich glaube persönlich, dass das ganze Thema Digitalität letztendlich dazu führen muss, dass natürlich letztendlich Zahlungen einfach transparenter nachvollziehbar werden müssen. Und wie auch immer der Ansatz dahinter aussieht, die extremste Stufe der Transparenz wird irgendwann die Situierung sein. Wo ich ja wirklich auf Basis einer Situation und eines Echtzeitrisikos auch letztendlich nur dieses zahlen muss. Ich finde ganz spannend, dass man allgemein im Transportbereich immer mehr Ansätze erkennen kann, wie sich die Industrie mit der Versicherung und der IT genau in die Richtung entwickeln. Welcher sich davon nachher auch immer durchsetzt, das kann ich heute gar nicht beurteilen. Und trotzdem ist der Transportbereich ein Bereich, woran sich mittelfristig viele Sparten orientieren können, weil man letztendlich in diesem Dreiecksverhältnis, oder sogar noch mehr, aber definitiv Kunde, Versicherer/Makler und IT, Lösungen baut. Und das kann man einfach in vielen anderen Sparten auch, weil sie ja generalistischer aufgesetzt sind und nicht so speziell. Aber das ist eine sehr spannende Geschichte.

Ansgar Knipschild: Ja, und Frequenz, muss man ehrlicherweise sagen. Wo täglich so viel passiert, Container unterwegs sind, LKW auf der Straße sind, Pakete von A nach B geschickt werden. Da hast du Volumen, wo sich Automatisierung einfach rechnet. Das ist natürlich bei Cyber, D&O, Haftpflicht nicht so typisch, wo hoffentlich nicht jeden Tag ein Schaden passiert, sondern, Frequenzschäden mal ausgelassen, vielleicht zweimal im Jahr.

Benjamin Zühr: Ich wollte gerade sagen, bei Cyber würde ich dir jetzt widersprechen. Also ich habe auch keinen 100-prozentigen Überblick, aber ich würde sagen, es gibt Cyber-Schäden ohne Ende. Wenn ich alleine hier in unserem näheren Umfeld gucke, wie viele Firmen gehackt werden und wo Ordner gesperrt werden und letztendlich Lösegelder gefordert werden. Mittlerweile ist das ja schon fast ein Standardgeschäft geworden. Das ist ja furchtbar. Ich glaube, da ist schon richtig was los. Dementsprechend glaube ich, die Transportversicherung ist deswegen prädestiniert, weil sie natürlich eine hohe Frequenz hat, aber vor allen Dingen sich immer innerhalb einer Branche und eines Use-Cases befindet. Und das ist natürlich bei einer Sachversicherung vielfältiger. Haftpflichtrisiko genauso. Und dementsprechend wird sich das dort noch weiter hinziehen, bis es da irgendwelche Lösungen gibt. Letztendlich wird man sich da gut an der Transportversicherung orientieren können. Aber denken wir mal an Produktionsunternehmen, die natürlich auch ohne Ende Industrie-4.0-Daten produzieren. Automotive, ein Riesensektor. Ich bin mir 100 Prozent sicher, da wird es über kurz oder lang auch Ansätze geben, die in eine ähnliche Richtung gehen und die vielleicht dann sogar mit den Transportansätzen gekoppelt werden können, weil das ja auch wichtig ist.

Ansgar Knipschild: Okay. Ich kriege schon wilde Zeichen hier aus der Regie und von (Tonstörung). Du hast ja wahrscheinlich auch einen vor Ort bei dir.

Benjamin Zühr: Natürlich.

Ansgar Knipschild: Ja. Klar. Daran arbeiten wir noch ein bisschen. Aber wir sollten zum nächsten Thema kommen, bevor wir hier zum totalen Laber-Podcast werden. Ich hoffe, dass noch viele Hörer mit dabei sind. Wir bleiben beim Thema Automatisierung von Industrie. Jetzt erst mal wieder ein bisschen ins Privatgeschäft, aber auch durchaus mit der Frage verknüpft, ob das vielleicht auch Auswirkungen auf Gewerbe und Industrie haben könnte. Es gab auch Artikel im Versicherungsmonitor zum Thema, dass die Gothaer wohl neue Sprach-Bots testet, die sogar die Kollegen auf der Mitarbeiterebene bei der Gothaer selbst für sich aufsetzen können, also nicht nur auf IT-Ebene. Da kommt bei mir so ein bisschen dieses Schlüsselwort „Low Code, No Code“, also dass es sogar von den Fachbereichen selbst gemacht werden kann, um bestimmte Formen der Kommunikation mit dem Kunden zu übernehmen. Und auf der anderen Seite eine Studie sagt, dass es im Privatbereich eine steigende Akzeptanz dabei gibt, auf diese persönliche Beratung zu verzichten. Das vielleicht mal so als Trigger für uns. Da gibt es also Digitalisierungsbemühungen. Wie siehst du das als jemand, der ja nun wirklich in der Industriesparte zu Hause ist? Teile dieser Ideen stecken auch im Privatbereich bestimmt noch in den Kinderschuhen. Aus der eigenen Erfahrung kenne ich es noch sehr wenig, dass ich als Privatkunde digital mit einer Versicherung über Chat-Bots oder Sprachassistenten kommuniziere. Glaubst du, dass so was perspektivisch auch mal irgendwann in Teile von Gewerbe oder sogar Industrie rüberschwappen kann? Oder wird es auf immer und ewig das Gespräch sein, wo sich beide Parteien im Anzug begegnen und alles wirklich auf hochindividueller Ebene besprechen?

Benjamin Zühr: Also das Wichtigste ist für mich, dass sie sich nicht im Anzug begegnen.

Ansgar Knipschild: Ist vielleicht auch ein Mythos.

Benjamin Zühr: Nein, ich glaube nicht. Es ist immer noch verbreitet, aber die Branche taut langsam auf. Was sehr angenehm ist, muss ich sagen. Nein. Spaß beiseite. Ich glaube, das kann momentan ja jeder an sich selber feststellen, wie wir uns immer mehr an Technik, Sprachassistenten oder Bots gewöhnen. Über kurz oder lang wird ein Teil darüber abwickelbar sein. Ein anderer Teil wird aber auch weiterhin immer individuell bleiben. Und das ist auch gut so. Letztendlich geht es um individuelles Geschäft in der Industrie und das nicht nur über Standards. Du hast ja gerade selber gesagt, wir sprechen hier über „Low-Code, No-Code“. Wir haben ja auch schon einen Podcast dazu aufgenommen. Absolut spannende Ansätze, wo wirklich keine Techniker mehr gebraucht werden, um so was aufzusetzen. Letztendlich geht es darum, nicht-wertschöpfende Prozesse schlanker zu gestalten und sich als Mensch wirklich auf die wertschöpfenden Prozesse zu konzentrieren und wirklich Mehrwerte zu generieren. Und für diese nicht-wertschöpfenden Prozesse sind diese Bots total gut. Da könnte ich mir auch vorstellen, dass sie gerade im Frequenzbereich in der Industrieversicherung irgendwann eine wichtige Rolle übernehmen. Ansonsten bin ich aber weiterhin auch fest davon überzeugt, dass auch der Mensch nicht wegzudenken ist. Das mag eine traditionelle Meinung sein, aber ich glaube einfach, letztendlich will der Geschäftsführer zumindest mittelfristig noch mit einem Menschen reden und sich darauf verlassen, wenn was passiert, dass er den anrufen kann und dann auch vielleicht durch Emotionen vom Vertraglichen ein bisschen abgewichen werden kann. Dass man sagt, hey, hier drücke ich mal ein Auge zu, hier helfe ich dir jetzt mal außerhalb der Range oder sonst was. Ich glaube, es ist und bleibt ein People-Business. Und somit können Bots helfen, aber sie werden den Menschen nicht ersetzen.

Ansgar Knipschild: Wahrscheinlich wird sich das auch langsam und organisch entwickeln, dass dann, ähnlich wie man es vom Privatgeschäft im Bankbereich kennt, bestimmte Teile automatisiert werden. Ich habe vor kurzem noch eine Zahl über Makler im Privatbereich gehört. Der durchschnittliche Makler hat 400, 500 Kunden, irgendwie so was um den Dreh. Der wird nicht mit jedem individuell sprechen können. Und wenn er nur eine Adressänderung hat oder jemand sagt, in meiner Wohnung hat sich was verändert, so was muss man automatisieren. Ich muss sagen, technisch ja auch so ein bisschen mein Thema. Als wir uns mit dem Thema Bots schon so vor zwei, drei Jahren beschäftigt haben, sowohl Bots, die man per Texteingabe steuert als auch dann wirklich die Sprachassistenten, konnte ich mich persönlich einem gewissen Hype auch nicht verschließen. Ich drücke es mal so aus. Ich fand das eine coole Sache. Wenn man es dann aber wirklich mal versucht, in die Praxis zu bringen und auch die verschiedensten Text- und Spracheingaben mal zu mappen, die dann so von einem Menschen kommen, da überschätzt man auch die Varianz und wie dumm die Systeme heute dann doch noch sind. Darauf will ich so ein bisschen hinaus. Das kennt auch jeder von Alex, Siri und Co. Ich glaube, es hat einen Grund, warum die noch nicht so massiv in der Nutzung sind, weil auch einfach die Qualität noch nicht ganz da ist. Und die letzten 0,5 Prozent, die machen es halt aus. Wenn du mit einem Mal merkst, das ist vielleicht wirklich situativ, da lernt das System vielleicht auch ein bisschen von dem, wer da vor einem ist, diesen ganz generalistischen Ansatz. Das ist vielleicht so dieses Wettrennen, was wir auch beobachten werden. Auf der einen Seite dann die Entwicklung der Versicherer, die wir hier genannt haben, und der Prozesse auf der anderen Seite, also der Technik. Dann wird es vielleicht irgendwann diesen Punkt geben, wo es kippt und wo man merkt, okay, jetzt funktioniert es, es geht auch einfach. Vielleicht kommt es auch über das, was du privat mit diesen Assistenten erlebst. Da sind wir noch nicht. Ich finde das ganz interessant bei meinen Kindern. Das kennt auch jeder, der Kinder hat und die, sorry für die Worte, so eine blöde Alexa zu Hause haben. Das kann natürlich genauso gut ein blöder Google-Assistant oder auch eine blöde Siri sein, wie auch immer.

Benjamin Zühr: Aber in deinem Fall bist doch du derjenige, der Alexa angeschafft hat, oder?

Ansgar Knipschild: Ja, die musste aber sofort wieder weg. Hat sich jetzt aber geändert. War auch ganz interessant. Das kam nicht gut an. Nein, das will ich nicht. Und die hört immer zu. Und doof. Nein, aber Spaß beiseite. Die Kinder gehen damit ganz anders um. Die spielen wirklich mit dem Tool. Die fragen auch mit der größten Selbstverständlichkeit: Wie wird das Wetter heute? Wenn du es jetzt mal auf Generationenebene siehst, sehr großes Rad, was ich jetzt drehe, aber lasse mal zehn, zwanzig Jahre vorbeigehen, dann wird da keiner mehr drüber reden. Dann wird es diese Barrieren auch nicht mehr geben. Und das hat nichts mit den komischen Sprachrobotern zu tun, die du heute noch in den Hotlines hast, wo du ja schon nach 30 Sekunden denkst, gehe weg. Also grauenhaft.

Benjamin Zühr: Absolut. Ich bin vollkommen bei dir. Ich glaube, die Zeit wird immer stärker dafür sorgen, dass auch solche Bots nach der natürlich privaten Kommunikation mit Versicherungen auch in die Industrie Einzug halten. Das ist nicht aufhaltbar. Und das ist auch okay. Die Dinger werden besser und sie sind einfach aufzubauen. Sie lernen und werden von alleine intelligenter. Genau. Ich kann mir da auch jetzt schon unterschiedlichste Szenarien vorstellen. Genau wie du sagst, der Mensch geht einfach ganz anders mit solchen Tools um.

Ansgar Knipschild: Für Industrieversicherungen wahrscheinlich noch ein Tacken zu früh.

Benjamin Zühr: Kommt darauf an, welche Bereiche. Nehmen wir das Thema KFZ- Flotten An- und Abmeldung.

Ansgar Knipschild: Ja, stimmt.

Benjamin Zühr: Vielleicht könnte es da was sein. Das kommt wirklich darauf an, wie die Tools in die Systeme integriert sind. Aber das sind Aufgaben, die mehr oder weniger einem Standard folgen.

Ansgar Knipschild: Finde ich eigentlich ein cooles Beispiel. Habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Wenn wirklich jemand aus dem Backoffice einfach zum Telefonhörer oder halt zu einem digitalen Tool greifen kann, neuer Dienstwagen da, Fabrikat A, B, C, Kennzeichen ABCDEF, fertig, das war es. Und anhand der Absenderdaten, wie Telefonnummer und so weiter, weiß das System, wo es herkommt und kann die Sprachdaten wahrscheinlich relativ gut interpretieren. Thema durch. Wahrscheinlich geht das sogar auch für fünf Fahrzeuge am Stück. Dass man das einfacher findet, als jetzt eine kleine Excel zu machen oder what ever.

Benjamin Zühr: Genau.

Ansgar Knipschild: Ja, stimmt. Gute Idee.

Benjamin Zühr: Ich denke, da gibt es Mittel und Wege. Und es gibt ja auch jetzt schon definitiv Möglichkeiten, das zu nutzen. Genau. Letztendlich ist das vor allen Dingen ein Kopfthema. Man muss es halt zulassen. Aber der Kosten- und der Prozessdruck führen da sowieso automatisch irgendwann hin. Wenn dann nicht nur wir hier uns locker beim Bierchen darüber unterhalten, sondern man irgendwann dasitzt und sagt, wie kriegen wir jetzt eigentlich das Problem gelöst. Genau. Und das war ja quasi mein Schönstes jetzt. Du hast ja mal selber getestet. Das hat jetzt weniger was mit dem Bot zu tun. Trotzdem hast du ja einen digitalen Bedarfs-Check gemacht, was Versicherungen angeht. Da interessiert es mich jetzt natürlich, erzähle mal was dazu.

Ansgar Knipschild: Das ist natürlich jetzt so eine Anmoderation wie bei, wie heißt denn der noch bei RTL, Jenke oder was, der da immer die Selbstversuche macht? Keine Ahnung.

Benjamin Zühr: Ich gucke die leider nicht.

Ansgar Knipschild: Ich kann mich natürlich rausreden. Ich kenne sie nur von den Plakaten, wenn man irgendwie durch die Straßen geht oder so was. Naja. Genau. Ein Selbstversuch, aber ein relativ unspektakulärer. Getriggert wieder durch eine Pressemitteilung. Wir wollen hier ja aktuelle Themen durchgehen. Und zwar hat der Digitalmakler Clark ein bisschen auf die Pressetrommel gehauen und gesagt, ich habe hier einen digitalen Bedarfs-Check für Privatgeschäft. Und wieder bei uns der Trigger, wie können wir aus Privatgeschäft vielleicht auf unser Segment Industrie und Gewerbe schließen. Wer ist Clark? Die sind seit fünf Jahren am Markt. Bezeichnen sich selbst eben als Digitalmakler mit einer Beratungskomponente. Ist auch mal gestartet so ein bisschen mit dem Ansatz, ich habe für dich als Privatkunde den digitalen Versicherungsordner, wo ich also meine privaten Versicherungen ablegen kann und dann auf Optimierung mit Unterstützung von Clark eben meine Versicherungsverträge verbessern kann. Sie haben laut offiziellen Kundgaben so um die 200.000 Kunden, also ist kein ganz kleiner Player. Sie haben nicht nur ein digitales Geschäftsmodell, sondern sie haben eben auch stark den Menschen integriert, also die Berater. Themen sind vor allen Dingen Kranken- und Altersvorsorge. Interessant ist, habe ich noch bei der Recherche herausgekriegt, dass diese Berater, also klassisch ja Makler im Privatkundengeschäft, keine Provisionen bekommen, sondern nur über das Fixgehalt motiviert sind. Das heißt, hier ist also nicht das klassische, ich verkaufe dem Kunden die Riester-Rente oder eben das interessante Altersvorsorgeprodukt, weil dann profitiere ich auch davon. Sondern das hat man hier schon mal entkoppelt. Das finde ich einen interessanten Case, was das Geschäftsmodell angeht. Und sie haben halt eine App, die eigentlich ihr Hauptzugang ist und bis jetzt eben Ablage von Versicherungen und Optimierung. Und sie sagen jetzt, wir wollen über eine Beratungskomponente den Kunden dabei unterstützen, seine Versicherungen zu optimieren. Ich habe mich jetzt hingesetzt und die App einfach mal installiert. Und ich muss sagen, die ist von der User-Experience und vom Installieren her wirklich super easy. Man lädt sich die App runter, muss eigentlich nur noch einmal seine Handynummer bestätigen als Identifikationsmerkmal, bekommt eine SMS, bestätigt, dass man die eben bekommen hat. Und damit weiß man, wer man ist. Und dann wird man aufgefordert, wenn man möchte, die persönlichen Daten einzugeben. Aber das ist nur der Klassiker, Name, Straße, Postleitzahl, Ort, Geburtsdatum, seine Versicherungsverträge. Mehr ist es nicht. Und jetzt kommt dieser mehrstufige Beratungsaspekt. Der erste ist, gebe mal bitte deine bestehenden Verträge rüber. So.

Benjamin Zühr: Also nicht auf Basis deines aktuellen Risikos, sondern eher auf Basis deines aktuellen Versicherungs-Portfolios?

Ansgar Knipschild: Ganz genau. Das ist zumindest der erste Teil. Zum Risiko kommen wir gleich auch noch mal. Aber gute Frage. Du kannst also dann entweder durch Nennung des Versicherers oder des Produktes eingeben, was du da hast. Und auch das ist echt gut gemacht, muss man sagen. Du sagst also dann eben zum Beispiel, ich habe bei der Pfefferminz meine Lebensversicherung. Mehr musst du nicht machen. Du musst also nicht den Tarif oder Ähnliches genauer wissen. Dann musst du noch eine Maklervollmacht unterschreiben. Das ist auch sehr smooth. Man muss also einfach nur mit dem Finger am Smartphone seine Unterschrift eingeben und das reicht dann. Das geht also wirklich zack, zack, zack in dreißig Sekunden, dass man eben mit den drei Parametern, Versicherer, was für eine Art Produkt, Unterschrift das losgibt. Und dann kann Clark recherchieren und gucken, was hast du jetzt aktuell und was können wir dir an vergleichbaren Produkten Besseres anbieten. Oder du kannst auch einfach ein Foto von deiner Police machen. Haben sie auch sehr gut erklärt, bitte so das Foto aufnehmen, dass die wichtigen Sachen wie der Tarif und deine Prämie mit drauf sind. Das sind natürlich die relevanten Faktoren. Darauf kann Clark dann ja eben agieren. Und bis dahin wirklich alles super, muss ich sagen. Das hat wirklich sehr schön geklappt. Um eine Zeitvorstellung zu haben, ich würde mal so sagen, nach zwei, drei Minuten. Ich hatte natürlich vorher schon brav meine Policen rausgesucht. Das ist wahrscheinlich dann in der Praxis eher das Problem, dass man in seinem Schuhkarton oder wo auch immer seine Police sucht. Aber es reicht da sogar der Name der Versicherung und das Produkt. Wobei ich mal hinterfrage, ob die meisten aus dem Effeff wissen, bei wem sie die Hausrat haben. Keine Ahnung.

Benjamin Zühr: Würde ich auch bezweifeln.

Ansgar Knipschild: Aber dann kam der erste Dämpfer, nämlich, dass bei beiden Wegen, ich habe bewusst beide probiert, also einmal für eine Hausrat und dann noch für die Haftpflicht, dann die Rückmeldung kam: Vielen Dank für die Angaben. Wir melden uns zwischen sieben und neun oder zwischen neun und zwölf Tagen für beide Wege. Und ich habe natürlich nach diesem Announcement, wir machen hier voll digitale Beratung und so weiter, die Erwartung gehabt, okay, jetzt kriege ich es hier, vielleicht nicht in real time in fünf Sekunden, aber mit einer Minute Verzögerung. Klar, fair enough, man muss vielleicht beim Versicherer anfragen, sich die Daten besorgen, analysieren und so weiter. Das geht nicht ganz auf Knopfdruck. Ja, aber machen wir es mal großzügig, 24 Stunden, in Gottes Namen, dann kriege ich eine Antwort. Nein. Eigentlich war jetzt hier stopp und der Hinweis, warte mal ab. Da habe ich mich eher so gefühlt wie im traditionellen Beratungsgeschäft, Banken, Versicherungen oder auf dem Amt, jetzt musst du halt warten. Und das war ein kleiner Dämpfer, wo ich mir so dachte, okay, das war eine andere Erwartung.

Benjamin Zühr: Also wundert mich persönlich auch. Ich kenne also auch diese Zeiten, aber aus schwerem Geschäft, wo es halt wirklich letztendlich auch häufig vorkommt, wenn komplexe Anfragen gestellt werden, dass es dann natürlich mal ein paar Tage dauert, bis man ein Angebot kriegt. Ganz normal. Fairerweise muss ich sagen, so lange ist eher selten. Man kriegt vorher zumindest schon mal eine Rückmeldung, würde ich sagen. Mich wundert es vor allen Dingen dahingehend, weil so wie du den Prozess vorher beschrieben hast, hat man ja eigentlich eher das Gefühl, man hat es dann doch sofort. Also das Erwartungs-Management, was damit verbunden ist, erfährt zumindest bei mir gerade nicht nur einen kleinen Dämpfer, sondern einen massiven Dämpfer. Also wäre für mich schon eine gewisse Enttäuschung, wenn man so lange dann auf etwas warten muss. Im Zweifel kann man ja dann selber irgendwie doch noch mal woanders den Vergleich anstellen und ist deutlich schneller.

Ansgar Knipschild: Ja, das stimmt. Ich beschäftige mich gerade auch so ein bisschen projektbezogen mit diesem Onboarding-Prozess, also wie komme ich digital möglichst schnell zu dem Punkt, dass ich wirklich irgendwas abschließen, kaufen, was auch immer machen kann. Und wer da gerade ganz vorne ist, sind ja zum Beispiel Online-Trader. Ich weiß nicht, ob du es schon mal gehört hast, dieser Robin-Wood? In Amerika macht der gerade auch so ein bisschen Wellen. Wo du dann sogar mit Kleinstbeträgen traden kannst. Und das hat wiederum zu einer Welle von Applikationen bei uns geführt, wo Online-Trader was machen. Und interessant ist, jetzt ganz unabhängig vom Aktien-Trading, wie gut die wirklich im Onboarding sind. Ich war da sehr baff bei einem Anbieter. Da war ich auch so in zwei, drei Minuten durch, und zwar inklusive Identifikation, mit Ausweis in die Kamera halten, automatischem Scan, Vergleich mit deinem Foto, per AI, kein Videochat oder so was irgendwie. Original in zwei Minuten mit einer gesetzlich konformen Identifikationsprüfung, mit allem Pipapo, sodass du auch sagen kannst, ich kann jetzt auch aktiv werden. Und dann hatten die als Zückerchen sogar noch oben drauf 10 Euro auf das Konto draufgepackt, sodass du sagen kannst, ich kann jetzt in dieser Zeitspanne von zwei, drei Minuten, die du so als digitaler Täter ja auch wahrscheinlich gewohnt bist, loslegen. Und das schafft Clark halt leider noch nicht. Ich meine, gut, man muss fairerweise sagen, Versicherungen.

Benjamin Zühr: Genau, wollte ich gerade sagen. Das sind schon Äpfel und Birnen dahingehend, dass man einfach sagen muss, es gibt natürlich zigtausend verschiedene Versicherungen im Zweifel. Und trotzdem versteht jeder, was du meinst.

Ansgar Knipschild: Dieses Erwartungs-Management, was du meintest.

Benjamin Zühr: Genau.

Ansgar Knipschild: Ich glaube, man müsste jetzt hier vielleicht für den Kunden ein Alternativ-Szenario anbieten, wenn er warten muss. Du hast ja schon die Idee reingebracht, über einen Vergleicher oder so vielleicht doch noch mal zwei, drei Daten abzufragen. Ich meine, ich habe ja sogar auch schon mein Geburtsdatum und so genannt. Und wenn es nur so was ist wie, schaue mal, jemand in einer vergleichbaren Situation macht das und das oder so. Und dann kann man sich mit zwei, drei Klicks vielleicht in so einem Funnel annähern. Aber einfach zu sagen, stopp, das war es, das fand ich ein bisschen hart. Und die beiden anderen Angebote, die ja auch in der Pressemitteilung genannt wurden, also ein automatisierter Bedarfs- Check oder Instant-Advice, das war das andere, die muss man wirklich manuell dann erst mal suchen und finden in der Anwendung. Das war jetzt noch nichts, wo man dann automatisch hingeführt wurde. Ich fange mal mit dem letzten an. Was heißt Instant-Advice? Das ist so eine Ad-hoc-Beratung, die sie über die App anbieten. Und das bedeutet eben, dass man hier auch sehr schnell mit einem Berater in Kontakt kommt, der einem dann auf Grundlage von ein paar Daten eben entsprechende Produkte anbietet. Das habe ich nicht gemacht, weil mir das ehrlicherweise dann ein bisschen zu blöd war, jetzt letztendlich doch einfach nur an einen Callcenter-Agent oder an einen kompetenten Berater vermittelt zu werden. Ich wollte das digitale Erlebnis haben.

Benjamin Zühr: Ja, absolut.

Ansgar Knipschild: Deshalb habe ich diesen Bedarfs-Check gemacht. Und ich gucke mal eben ganz kurz, habe ich hier parallel gerade offen. Ich habe das bei mir mal über Screencam mit aufgenommen, wie das funktioniert. Also dieser Bedarfs-Check, in der Pressemitteilung so announced, ich lese mal kurz vor: Ein vollautomatisierter Bedarfs-Check, zwölf Fragen in 3 Minuten. Da gibt man dann so Sachen ein wie Beziehungsstatus, Berufsstand, über Fahrzeuge, Haustiere, Hobbys und so weiter. Und anhand dieser Daten wird dann ein Profil erstellt. Und der Algorithmus kalkuliert den Versicherungsbedarf, gibt Empfehlungen und so weiter. So. Angeblich nutzen das 60 Prozent der User in den ersten vier Wochen. Was ich eine Wahnsinnszahl fand.

Benjamin Zühr: Absolut.

Ansgar Knipschild: Das ist ganz schön viel. Und 25 Prozent von den Gesamt-Usern, nicht von den 60, lassen sich dann sogar auch weiter beraten. Okay. Und andere beeindruckende Zahl, dass 800.000 Verträge da als Input dienten, die also vorher analysiert wurden und dann eben die Datenbasis sind, um Empfehlungen für vergleichbare Kundensegmente daraus abzuleiten. Und sie würden angeblich 45.000 Dokumente jeden Monat neu hinzufügen, um eine permanent lernende Basis zu generieren. Man merkt, Private Business, andere Stückzahlen als im Industriegeschäft. Beeindruckend. Und auch hier dachte ich, okay, jetzt bin ich mal echt gespannt, was die machen und was können wir da vielleicht auch im etwas kleinteiligeren Industriegewerbegeschäft daraus machen. Und ich gehe mal eben hier im Schweinsgalopp durch meinen Selbstversuch durch. Wo wohnst du, in einer gemieteten Wohnung und so weiter. Planst du, innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Immobilie zu finanzieren, drei Fragen, ja, nein, plane eine Anschlussfinanzierung. Man fühlt sich so ein bisschen wie beim Bankberater. Besitzt du eines der folgenden Fahrzeuge, Auto, Wohnwagen, Anhänger, Motorrad, nein, auch easy. Also die drei Minuten der zwölf Fragen scheinen ganz gut zu klappen. Familiensituation, verheiratet, Single, Partnerschaft, hast du Kinder, ja, nein. Also es geht wirklich schön schnell und easy. Anzahl der Kinder. Und noch drei, vier, fünf Fragen. Interessanterweise dann doch, ob man gerne im Garten arbeitet. Habe ich natürlich ja gesagt. Ich bin ja der berühmte Mann mit dem grünen Daumen und bin da ganz vorne.

Benjamin Zühr: Genau, Naturbursche.

Ansgar Knipschild: Wohl ganz vorne weg. Alles klar. So. Kam dann halt eine freundliche Antwort, hey, Ansgar, alles super. Dann kam ehrlicherweise leider ein bisschen Ernüchterung. Denn es kam ein relativ einfaches Ergebnis, okay, eine Haftpflicht wäre echt gut, wenn du die hättest, weil, wenn du anderen irgendwie mal Blödes antust, dann zahlt halt jemand anders. Altersvorsorge ist auch nicht schlecht. Und wenn du ein Auto hast, ist eine KFZ-Versicherung auch nicht übel. Ist jetzt nicht ganz so Rocket-Science. Und brauche ich dafür 800.000 Dokumente und 45.000 jeden Monat? Weiß ich nicht. Also ich will jetzt ein bisschen augenzwinkernd sagen, das ist jetzt nichts, was einen aus dem privaten Kontext heraus überrascht. Bis auf so eine relativ simple Analogie, klar, wenn du ein Auto hast, KFZ. Ich vermute, wenn ich keins angegeben hätte, hätte es auch keine KFZ angegeben. Hoffe ich zumindest mal. Und dass vielleicht eben aufgrund des Familienstatus gesagt wird, okay, eine Altersvorsorge hat eine andere Relevanz, als wenn du Single bist. Aber ganz ehrlich, das sind ja wirklich Binsenweisheiten jetzt, wenn man es mal ganz hart formuliert. Und außer dieser Empfehlung, nehme mal die und die Produkte, war es das auch. Also man bekommt nur so ein Ranking, wichtig, sinnvoll, sehr wichtig. Das ist wirklich die Klassifizierung. Also gesetzliche Krankenversicherung, wichtig. Pflegezusatz, sinnvoll. Private Altersvorsorge, sehr wichtig.

Benjamin Zühr: Die Frage ist, was wäre rausgekommen, hättest du die Risikofragen vorher nicht ausgefüllt? Denn für mich hört sich das eher so generalistisch an. Wahrscheinlich kann man das auf 80 Prozent aller Menschen so übertragen.

Ansgar Knipschild: Ja. Ganz genau. Zum Abschluss konnte man eben hier noch „Angebot anfordern“ anklicken. Gut, dann kommt aber eigentlich der Klassiker einer Antragsstrecke. Ich gebe noch vielleicht zwei, drei Zusatzinformationen an, vielleicht mein Jahresbruttogehalt oder eine andere wichtige Information. Aber Fazit für mich, was wir auch schon bei anderen Themen hatten, ich kann meine Policen hochladen oder eine Info geben, aber stoppe dann hier auch. Ich bekomme eine relativ einfache Risikoeinschätzung, die ich problemlos auf Gewerbe oder sogar Industrie übertragen könnte. Oh, du hast einen oder mehrere Vorstände, eine D&O wäre nicht schlecht. Oh, du bist in dem und dem Bereich, eine Transportversicherung wäre nicht schlecht. Das ist ja wirklich die Analogie hier. Aber das jetzt wirklich eine Beratungskomponente zu nennen, mit den Attributen wie auch in der Pressemitteilung, das fand ich jetzt ein bisschen enttäuschend. Noch mal. Sehr gute Applikation, wirklich von der Benutzerführung, von der Gestaltung her, sehr easy. Aber was noch fehlt, ist einfach zum Schluss hin, wo es ja interessant wird, also in Interaktion mit dem Benutzer zu treten, vielleicht wirklich mal über Risiko-Management oder auch eben über das Mapping auf die Produkte nachzudenken. Da kommt man eigentlich ins traditionelle Geschäft oder ins traditionelle Prozessdenken. Und Tüpfelchen auf dem I, ich habe das gemacht, also round about 5 bis 10 Minuten dann alles in allem, lege das Handy weg, gehe zu einem Kollegen rüber wegen einer Absprache. Mit einem Mal klingelt das Telefon, Frankfurter Nummer, kann damit nichts anfangen, gehe ran. Sind es die Kollegen von Clark, die mich bitten, ob ich nicht Interesse an einer privaten Altersvorsorge hätte. Wo ich halt sage, puh. Das ist ja eigentlich nicht das, was du von so einem digitalen Tool erwartest, so ein Pushy-Vertriebsthema. Ich verstehe den Ansatz. Ich glaube, der ist auch clever. Aber ob er die Zielgruppe jetzt wirklich da abholt, würde ich mal ein kleines Fragezeichen dahinter setzen.

Benjamin Zühr: Ich bin mir sicher, wenn sie wirklich auch dauerhaft so viel lernen, du sagtest, irgendwas von 45.000 Dokumenten im Monat, dann wird es sich sicherlich entwickeln. Und trotzdem ist das eigentlich einfach ein Paradebeispiel für die aktuelle Situation im Markt, die wir überall erkennen, dass unglaublich viel kommuniziert wird und häufig auch hochtrabend kommuniziert wird. Und dass man aber dann doch merkt, dass der eine oder andere Ansatz sich wirklich noch stark in der Entwicklung befindet. Man merkt ja gerade zumindest auf Makler- und letztendlich auf Kundenseite, da ist einfach auch schon viel Enttäuschung und Verunsicherung. Was letztendlich dadurch kommt, dass viel versprochen wurde und teilweise auch einfach viel gescheitert ist. Und meiner Meinung nach bringt es überhaupt nichts, es zu Entschuldigen oder sonst was zu finden. Aber ich glaube, diese extreme Überkommunikation hilft da nicht unbedingt. Und da muss der Markt einfach ehrlicher werden, weil die Themen komplex und nicht einfach sind. Man lernt. Und ich glaube, da würde man viel besser fahren, wenn man sagt, die und die Fähigkeiten werden wir haben, wir müssen noch daran arbeiten, aber das sind die Ziele. Dann erwartet das auch keiner. Dann sagen aber vielleicht viele, die Ziele sind total super und ich unterstütze euch dabei, diese Ziele zu erreichen.

Ansgar Knipschild: Vielleicht muss man zum Abschluss noch so ein bisschen relativierend sagen, wir kommen natürlich aus der Branche. Für uns sind viele Sachen wie selbstverständlich. Wenn ich eben gesagt habe, klar, da sagt er mir jetzt irgendwie, meine Hausrat, meine Haftpflicht, meine KFZ. Wenn versuche, mich in die Lage des „Normalsterblichen“, in Anführungsstrichen, zu versetzen, der mit Versicherungen in der Regel ja nie was zu tun hat. Das sind wahrscheinlich nur ein paar Kontaktpunkte im Leben, vielleicht ist für den die User-Experience eine andere. Dass er sagt, okay, ich kriege das mal schön kompakt hier aufbereitet. Und das ist wirklich angenehmer, als jetzt nur vom Callcenter abgespeist zu werden oder Ähnliches. Deshalb, die Kritik ist jetzt wirklich moderat. Ich finde es auch gut, dass hier die Kollegen voranpreschen und das Thema treiben.

Benjamin Zühr: Ja, absolut.

Ansgar Knipschild: Mir ging es so ein bisschen darum, dass ja teilweise bei uns in der Branche selber Erwartungen geschürt werden, wenn man da nur die Pressemitteilungen liest. Wenn man dann eben im Industriegewerbe sagt, oh, guckt mal, im Privatbereich geht schon das und das. Obwohl man es vielleicht gar nicht selbst ausprobiert hat. Und die Realität ist eben noch eine andere. Und wir merken, es dauert einfach noch ein bisschen. Und noch mal an die Kollegen von Clark, sollten sie zuhören, ich glaube, ihr macht da echt einen guten Job. Und ich würde vielleicht bei der Kommunikation einen Gang zurücktreten, wenn ich mir den Hinweis erlauben darf. Aber ich glaube, der Erfolg der Kollegen gibt ihnen ja auch Recht. Sie sind ja lange Jahre am Markt und machen das auch gut. Wir haben im Industriegewerbebereich ja auch noch eine Menge vor uns. Ist ja nicht so, dass bei uns alles super läuft. Sondern Digitalisierung ist ein echt schweres Business.

Benjamin Zühr: Genau. Letztendlich ist es total schwierig und gerade im Industriesegment, wo wir versuchen, das Individuelle zum Standard zu machen und das zu digitalisieren. Halleluja. Große Aufgabe. Und ich bin total gespannt, wann und wie wir ankommen.

Ansgar Knipschild: Wenn das nicht das perfekte Schlusswort war. Halleluja. Das Bier ist leer. Wir sind ja auch, getreu unseres Vorsatzes, bei einem Bier geblieben.

Benjamin Zühr: So sieht es aus.

Ansgar Knipschild: Die Zeit, hast du das im Blick? Wo sind wir jetzt?

Benjamin Zühr: Ich habe es, ganz ehrlich gesagt, nicht im Blick, aber gefühlt auf jeden Fall über 60 Minuten.

Ansgar Knipschild: Aber locker. Ich würde mal auf die 90 tippen.

Benjamin Zühr: Ja, wahrscheinlich.

Ansgar Knipschild: Nicht schlecht fürs erste Mal. Mal gucken, wer zuhört.

Benjamin Zühr: Ja. Gute Frage.

Ansgar Knipschild: Ich finde, es hat echt Spaß gemacht.

Benjamin Zühr: Definitiv. Ansgar.

Ansgar Knipschild: Ich hoffe, unseren Zuhörern hat es auch gut gefallen. Und ich sage mal, bis zum nächsten Mal, habt ein gutes Wochenende und bis demnächst.

Benjamin Zühr: Also, Ciao, schönen Abend dir.

Ansgar Knipschild: Tschüss, mach es gut.

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