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ID#01

04.09.2020

Plattformökonomie – ein Blueprint für die Industrieversicherung? – ID#01

Die erste Ausgabe des neuen ID-Podcasts, der Diskussionsplattform rund um Digitalisierung in der Industrieversicherung.

Im Gespräch: Benjamin Zühr und Ansgar Knipschild mit Marc Philipp Gösswein (mgm technology partners).

Länge: 16 Min.

Transkript

Ansgar Knipschild: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Ausgabe unseres neuen Podcasts. Wir wollen uns hier über Themen rund um Industrieversicherungen und Digitalisierung austauschen. Mein Name ist Ansgar Knipschild und für unsere erste Folge freue ich mich zwei Kollegen hier begrüßen zu dürfen, das ist einmal Benjamin Zühr von der GGW und Marc Philipp Gösswein von mgm technology partners. Ich würde euch mal bitten, kurz vorzustellen. Benny, wenn ich dich bitten darf, kannst du nochmal ganz kurz ein paar Worte zu dir und zu GGW erzählen?

Benjamin Zühr: Vielen Dank Ansgar. Herzlich willkommen ebenfalls von meiner Seite, mein Name ist Benjamin Zühr, wie bereits gesagt, ich leite bei Gossler, Gobert und Wolters den Bereich Digitalisierung und IT und beschäftige mich seit längerem mit den Fragestellungen, wie sich die Industrieversicherung in Zeiten der Digitalisierung entwickeln wird. Und freue mich daher auf einen regen Austausch hier in diesem Podcast.

Ansgar Knipschild: Super. Vielen Dank Benny. Dann gebe ich weiter an Marc Philipp von mgm, kannst du auch gerade ein paar Worte zu dir noch sagen?

Marc Philipp Gösswein: Ja. Mein Name ist Marc Philipp Gösswein, ich kümmere mich bei mgm hauptsächlich um die Digitalisierung bei unseren Partnern aus der Versicherer-Ecke und auch von größeren Maklerhäusern. Und das mache ich bereits seit einiger Zeit. Wir haben damit angefangen 2007 mit einem ersten Thema. Damals hieß das noch ein Produkt online bringen und heute heißt es Digitalisierung.

 Ansgar Knipschild: Ja, spannend. Wenn man sich mal den E-Commerce-Markt anguckt und nehmen wir mal dieses klassische Beispiel Amazon, was auch sehr, sehr häufig immer wieder erwähnt wird im Rahmen Digitalisierung. Da kann man glaube ich ebenfalls nochmal ganz schön sehen, wie vielleicht die verschiedenen Ebenen des Portals oder des Shops, des Markplatzes und auch einer Plattform dort zu sehen sind. Ich würde es jetzt für mich so zum Beispiel interpretieren, dass der Shop von Amazon klassisch das Portal ist, da bestimmt Amazon als der Betreiber, was da verkauft wird und zu welchem Preis. Dann gibt es den Marktplatz, dort stellt Amazon selber, beliebigen Händlern, nach einem kleinen Registrierungsprozess, die Möglichkeit, eigene Produkte reinzustellen. Und Amazon ist das relativ egal, was da reinkommt, behält sich vielleicht vor, das ein oder andere Produkt dann mal zu prüfen und vielleicht auch zu sperren, aber in der Regel kann dort jeder Händler reinstellen, was er will. Und er nutzt einfach den Shop von Amazon, die Zielgruppe von Amazon, dort ebenfalls zu verkaufen, das wäre dann der Marktplatz. Wichtig finde ich da dann in der Abgrenzung, dass das autark durch den Händler passiert. Hier kann ein von Amazon unabhängiger Marktteilnehmer Sachen reinstellen, ohne, dass Amazon da einen Einfluss darauf hat, auch auf die Preisgestaltung. Hinter den Kulissen mag da vielleicht auch das eine oder andere abgehen, aber im Kern kann er das tun. Und die Plattform fährt in der Definition noch eine Ebene darunter und das tut Amazon sogar ebenfalls noch, er stellt reine Infrastruktur zur Verfügung, das wäre dann AWS oder ähnliches. Man sagt, ich stelle all die Technologie und auch bestimmte Schnittstellen, auch bestimmte Services dort drauf, ist ja nicht nur nackte Technik, nacktes Blech, was Amazon da zu Verfügung stellt, sondern auch bestimmte Services. Das geht von AI über Datenbanksysteme zu richtigen Interaktion-Services, die kannst du nutzen. Und auch da ist es Amazon aber egal, wer das darauf macht. Amazon ist einfach der Manager in der Mitte, der dann davon profitiert, durch Betriebsgebühren etc.

Marc Philipp Gösswein: Da möchte ich gerne einmal einhaken. Da gibt es einen ganz spannenden Effekt auch. Sachen hast du gerade erwähnt, da Sachen raufzustellen, letztlich sind das die Produkte. Und Amazon hat eine Sache natürlich verstanden, die glaube ich auch dann letztlich den Wert bestimmt von irgendeiner Art von Plattform oder Marktplatz, dass man möglichst viele Produkte und Marktspieler zusammenbringen muss und dafür wahrscheinlich auch bereit sein muss, ein bisschen abzugeben.

Ansgar Knipschild: Ich glaube da kommt dann ja auch dieser berühmte Plattform-Effekt oder Netzwerk-Effekt besser gesagt rein, dass je mehr Leute auf diesem Netzwerk oder dieser Plattform mitmachen, auch gleichzeitig die Attraktivität und der Wert steigt. Jeder Player, der mitmacht, sorgt dafür, dass das Gesamtwerk an Werte zunimmt. Je mehr Produkte Amazon, auch bis hin zu Nischenprodukten, auf seiner Plattform hat, umso attraktiver wird es und um so schwerer wird es für einen Wettbewerber darein zu kommen. Und dafür gibt Amazon einen Teil seines Geschäfts ab. Wobei interessanter Weise bei Amazon, da kommen wir vielleicht gleich auch nochmal bei der Analogie dann zur Industrieversicherung rüber, noch diese Doppelrolle spielt. Amazon ist selber Anbieter und verkauft Produkte mit dem Interesse, natürlich einen Market-Share zu generieren, gibt aber auch Marktplatzteilnehmern, den Händlern die Möglichkeit, das gleich Produkt zu verkaufen. Und es ist ein offenes Geheimnis und zum Teil haben das auch bereits konkurrierende Plattformen probiert, darüber Parole zu bieten, dass Amazon genau guckt, was die Händler, zu welchen Stückzahlen verkaufen. Wenn ein interessantes Produkt wird von einem Marktplatz-Händler, dann nimmt das Amazon in sein Sortiment ebenfalls auf. Wir haben da auch einen Konflikt, das ist das Spannende finde ich da, auf der Plattform, wo wahrscheinlich die Händler eine Hassliebe zu Amazon haben, weil sie auf der einen Seite sagen, super, ich profitiere hier wirklich von der Plattform. Auf der anderen Seite muss ich damit rechnen, dass ab und zu mal auch was mir wieder weggenommen wird, weil vielleicht Amazon einen attraktiveren Preis oder die schnellere Lieferung hat. Bestätigung praktisch für deinen Punkt, sehe ich genauso. Eine Plattform, ein Marktplatz bringt glaube ich immer eine gewisse Transparenz mit sich und damit im Zweifel ebenfalls ein Abgeben vom eigenen Kuchen. Aber hoffentlich sind die anderen Effekte so stark, dass sie das mehr als ausgleichen. Jetzt haben wir am Beispiel Amazon ebenfalls den Endkunden sogar mit drin, der den Shop bedient. Wir haben bis jetzt bei den Überlegungen, was ist denn eine Plattform, ein Marktplatz, hauptsächlich über die Player im Industriebereich, wie Makler und Versicherer gesprochen. Seht ihr den Endkunden, den Risikonehmer, das Unternehmen, das eine Industrieversicherung braucht oder auch den Inhouse-Broker, dort ebenfalls als wichtigen Player? Oder seht ihr aktuell im Jahr 2020 die hauptsächliche Herausforderung, dass sich mal die Branche von den Dienstleistern, Versicherern und Maklern organisiert? Oder welche Rolle ordnet ihr da dem Endkunden zu? Spielt er da überhaupt eine Rolle? Ist das für den attraktiv? Ist das für den wichtig? Benny, wie würdest du das sehen? Welche Rolle spielt der Endkunde bei dieser ganzen Überlegung, Marktplatz, Plattform?

Benjamin Zühr: Gute Frage. Ich glaube die Herausforderung ist nicht der Endkunde, ich glaube die Herausforderung ist wirklich, dass die digitale Schnittstelle zwischen dem Industriekunden, dem Makler und dem Versicherer. Ich glaube der Endkunde kann in dem Moment eine interessante Rolle spielen, wo man versucht, den Verkaufsprozess des Kunden durch eine Versicherungslösung zu ergänzen. Das klassische Affinity-Geschäft, da könnte beispielsweise auch das Endkunden-Geschäft sehr, sehr interessant werden, gerade weil man anfängt den Industriekunden ein Kunden bindungs-Instrument an die Hand zu geben und vor allen Dingen von der aktuell sehr häufig geführten Prämiendiskussion ein wenig Abstand nimmt und sich darauf konzentriert, gemeinsame Geschäftsmodelle gegebenenfalls aufzubauen. Ich glaube das kann was sehr Interessantes sein, gerade in dem Verhältnis zwischen dem Makler und dem Industriekunden, weil man anfängt über neue Dinge miteinander zu sprechen. Ich glaube aber das wird das Kernproblem nicht lösen, wie kann sich der Industrieversicherungs-Makler und der Industrieversicherer perfekt im Zeitalter der Digitalisierung an den Industriekunden anpassen? Das ist ein anderes Thema nochmal, andere Komplexität, die da auch drinsteckt.

Ansgar Knipschild: Aber glaubst du, dass der Endkunde, im Sinne des Unternehmens, des Industriekunden, dass der ein Interesse daran hat, hier tiefer digital angebunden zu sein über Plattformen, dass das tendenziell, vielleicht ist es auch eine Generationenfrage, sich in die Richtung verschiebt, wie im privaten Geschäft? Da gibt es ja auch Verschiebungen, dass Endkunden selber Policen abschließen, Stichwort Check24 zum Beispiel. Glaubst du, dass sich sowas tendenziell in der Zukunft ebenfalls im Industriebereich wiederholt, dass sich das dahin zumindest ein bisschen verschiebt? Oder sagst du, nein, ist das Thema so komplex, das muss immer über die Schnittstelle des Maklers gehen und deshalb ist die Plattform- und Marktplatzfrage primär in der Beziehung Makler oder Vertriebspartner und Versicherer zu sehen?

Benjamin Zühr: Ich glaube persönlich nicht, dass sich das Industriegeschäft genauso verhalten wird, wie das Privatgeschäft, weil im Privatgeschäft konzentrieren wir uns sehr, sehr stark auf das Thema Angebot-Policierung, um möglichst schnell ein Versicherungsvertrag abzuschließen. Und ich glaube, das ist nicht so einfach in der Industrie möglich, schlicht und ergreifend deswegen, weil das Risiko-konstrukt, was dahintersteckt, individueller und komplexer ist. Ich glaube persönlich, dass wir uns im Bereich der Digitalisierung, im Bereich der Industrieversicherung vielmehr Gedanken machen müssen darüber, dass wir das Thema Risikomanagement, Versicherungsmanagement miteinander verbinden. Und die Verarbeitungsprozesse, wenn der Rahmenvertrag gestrickt wurde, vereinfachen. Und ich glaube persönlich durchaus, dass da der Industriekunde auch ein großes Interesse daran hat, weil auch er muss ja Daten liefern, auch er muss uns jedes Jahr Informationen über seinen Umsatz machen, über seine Mitarbeiterzahl machen, über seine Standorte machen et cetera pp. Und wenn wir es da schaffen, Mittel und Wege zu finden, wie diese Informationen automatisch gegebenenfalls verarbeitet werden und dadurch auch eine gewisse Flexibilisierung in das ganze Konstrukt reinbekommen, hat sowohl der Kunde ein großen Vorteil als auch natürlich der Makler und der Versicherer. Meiner Meinung nach kommt hinzu, dass ein aktives Risikomanagement natürlich dazu führen muss, dass das einen Einfluss auf die benötigte Deckungssumme hat. Beispielsweise, wenn Kunden wirklich aktiv Risikomanagement betreiben und somit Risiken minimieren, muss das ja auch definitiv die benötigte Deckungssumme positiv beeinflussen, somit ebenfalls die Prämie. Somit können meiner Meinung nach der Industriekunde und der Makler perfekt miteinander daran arbeiten, das Risiko so gering wie möglich zu halten.

Ansgar Knipschild: Das heißt, habe ich das richtig verstanden, du siehst vielleicht den Endkunden, den Industriekunden eher darin, dass er seine Risiken darstellt, seinen Risikobedarf vielleicht über so eine Plattform darstellt, da wiederum der Makler andockt und guckt, wie kann ich das über entsprechende Produkte vielleicht abdecken? Und letztendlich der Versicherer dann die entsprechenden Deckungen, die entsprechenden Kapazitäten dazu dann bereitstellt. So in die Richtung?

Marc Philipp Gösswein: Ja, genau darum geht es. Und im besten Fall muss der Kunde sich da gar nicht groß irgendwo einloggen, sondern im besten Fall sind die Kundensysteme, in Teilen zumindest, mit einer wie auch immer gearteten Plattform des Maklers verbunden.

Ansgar Knipschild: Marc Philipp, wie ist deine Sicht auf den Endkunden? Siehst du den überhaupt in solchen Systemen, Stand heute oder vielleicht auch Stand in fünf Jahren? Glaubst du ebenfalls, dass das eher ein Thema ist, dass aufgrund seiner Spezialität hier den Experten vorbehalten ist? Wie ist da so deine Einschätzung?

Marc Philipp Gösswein: Um nochmal mit dem Vergleich Privatkunde Industrie anzufangen, für den Privatkunden, für uns ist unser privates Risikomanagement mit der Auswahl eines Produktes und dem Abschluss erledigt. Dann haben wir das Thema alle im Kopf geparkt und denken, wie sind jetzt sicher. Und in einem Industrieunternehmen und wahrscheinlich auch bereits bei Mittelständlern, das machen wir ja auch, wie sind auch gar nicht mehr so klein, da gibt es ein Risikobewusstsein und je größer die Unternehmen werden, Risikomanager-Experten, die sich mit den Risiken beschäftigen und die natürlich auch dann berücksichtigen müssen finanziell und dann unter Umständen kommt das dann auch mal zu einer Versicherung. Das heißt, ich glaube die Gedankenwelt eines Endkunden, und ich muss da ein bisschen vorsichtig sein, weil da kenne ich mich nicht wirklich aus, ich vermute das nur, geht glaube ich noch deutlich über das Thema Versicherung hinaus und führt auch nicht immer zu einer Versicherung. Und ich glaube, wenn deshalb die Endkunden anfangen, sich mit dem Thema Digitalisierung und Riskmanagement zu beschäftigen, dann wird da, genauso, wie das jetzt in der Versicherungswelt stattfindet, wird zunächst versucht werden, überhaupt das Risiko zu strukturieren. Und da kann dann eine Thematik sein, da haben wir auch bereits häufiger darüber gesprochen, dass über Anbindung von den Produktionsanlagen oder unmittelbar Anbindung an gewissen Technologien, die jetzt bereits im Rahmen von Prozesssteuerungen eingesetzt werden, versucht wird, überhaupt messbar zu machen, wenn ein Risiko sich so steigert, dass Gefahr droht. Was auch immer dann passiert. Jetzt in diesem klassischen administrativen Umfeld glaube ich ebenfalls, dass der Kunde natürlich, durch ein einfaches Handling, wenn er sich denn mal entschieden hat, ein Risiko dann auch versicherungstechnisch abzudecken, dass er dann natürlich auch an einem einfachen Handling interessiert ist, wenn er dann über eine Plattform oder über einen Partner angebunden ist. Und das sehen wir ja auch durchaus im Markt, das machen die großen Versicherer bereits seit vielen Jahren, dass sie ebenfalls gewisse Daten teilen, gerade so im Naturkatastrophen-Umfeld, Transport-Umfeld gibt es bereits solche technischen Services, die auch wirklich sehr gut genutzt werden, zum Beispiel auch, um unkritische Transportwege zu identifizieren, die man dann gar nicht erst mit seinem Partner bespricht, wenn man sie eh nicht versichern will. Aber, wenn es jetzt um das Thema geht, Auf- und Ausarbeitung der eigenen Risikoposition und eine bessere Messbarkeit und auch eine bessere punktuelle Darstellung von Risiken zu machen, um vielleicht dann auch mal in einem nächsten Schritt ebenfalls vielleicht die Versicherungslösung darauf anzupassen. Ich glaube da sind wir noch ein Stückweit entfernt, dass das unmittelbar auch in Plattformen abbildbar ist. Ich glaube das dauert noch fünf bis zehn Jahre.

Ansgar Knipschild: Im zweiten Teil, den wir als eigenständige Podcast- Folge herausgeben sprechen wir unter anderem über digitale Gewerbeversicherungen. Ich hoffe, dass wir uns dort Wiederhören. Bis dann.

Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.

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