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ID#35

24.02.2022

Paul Altmoos: Digitales Produktmanagement in der Gewerbeversicherung – ID#35

Ganzheitliche Produktverantwortung und ein hohes Maß an Standardisierung treiben den Gewerbebereich an. Paul Altmoos, Senior Underwriter Haftpflicht Gewerbe bei der AIG, spricht mit Toni Klein über digitales Underwriting, Impulse in Richtung Industriebereich und welche Rolle digitale Prozesslandschaften zwischen Maklern und Versicherern spielen. Länge: 49 Minuten.

Im Gespräch: Paul Altmoos und Toni Klein

Länge: 49 Minuten

Transkript

Toni Klein: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Episode des Podcasts Industrieversicherung Digital. Mein Name ist Toni Klein. Bevor der Podcast richtig startet, hier noch ein kleiner Disclaimer: Unser heutiger Gast ist Paul Altmoos, der heute in dieser Episode als Privatperson und nicht für die AAG spricht. Und nun, viel Spaß mit dem Podcast. Ich begrüße ganz herzlich meinen heutigen Gast, Paul Altmoos. Er ist Experte für digitalisiertes Underwriting, und digitale Produkte im Gewerbebereich. Hallo Paul.

Paul Altmoos: Hi. Schön hier zu sein, danke.

Toni Klein: Ich freue mich auch sehr, dich heute zu begrüßen. Ich stelle dich einfach kurz vor. Ich habe es eben schon gesagt, du bist Spezialist für digitalisiertes Underwriting, du bist seit Mai 2020 als Senior Underwriter bei der AAG für Haftpflichtversicherungen im Gewerbebereich in Deutschland verantwortlich, hast ursprünglich eigentlich IT-Management studiert, warst dann bei der Degenia und vor der AAG dann in der Leitung des Produktmanagements für gewerbliche Haftpflicht und Sach bei der Alte Leipziger. Ich hoffe, ich habe es jetzt alles richtig gesagt.

Paul Altmoos: Ja, das passt sehr gut.

Toni Klein: Prima. Was ich sehr interessant fand, an deinem Linkedin Profil stand, dass du die Next-Gen Insurance Products für den Gewerbebereich designst. Was sind denn für dich Versicherungsprodukte der Next Generation? Das würde mich mal interessieren.

Paul Altmoos: Ja, ist eine sehr spannende Frage zu Beginn. Und zwar möchte ich da gerne ja den Link zur Automobilbranche herstellen, weil ich glaube, das tut es ganz gut vergegenwärtigen. Wenn wir uns heute mal die Elektromobilität anschauen, da gibt es ja sozusagen zu Beginn der Elektromobilität haben die ersten, ich nenne sie jetzt mal traditionellen Automobilhersteller angefangen, auf Basis bestehender Automobilplattformen Elektrofahrzeuge reinzubauen. Das heißt, wir hatten alte, konventionelle Plattformen, und haben die da mit einem Elektromotor bestückt. Die dann an der Stelle nicht so effizient sind, sehr teuer waren, und so weiter. Und das ist ein Stück weit was heute auch mit vielen Gewerbeprodukten passiert. Wir haben bestehende Tarifstrukturen, wir haben bestehende Prozesse, und dann wird einfach nur auf diesen bestehenden, konventionellen Prozessen aufgesetzt, und man versucht die dann zu digitalisieren. Ohne eigentlich das Gesamtprodukt mal in Frage zu stellen. Und das sieht man wie gesagt sehr schön an der Automobilbranche, weil der nächste Schritt ist jetzt von der traditionellen Plattform eben in eine Elektroplattform umzustellen. Das heißt, jetzt kommen reine Elektroautos auf den Markt, die auch nur dafür konzipiert sind. Und das ist im Prinzip die Idee von Next Gen Produkten in der Versicherungsbranche, das digitale Produkt von Anfang an zu denken. Und nicht ein bestehendes Produkt digital zu machen.

Toni Klein: Sehr spannend. Dazu hatten wir auch schon einige Beiträge hier im Podcast von ähnlichen Aussagen. Wenn wir jetzt gleich einsteigen, was ist denn aus deiner Sicht Gewerbe? Oder worüber sprechen wir denn heute, wenn wir über Gewerbe sprechen? Hast du da für uns eine Definition?

Paul Altmoos: Ja. Also wir in Deutschland, oder wir als AAG tun grundsätzlich drei verschiedene Segmente unterscheiden, das ist das Privatkundengeschäft, das Gewerbekundengeschäft und das Industriekundengeschäft. Jetzt gibt es verschiedene Definitionen auch von der EU, oder auch von Deutschland, von Handelskammer und so weiter, aber grundsätzlich sagen wir, das Gewerbegeschäft ist alle Unternehmen bis 50 Millionen Euro Umsatz. Darunter zählt Gewerbe. Das heißt, von dem Einmannbetrieb bis zum produzierenden Gewerbe unter 50 Millionen Euro Umsatz. Interessant an der Stelle auch ist, dass, wenn man sich die Statistik mal ansieht, von der EU, dass etwa neunzig Prozent aller Unternehmen einen Umsatz bis zwei Millionen Euro haben. Weiter fünf bis sechs Prozentpunkte sind dann Unternehmen bis Umsatz zehn Millionen Euro, und alles darüber hinaus sind dann mittelständische oder auch Großunternehmen. Das heißt, da erkennt man auch schon an diesen Zahlen, dass die meiste, oder die größte Anzahl von Unternehmen innerhalb der EU tatsächlich diese Kleinstbetriebe sind, und da dann auch in diesen Gewerbebereich reinfallen.

Toni Klein: Würdest du dich eher als Produktmanager oder als Underwriter bezeichnen?

Paul Altmoos: Das ist auch eine superspannende Frage, weil, ja, da bin ich intern auch immer wieder am darüber sprechen und diskutieren, wo eigentlich der Unterschied liegt. Weil wir klassischerweise als AAG Industrieversicherer sind, und wir den Begriff Underwriter natürlich ganz vorne hinstellen. Weil das im Prinzip derjenige ist, der auch die Produktverantwortung hat, der die Zeichnung von Risiken dann auch vornimmt. Aus meiner Sicht ist der Begriff aber für den Gewerbebereich mittlerweile nicht mehr der richtige. Weil eben, und ich glaube, das ist gerade auch das Spannende jetzt hier für diesen Podcast und die Zuhörer, dass wir unterschiedliche Geschäftsmodelle haben.

Für die Gewerbeversicherung und für die Industrieversicherung. Und mit diesen unterschiedlichen Geschäftsmodellen gehen auch eben unterschiedliche Aufgabenstellungen für die produktverantwortlichen Personen einher. Das heißt, aus meiner Sicht ist der Underwriter, Schrägstrich Produktmanager in der Gewerbeversicherung hat viel mehr Facetten, Aspekte, die er abdecken muss in seiner täglichen Arbeit. Wenn ich gefragt werde: „Was machst du eigentlich?“, dann sage ich immer: Alles was mit einem Produkt zu tun hat. Das heißt, es fängt an vom Aktuariat, das heißt, die Kalkulation von einem Tarif, das geht über Marketing, das geht über Vertrieb, das geht über Maklergespräche, dann die interne Legal-Abteilung, wenn es gesetzliche Änderungen gibt, wie Code of Conduct und so weiter. Das sind alles Dinge, die in irgendeiner Form Berührungspunkte haben mit dem Produkt, und das wird alles im Prinzip abgedeckt von dem, also dem Produktmanager, wie wir es halt gerne nennen.

Und der klassische Underwriter, wie wir es eben aus dem Industriebereich kennen, der ist viel näher vielleicht auch noch am Kunden oder am Risiko, weil der eine individuelle Risikobeurteilung und auch eine individuelle Risikokalkulation vornimmt. Ja? Und das lässt sich vielleicht auch noch dazu sagen, wenn wir Gewerbe und Industrie nebeneinander stellen, wir haben im Gewerbe eher einen Portfolioansatz, vom Underwriting her, und im Industriebereich eher einen individuellen Ansatz. Das heißt für meinen Bereich, ich bin froh, wenn ich das Einzelrisiko gar nicht sehe. Ne? Weil ich den Portfolioansatz habe, und mit Hilfe von, ja, wir nennen das jetzt Pre-Underwriting im Prinzip das Risiko so schon vordefiniert ist und dokumentiert werden kann, dass ich als Underwriter gar nicht mehr draufgucken muss. Aber da kommen wir bestimmt später noch mal ein bisschen detaillierter dazu.

Toni Klein: Ganz genau. Es ist ja auch schon so, dass durchaus die Effekte, die man sieht, aus der Gewerbeversicherung, dass die auch in Richtung eben Industrieversicherung rüberschwappen. Also auch diese eher Portfoliosicht auf bestimmte Risiken vielleicht. Und auch Standardisierung und auch Dunkelverarbeitung und auch Effizienzsteigerung dadurch. Also da sind ja durchaus, gibt es schon Impulse, die auch, so verstehe ich das auch, in dem Gespräch mit einigen Gesprächspartnern und Partnerinnen hier im Podcast, durchaus gesehen werden und auch teilweise vorausgesagt werden, dass die kommen. Das ist jetzt nicht mehr für die Industrieversicherung so weit weg, ne? Wie würdest du denn den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Branche, Industrie und Gewerbe für dich benennen?

Paul Altmoos: Also hier müsste man auch an der Stelle wieder unterscheiden zwischen Gewerbe und Industrie. Aus meiner Sicht hat das Gewerbesegment in den letzten Jahren schon eine ganz gute Entwicklung gemacht. Also ich erinnere mich gerne zurück an die Jahre 2016, 2017, 2018, da hat jeder größere Versicherer nicht nur eine Digitalisierungsoffensive veröffentlicht, sondern eben auch gesagt, dass sie zukünftig mehr Gewerbegeschäft machen wollen. Und da ist natürlich jetzt auch viel Geld in den Gewerbemarkt reingeflossen.

Das hat aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Auf der einen Seite ist es, glaube ich, ein Aspekt, dass viele Makler in Deutschland sehr stark leben- und krankengetrieben sind, und nach Alternativen gesucht haben, weil eben der Leben- und Krankenbereich durch gesetzliche Änderungen, durch Provisionskürzung und so weiter nicht mehr so attraktiv ist, und zweite Standbeine oder dritte Standbeine aufgebaut werden müssen. Aber wir haben auch im Gewerbegeschäft die Nähe zum Privatkundengeschäft. Ja? Weil das Privatkundengeschäft wird schon seit Jahren sehr digital und sehr einfach abgewickelt. Und man hat eben dann auch festgestellt, dass Gewerbegeschäft auch einfacher abgewickelt werden kann. Und da im Prinzip auch die Zugangsvoraussetzungen für Makler nicht zu hoch sind.

Auf der anderen Seite haben wir aber auch immer mehr Versicherer, die vorher nur Privatkundengeschäft gemacht haben, und jetzt auch Gewerbekundengeschäft machen. Auch da, weil aus meiner Sicht die Eingangshürden nicht zu hoch sind. Weil wir neunzig, fünfundneunzig Prozent der Versicherer ist Bestandteil, oder es ist auch Teil des GDVs also wir sind, bedienen uns dem GDV und liefern auch Daten dorthin, und der GDV bietet unheimlich gute Vorlagen, um als Versicherer dann auch in den Gewerbemarkt einzusteigen. Also man kriegt nicht nur die Tarifstruktur komplett zur Verfügung gestellt, man kriegt auch die Kalkulation, also die Kalkulationsgrundlage zur Verfügung gestellt, und auch Bedingungswerke. Und dadurch sind natürlich die Einstiegsvoraussetzungen an der Stelle nicht so hoch wie zum Beispiel im Industriebereich. Weil da brauche ich sehr spezialisierte Underwriter, da brauche ich ein sehr spezialisiertes Schadenteam, die dann eben auch diese komplexen Schäden behandeln können.

Um sozusagen zurückzukommen auf das Thema Digitalisierung, was ich damit jetzt nur aufzeigen wollte, das Bild, was ich skizzieren wollte, ist, dass im Gewerbemarkt die letzten Jahre sehr viel Bewegung drin war. Also auf der einen Seite vom Maklermarkt her, also die Makler haben das nachgefragt, dann auf der anderen Seite aber auch die Versicherer, die in den Gewerbesegment reinwollen, und dann aber auch eben die Digitalisierungsinitiativen. Weil eben das in Anführungsstriche einfache Gewerbegeschäft, das standardisierte Gewerbegeschäft auch digital abgewickelt werden kann. Und da wurde aber in den letzten Jahren der Fokus eigentlich auf Vertriebs- beziehungsweise Antragsprozesse gelegt. Ja? Wenn ich mir die Prozesslandkarte anschaue, dann tue ich das immer in drei, ja, verschiedene Bausteine unterteilen.

Das ist, am Anfang haben wir den Vertriebs-, den Antragsprozess. Dann haben wir die Bestandsverwaltung und den Schadenprozess. Und der Fokus und die Investition sind sehr stark in den ersten Teil reingeflossen, und wir sehen jetzt gerade, dass im Prinzip auch im Bestand und auch in Schadenprozess investiert wird. Im Gewerbebereich. Und das wird aus meiner Sicht auch in den nächsten drei bis fünf Jahren einer der, ja, ein kritischer Wettbewerbsfaktor werden, für alle Versicherer. Weil wenn sie gewisse Prozesse nicht abbilden, dann werden sie einfach nicht mehr relevant, weil sie dann auch für die Makler zu teuer sind. Das ist ja auch auf der anderen Seite die, wir haben ja auch immer wieder das Thema Kostensenkung, Kostendruck, wir haben aber die ganzen Vertriebsprozesse, die Antragsprozesse, da war eigentlich der wesentliche Vorteil auf Versichererseite und nicht auf Maklerseite. Weil dem Makler ist es am Ende egal, ob er die Police in zwei Minuten bekommt oder am nächsten Tag. Weil sie dann irgendwie über ein Batch oder durch die Hand verarbeitet wird.

Ich glaube nicht, dass er den großen Mehrwert hat. Der Mehrwert ist eher auf der Versichererseite an der Stelle, weil im Prinzip die Eingabe nur durch den Makler gemacht wird, es müssen keine Personalkosten gemacht werden, Fehler sind weniger, und so weiter. Genau, das war jetzt mal sozusagen weit ausgeholt zum Thema Gewerbe.

Um da so ein bisschen den aktuellen Stand der Digitalisierung darzustellen. was den Industriebereich angeht, ich glaube, der Industriebereich ist von zwei wesentlichen Sachen geprägt. Auf der einen Seite von dem Thema Schadenbelastung, das sehen wir auch immer wieder in den Versicherungsnachrichten, dass viele Versicherer Probleme haben mit ihren Schadenquoten, weil wir einfach auch an der Stelle uns vor Augen halten müssen, dass wir, wie ich schon gesagt habe, unterschiedliche Geschäftsmodelle haben, und die Risiken im Schadenbereich natürlich deutlich exponierter sind, und wir haben höhere Limits, das heißt höhere Versicherungssummen. Das heißt, wir sind eher Großschaden geneigt, gegenüber dem Gewerbebereich, der Frequenzschaden geneigt ist.

Das heißt, wenn ich mal ein oder zwei, drei Jahre habe, wo ich mal mehrere unglückliche Großschäden gefangen habe, dann fängt es sehr schnell an mein Portfolio zu kippen, als Industrieversicherer. Und das ist, glaube ich, eine große Baustelle die das Industrieversicherungssegment hat, wo sie einfach daran arbeiten, wo auch Underwritingexpertise einfach gefordert ist. Komplizierte, komplexe Risiken beherrschbar zu machen, verwaltbar zu machen. Damit da an der Stelle das in trockenen Tüchern ist. Und auf der anderen Seite die Baustelle, die wir aus meiner Sicht haben ist das ganze, ja, Operational Modell. Das heißt, wie arbeite ich tatsächlich operativ? Ja, also von der Prüfung, von der Risikoprüfung über die Bestandsverwaltung, über den Renewal-Prozess und auch den Schadenprozess.

Ich glaube, das ist dann die zweite große Baustelle, wo auch gerade der Gewerbebereich ja dran ist, das jetzt auf neue Beine zu stellen. Und ich glaube, auch da gibt es halt eben diese Überschneidungen, die sich sehr gut ergänzen, an der Stelle. Wo man eben auch voneinander lernen kann. #00:14:53-5#

Toni Klein: Ich frage nur noch mal ganz kurz nach. Also würden Sie sagen, Digitalisierung, Gewerbeversicherung, Industrieversicherung, gut, mittel, schlecht. Auf dem Weg, oder?

Paul Altmoos: Ich würde sagen, wir sind, wir fahren mittlerweile in die richtige Richtung. Ja? Ich glaube, es ist in allen Häusern mittlerweile verstanden, dass was gemacht werden muss. Die Frage ist dann natürlich immer noch, was versteht man unter Digitalisierung? Ich habe manchmal so den Eindruck, man denkt, das ist so ein einmaliges Projekt, und dann ist es sozusagen zu Ende. Das ist aus meiner Sicht nicht so, das ist ein fortlaufender Prozess. Was Digitalisierung aber angeht im Gewerbesegment, da bin ich der Meinung, wir machen Fortschritte. Wie gesagt, wir haben den Antrags-, den Vertriebsprozess, der ist digitalisiert, die meisten Versicherer arbeiten gerade am Thema Bestand und Schaden. Und was die Industrieversicherung angeht, da arbeiten aus meiner Sicht auch die meisten daran, neben dem Portfoliothema eben auch intern bei den eigenen Prozessen weiterzukommen. 15:55

Toni Klein: Wenn wir jetzt nur auf die Gewerbeversicherung gucken, und auf Ihr Umfeld, was glauben Sie, ist denn der größte Treiber im Moment?

Paul Altmoos: Aus meiner Sicht grundsätzlich erstmal die Erkenntnis, dass die Arbeitsweise der letzten zwanzig Jahre die nächsten zwanzig Jahre nicht mehr in Ordnung ist. Dass man möglicherweise nicht mehr überlebt, wenn man genauso weiterarbeitet. Also erstmal grundsätzlich als Tendenz. Und dann glaube ich aber, dass gerade der Privat- und der Gewerbekundenbereich sehr stark getrieben werden vom Markt. Also wir haben natürlich, im Grunde ist immer die Kostensenkungsthematik, das ist der eine Punkt. Wobei man da auch noch mal diskutieren kann, wo kommt der eigentlich her?

Auf der anderen Seite aber sehe ich eher die intermediäre, und das sind Makler, das sind Maklerverwaltungsprogramme, die die Versicherer dahintreiben die Prozesse zu digitalisieren, die Prozesse zu automatisieren, End to End Prozesse zu implementieren, damit im Prinzip nicht nur auf Versichererseite Kosten reduziert werden, sondern auch auf der Seite der Maklerverwaltungsprogramme, und aber auch der Makler. Weil am Ende, und das beobachten wir gerade, das ist ja auch eine spannende Frage, wer ist eigentlich der Kunde? Je nachdem wie das Geschäftsmodell des Versicherers aufgestellt ist, kann das dann der Endkunde sein, das kann der Makler sein, das kann aber auch die Ausschließlichkeitsagentur sein. Und da muss man sich natürlich als Versicherer schon die Frage stellen, wie gestalte ich die Prozesse, dass sie bestmöglich in den Arbeitsablauf meines Kunden reinpassen?

Und wenn wir heute sehen, dass immer mehr Makler auf neue Maklerverwaltungsprogramme umsteigen, wo möglichst viel in einem Cockpit abgedeckt ist, (unv. #00:17:49-3#) mit einer, auf einer Seite oder aus einer Software heraus möglichst viel bearbeiten kann, und dann stellt sich natürlich die Frage, okay wie kann ich mich als Versicherer dort integrieren? Dass die Prozesse des Maklers, des Vertriebspartners bestmöglich abgedeckt werden.

Toni Klein: Also würden Sie sagen, dass der Kunde, oder das Kundenverständnis der Treiber ist, der Digitalisierung?

Paul Altmoos: Ja, ich sage immer, die intermediäre. Weil die Frage ist, wer ist der Kunde am Ende? Weil aus meiner Sicht ist es nicht der Endkunde. Der, ich würde jetzt behaupten, dass im Moment die meisten, die jetzt noch eine Papierpolice nach Hause geschickt bekommen, jetzt nicht sagen: Das ist ein Grund meinen Versicherer zu wechseln. Es sind eher diejenigen, die unterstützend bei dem Geschäft sind. Auch die Frage an der Stelle, wer trifft denn eigentlich am Ende die Produktentscheidung? Wer trifft die Produktauswahl? Wenn wir jetzt im Maklermarkt sind ist es aus meiner Sicht so, dass in der Regel der Makler eine Empfehlung ausspricht, zwischen drei und fünf Versicherern, und dann auch eine Produktempfehlung abgibt. Und der Makler wird in der Regel den Versicherer empfehlen, der nicht nur ein gutes Produkt hat und auch gute Services, sondern die auch in seine Prozesslandschaft reinpassen.

Toni Klein: Was sind die größten Hemmnisse für die Digitalisierung im Moment?

Paul Altmoos: Aus meiner Sicht ist ein ganz großes Hemmnis, worüber häufig sehr oberflächlich gesprochen wird, aber das ist tatsächlich aus meiner Sicht eines der Kerne, ist der Mensch tatsächlich an sich. Ja? Also mal zu sagen, wenn man die Versicherungsbranche als Ganzes anguckt, wir sind ja von der Philosophie her eher risikoaverse Branchen. Wir wollen ja Risiken, wir wollen möglichst keine Risiken eingehen. Wir versichern Risiken, aber wir versuchen das immer möglichst gut und mit Augenmaß zu machen und auf Sicht zu fahren. Und so einer Branche eine Transformation zuzumuten ist per se erstmal, könnte einen vor Herausforderungen stellen.

Und das ist im Prinzip so das Grundrauschen in der Branche, was es glaube ich die ersten Jahre sehr schwer gemacht hat, mal in so eine Digitalisierungsphase wirklich zu kommen. Ja und auch, weil da ist ja immer die Frage, was bedeutet eigentlich Digitalisierung, was geht damit einher? Es ist ja nicht nur dieses einmalige Projekt, oder, dass ich ein Prozess oder ein Produkt mal digitalisiere, sondern es geht ja, je nachdem wie man es definiert, meine Definition wäre Wert schaffen durch Technologie, das fände ich einen viel besseren Begriff, weil man da auch den Wert drin hätte, und nicht nur einen Prozess zu digitalisieren, aber es wäre dann auch die Automatisierung und die Schaffung von End to End Prozessen. Und sowas zu entwickeln, das erfordert, glaube ich, auch so ein gewisses Mindset, eine gewisse Herangehensweise, die die Kollegen in der Versicherungsbranche erstmal lernen mussten. Und das dauert einfach eine Zeit lang an der Stelle. Darüber hinaus kommt, glaube ich, noch hinzu, dass wir einfach eine sehr alte Branche sind.

Das heißt, wir haben sehr viele etablierte Prozesse, wir haben sehr starke Governance-Systeme, die es an der Stelle auch nicht unbedingt leichter machen, neue Ideen und neue Offensiven umzusetzen. Da sieht man eben auch, wenn man in die Branche reinhört, dass die neuen, ja, den neuen digitalen Versicherern das doch an der einen oder anderen Stelle leichter fällt, da diese Dinge anzugehen.

Ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht auch relevant ist, und da passt eigentlich auch wieder das Beispiel aus der Automobilbranche dazu, dass wir in Deutschland sind sehr hardwaregetrieben. Also man hat ja, über hundert Jahre lang hat man den perfekten Motor gebaut. Und jetzt kommt da jemand in den USA, ein anderer Automobilhersteller, und sagt: „Nein, ich baue eigentlich eine Software und baue die Hardware drumherum. Und das ist jetzt das Auto.“ Und das lässt sich auch wiederum so ein bisschen vergleichen mit den neuen digitalen Versicherern, die im Prinzip im Kern ein Softwareunternehmen sind, und das Bisschen Vertrag drumherumbauen, mit Bedingungen. Ja? Sage ich jetzt mal überspitzt. Und das finde ich halt eine ganz spannende Analogie, und das zeigt aber auch die Kernkompetenzen, die verschieben sich momentan so ein bisschen Richtung IT, Richtung Datenmanagement, und so weiter. 22:30

Toni Klein: Wir haben eingangs schon darüber gesprochen, Sie sind ja ursprünglich, also haben IT-Management studiert. Ist es jetzt sozusagen ein logischer Schluss, sozusagen, dass Sie als IT-Experte in die Versicherungsbranche einsteigen? Dann sowieso damit sich wohler fühlen, oder das schon gewohnter ist, oder wie würden Sie das einschätzen für Kolleginnen und Kollegen, die jetzt eher nicht so technisch affin sind, oder technologieaffin sind, und sich jetzt an neue Möglichkeiten, aber auch, ja, ungewohnte, in ungewohnte Situationen begeben müssen?

Paul Altmoos: Ja. Also ich war vorher schon in der Versicherungsbranche, und habe mich dann aktiv dazu entschieden, IT-Management zu studieren, weil ich mir gedacht habe, das könnte ziemlich spannend werden in Zukunft. Ich habe recht früh das Glück gehabt zu erkennen, dass es dort, ja, Zusammenhänge gibt, und auch, dass es sozusagen in der Zukunft sich so entwickeln wird, dass die IT eine unheimlich große Rolle spielen wird. Und genau, deswegen habe ich mich dazu entschieden, und es hat mir auch bisher sehr geholfen, und ich kann selbst nicht programmieren, aber was es mir halt geholfen hat ist ein Verständnis zu entwickeln für die IT.

Und ich glaube, das ist ganz wichtig, heute in diesen Produktmanagerstellen, Brücken zu bauen. Ja? Wenn wir sagen, alles, was irgendwie mit dem Produkt zu tun hat, wird vom Produktmanager gemanagt, ist er an der Stelle, der die Brücken baut zwischen sehr vielen unterschiedlichen Personen. Ob ich jetzt jemanden aus dem Vertrieb habe, oder jemanden aus der IT, jemanden sozusagen aus der Legal-Abteilung, das sind sehr unterschiedliche Personen, die irgendwie zusammengebracht werden müssen. Und, genau. Und dann noch sagen unter dem Interesse des Produktmanagers, weil er ja am Ende ja auch ein gewisses Produkt dann auf den Markt bringen will.

Das heißt, für alle Kollegen, die sich jetzt momentan in der Situation befinden, ja, mit solchen neuen Projekten konfrontiert zu sein, kann ich nur mit auf den Weg geben, dass sie versuchen sollen möglichst offen zu sein, andere Meinungen sich anzuhören, und auch häufig, und dann auch mal wirklich zu versuchen zu verstehen was andere meinen. Ja? Weil das ist, jeder hat seine Perspektive und auch seinen Grund, weswegen er diese Perspektive hat, und an der Stelle macht es eben nur Sinn, erstmal zu verstehen, was eigentlich das Problem ist, und dann kann man in der Regel auch in den Lösungsprozess einsteigen.

Toni Klein: Gibt es denn eine Aussage, die Sie schon so oft gehört haben, dass Sie sie nicht mehr hören können, nicht mehr ernst nehmen wollen?

Paul Altmoos: Im Prinzip die Aussage, dass wir eine neue Digitalisierungsinitiative gestartet haben, und das Wort Digitalisierung. Das ist aus meiner Sicht so stark schon frequentiert, ohne, dass man sich tatsächlich darüber Gedanken macht, was bedeutet eigentlich Digitalisierung für mich, für das Unternehmen? Und auch für den Kontext, wo ich dieses Wort gerade gebrauche. Das ist ja auch noch mal das nächste, dass ich ja auch sozusagen sicherstellen sollte, dass jeder auch versteht, was ich jetzt unter Digitalisierung meine. 25:44

Toni Klein: Jetzt steigen wir jetzt direkt ein. Digitale Produkte. Da kommt das Wort jetzt wieder vor. Woraus besteht denn für Sie, für dich, sorry, ein digitales Produkt? Was ist denn da drin?

Paul Altmoos: Ja, aus meiner Sicht ist der Kern des digitalen Produktes, sich davon zu lösen, dass das fachliche Produkt eins zu eins das IT-Produkt ist. Weil das haben wir in der Vergangenheit häufig gemacht. Weil jeder, der schon mal ein Versicherungsprodukt gebaut hat, der hat in irgendeiner Form sich erstmal fachlich das Produkt überlegt, und dann hat er dieses, das fachliche Produkt in irgendeiner schriftlichen Form der IT übergeben, und dann wurde dieses Produkt eins zu eins so nachgebaut. Und das ist aus meiner Sicht nicht mehr, also kommt immer auf das Produkt an, aber ich würde sagen, nicht mehr zeitgemäß. Und mein Ansatz an der Stelle ist, zu sagen, dass wir versuchen, ein IT-Produkt zu bauen, was möglichst flexibel ist, modular flexibel. Und, dass wir unabhängig davon ein fachliches Produkt definieren. Und das IT-Produkt, das sollte auf, das sollte den kleinsten gemeinsamen Nenner haben, was IT-Merkmale oder technische Datenmerkmale angeht.

Wenn wir jetzt zum Beispiel an die gewerbliche Haftpflichtversicherung denken, gibt es nur so zwei, drei Merkmale, die tatsächlich relevant sind, um das Haftpflichtrisiko darzustellen. Das ist auf der einen Seite das versicherte Risiko, was auch als Betriebsart genannt wird, und das ist die Berechnungsgrundlage. Umsatz, Lohn, Gehaltssumme oder auch Personen. Und jetzt gibt es natürlich noch viele andere Merkmale.

Nur die Frage ist, was ist tatsächlich der Kern? Ja? Um im Prinzip das Produkt darzustellen, oder um eine Berechnung durchzuführen. Und darauf aufsetzend, und das kann man sozusagen mit gewissen Layern sich überlegen, die ich dann einfach mit weiteren Informationen anreichere, wo ich dann einfach je nachdem was für eine Zielgruppe ich habe, was für ein Produktsegment ich habe, ich einfach das Produkt unterschiedlich zusammenstellen kann, aber es am Ende unten in der Maschine über das gleiche technische Produkt läuft. Das ist sozusagen grundsätzlich meine Idee, wie man in der Zukunft Produkte gestalten sollte. Genau.

Toni Klein: Gibt es denn Unterschiede zwischen dann Industrieprodukten und Gewerbeprodukten? Haben Industrieprodukte auch aus deiner Sicht den gleichen Kern?

Paul Altmoos: Wenn ich jetzt sage ja, würden mich alle Kollegen die in der Industrieversicherung arbeiten, steinigen. Die Frage ist nur, ob es sozusagen, was die Digitalisierung des Produktes angeht, ob das notwendig ist für die Industrieversicherung. Weil die an der Stelle einen anderen Ansatz haben. Die Frage ist, ob die tatsächlich einen Mehrwert haben, das Kernprodukt zu digitalisieren. Weil wir heute viel Handarbeit haben an einem Industrievertrag. Und wir haben im Gewerbebereich haben wir eine hohe Standardisierung und auch eine Skalierungsidee dahinter. Also sozusagen, man versucht ja durch die Standardisierung zu skalieren, auch. Oder die Skalierungsmöglichkeit zu haben.

Diesen Ansatz habe ich ja gar nicht in einer Industrieversicherung. Deswegen glaube ich, dass, es gibt auf jeden Fall Parallelen. Man kann ein Produkt technisch darstellen. Auch auf eine sehr einfache Art und Weise, und trotzdem möglichst viel Flexibilität lassen. Weil das ist das, was im Prinzip die Industriekollegen möchten und auch brauchen. Sie brauchen Flexibilität. Was aber tatsächlich spannend ist, dass, wenn ich mir jetzt bei uns die Gewerbepolice angucke und die Industriehaftpflichtpolice, das ist vom Grunde her fachlich zu achtzig Prozent das gleiche Produkt. Ja? Baut beides auf dem GDV auf, ist ein sehr ähnliches Produkt, es ist halt nur in der Ausgestaltung und wie es dann nachher gelebt wird, sehr unterschiedlich.

Digitales Produkt ist aus meiner Sicht auch, sich vorher zu überlegen, wo wird dieses Produkt verkauft und wie wird es verkauft? Weil Teil der Produktentwicklung ist auch die prozessuale Gestaltung. Das heißt, es macht einen Unterschied, ob ich das Produkt online verkaufe, über einen Onlineprozess, oder ob das Produkt durch eine Ausschließlichkeitsagentur oder durch eine Vertriebseinheit in irgendeiner Form verkauft wird. Und diese Prozessschritte muss ich einfach von vornherein, oder sollte ich von vornherein in dem Produkt berücksichtigen. Weil das viel dann auch hat mit, wie viele Daten kann ich abfragen, was sind die Tarifierungsmerkmale und so weiter. 30:52

Toni Klein: Sehr guter Punkt. Das würde mich auch gleich zu meiner nächsten Frage bringen, nämlich, lass uns mal auf die Prozesse schauen. Vertriebliche, betriebliche Prozesse, Kommunikationsprozesse. Was glaubst du denn, welcher Prozess wäre er digitalisiert, oder ist er digitalisiert, bringt denn den größten Mehrwert für den Markt?

Paul Altmoos: Also aus meiner Sicht sind es die betrieblichen und die Schadenprozesse, weil dort tatsächlich die meisten, würde man jetzt neudeutsch sagen, Customertouchpoints bestehen, weil der Antragsprozess, der wird dann in der Regel durch den Makler oder durch den Kunden einmal getätigt, und danach ist das ja ein lebender Vertrag. Und dann haben wir im Rahmen dieses Vertragslebenszyklus verschiedene Berührungspunkte mit dem Kunden. Und das kann im Prinzip eine einfache Änderung der Bankverbindung sein, das kann durch eine Heirat, die Änderung des Namens sein, das kann aber auch sein, dass ich einen neuen Deckungsbaustein mit reinnehmen will, was das ganze Thema Bestandsverwaltung angeht, und dann noch mal die separaten Prozesse der Schadenabwicklung, der Schadenbearbeitung. Und, genau, das sind aus meiner Sicht die beiden, ja, wichtigsten, und auch die Prozesse, wo es den meisten Mehrwert generieren kann. Insbesondere weil ich dort die Kundenbeziehung stabilisieren kann. 32:21

Toni Klein: Lass uns doch einmal zur Standardisierung übergehen. Wie können denn digitale Produkte und Prozesse standardisiert werden? Ist es Bipro? Ist es Open Insurance? Glaubst du an solche Initiativen, oder glaubst du, dass es noch mal was ganz anderes braucht dafür?

Paul Altmoos: Nein. Also ich glaube, dass diese Initiativen sehr wichtig sind für den Markt, um einfach eine Standardisierung auch tatsächlich herzustellen. Weil wir uns momentan mit diesen Standardisierungsthemen rumschlagen, und dadurch aber Innovation gehindert wird. Erst, wenn wir wirklich eine gute Standardisierung haben, dann können auch End to End Prozesse gestaltet werden, die dann wieder zum neuen Produkt, Service- und Prozessinnovation führen werden. Das heißt, wir beschäftigen uns wie gesagt, da fließt momentan viel Energie rein, und das gilt im Prinzip für alle diejenigen, die in irgendeiner Art und Weise Schnittstellen anbinden. Wenn wir diese Hürde aber mal geschafft haben, dann ist ganz viel möglich, aus meiner Sicht.

Toni Klein: Standardisierung ist ja das, also das zentrale Thema um das sich alles dreht. Auch in anderen Gesprächen hatten wir das schon. Jetzt ist in der Industrieversicherung ja die Standardisierung nicht so leicht wie vielleicht im Gewerbe. Glaubst du, dass es deswegen auch noch mit den Innovationen im Industriebereich einfach länger dauert?

Paul Altmoos: Ja. Das ist das Eine, einerseits der Standardisierung. Auf der anderen Seite glaube ich, und da sind wir wieder beim Faktor Mensch, dass in der Industrieversicherung sind die Kollegen noch weiter weg von dem Thema Digitalisierung, Prozessoptimierung und so weiter. Weil die Gewerbeversicherung das schon seit Jahren macht, und schon immer das Geschäftsmodell der Skalierung vorgesehen hatte. Und das Thema Standardisierung praktisch immer schon Teil des Geschäftsmodells war. Für die Industrieversicherung ist das jetzt aus meiner Sicht weitestgehend neu. Dieser Gedanke, und auch dieses Mindset an den Tag zu legen.

Aus dem Grund wird es an der Stelle auch noch länger dauern. Gleichzeitig ist aber die Notwendigkeit da, auch dort eine gewisse Standardisierung einzuführen, und auch sinnvoll an der Stelle. Man muss nur, glaube ich, sehr genau hingucken, wo macht es Sinn und wo nicht. Also man kann nicht jetzt einfach die Prozesse aus Gewerbe kopieren und auf die Industrieversicherung legen, und sagen, jetzt haben wir das digitalisiert und das funktioniert. Das wird aus meiner Sicht nicht funktionieren. Sondern man muss sich genau dann die Prozesse angucken in der Industrieversicherung, und schauen, wo man hier Mehrwerte erzielen kann.

Ein weiterer Punkt, der mir dazu noch einfällt, was ich so von der, ja, von meiner Perspektive, wenn ich auf die Industriekollegen gucke, mitbekomme, wir haben im Industriebereich auch einen sehr starken Nasenfaktor, nenne ich ihn jetzt mal. Ja? Das ist also an der Stelle auch Personengeschäft, wo Beziehungen über viele Jahre aufgebaut wurden. Und was man sich halt nur bewusst sein muss, umso mehr man standardisiert, umso weniger persönlichen Kontakt hat man dann auch mit den handelnden Personen. Ja? Und das ist auch an der einen oder anderen Stelle, oder man muss sich an der Stelle fragen, möchte ich das auch als Versicherer oder als Makler, oder wie kriege ich das hin? Auf der einen Seite zu standardisieren, auf der anderen Seite trotzdem die persönlichen Beziehungen aufrecht zu erhalten?

Toni Klein: Würdest du auch gelten lassen, dass mit einem erhöhten Grad an Digitalisierung, der ja oft auf repetitive Prozesse sich bezieht, also auf auch Prozesse die, wären sie digitalisiert, Platz machen würden für mehr Gespräche, für vielleicht auch Gespräche über noch relevantere Inhalte zwischen Vertragspartnern als bisher?

Paul Altmoos: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass dort eine, ja, eine Standardisierung, beziehungsweise eine IT-Unterstützung häufig in visueller Form deutlich helfen würde. Wie zum Beispiel, wenn ich jetzt einen Versicherungsvertrag aufsetzen, und ich hätte das in einer schönen Oberfläche und könnte in jedem Renewal sehe ich, auf Basis von meinem vielleicht standardisierten (Bedingungswerk, was habe ich eigentlich geändert, und das macht im Prinzip so ein Renewal natürlich auch viel leichter, weil ich dann erkennen kann, okay, was haben wir für besondere Klauseln mit eingefügt, und macht es dann vielleicht im nächsten Schritt auch leichter, mit dem Makler zu sprechen, weil man genau sehen kann, was waren eigentlich die Gedanken von letztem Jahr? Das haben wir so und so dokumentiert, welchen Risikozuschlag haben wir eigentlich dafür genommen? Und so weiter.

Also ich glaube, dass da sehr viel Potential ist, wenn man ein zentrales System hätte, wo erstmal auch sozusagen von der, wo Industrieverträge zentral erfasst sind und dann auch verwaltet werden. Weil ich glaube, auch das gibt es nicht bei jedem Versicherer, dass man ein zentrales System hat, worüber dann an der Stelle alles läuft. (Sozusagen? #00:37:28-5#) alle Prozesse, die irgendwie mit einem Versicherungsvertrag zu tun haben. Das wird halt, in der Industrieversicherung wird vieles noch per Hand gemacht.

Toni Klein: Aber das ist ja eben auch dann der Vorteil. Also durch die Digitalisierung hat man dann vielleicht nicht weniger Kontakt, sondern mehr Kontakt zu relevanteren Aussagen. Weil man in der Lage ist, Zusammenhänge besser zu erkennen, Daten besser miteinander auswerten zu können, und mehr vielleicht auch in Prävention und Risikoerkennung zu stecken?

Paul Altmoos: Absolut. Wenn den Underwritern auch der Freiraum dafür gegeben wird, und auch wenn, weil da muss natürlich auch wieder viel Vorleistung erstmal gemacht werden, weil diese ganzen Daten, die dann zur Verfügung stehen, die müssen dann wieder verarbeitet werden, dafür müssen Modelle entwickelt werden, und so weiter. Das heißt, das ist auch schon ein großer, ja, Know-How Transfer, der da in irgendeiner Form stattfinden muss. Aber wenn das alles da wäre, dann würde es aus meiner Sicht viel mehr Raum schaffen für den Underwriter, qualitativer noch in die Risiken reinzugehen und am Ende auch, und darum geht es ja dann auch, sozusagen dem Vertriebspartner einen größeren Mehrwert zu liefern.

Toni Klein: Schauen wir mal zehn Jahre in die Zukunft, wie sieht denn dann ein Anführungszeichen Versicherungsprodukt aus? Du bist ja im Gewerbebereich ja schon sozusagen auf einer guten Straße unterwegs was Digitalisierung betrifft. Wie sieht es denn in zehn Jahren aus? Wird sich das Verständnis verändern? Und wenn ja, in welche Richtung glaubst du?

Paul Altmoos: Ja, also ich glaube, dass wir, dass das Thema Ökosysteme noch eine viel größere Rolle spielen wird. Was wir heute noch gar nicht so richtig absehen können, ich glaube, viele hoffen noch, dass sie selbst den Point of Sales System, so nenne ich ihn jetzt mal, stellen werden. Aber ich glaube, das wird tatsächlich nicht mehr der Fall sein. Wir werden, die Point of Sales Systeme werden in der Regel über Drittanbieter dargestellt, das heißt, wir sind dann Teil eines Ökosystems und werden dann Services liefern, und da gehört halt eben der Versicherungsservice auch dazu. Auf Produktseite wäre mein Wunsch, dass wir ein selbstverwaltendes Produkt bekommen.

Das bedeutet, dass alle Prozesse innerhalb des Produktes komplett automatisiert sind, das heißt, von der Antragserfassung über die Bestandsverwaltung, und auch die Schadenbearbeitung, das heißt, jegliche Änderung, die ich an meinem Versicherungsvertrag habe, automatisiert an meinem Point of Sales System oder an meiner Oberfläche, die ich dann eben habe, von dem Drittanbieter ändern kann, und das automatisiert verarbeitet werde. Das ist aus meiner Sicht, wäre eine schöne Vorstellung, wenn wir das in Zukunft sehen. Was die Industrieversicherung angeht, um da noch mal so einen Blick drauf zu werfen, da glaube ich auch, dass wir in zehn Jahren tatsächlich einiges an Standardisierung und Automatisierung sehen werden, insbesondere was die Analyse von Daten angeht. Und auch die Risikoeinschätzung von Daten. Das heißt, auch mit der Industrie 4.0, unsere Geräte werden immer automatisierter, Produktionsgeräte werden immer automatisierter, die kommunizieren miteinander, und wir werden in irgendeiner Form mit diesen ganzen Daten auch als Versicherer was anfangen können, um da wieder neue Risikomodelle draus zu entwickeln. 40:57

Toni Klein: Das heißt, es wird ganz andere auch Schnittstellen zu den Kunden geben? Und zu Sensorik bei Kunden, und so weiter?

Paul Altmoos: Ja. Ja, glaube ich auch. Eine Idee wäre zum Beispiel, dass man sagt, dass man vielleicht Wärmebildkameras in der Produktionsstätte aufstellt, und dann, und die Wärmebildkameras sehr frühzeitig erkennen können, ob irgendwo ein Brand entsteht, oder eine Wärmestelle entsteht, die dort nicht hingehört, und dann direkt auch das melden könnte. Das heißt, wir gehen auch sehr stark in das präventive Risikomanagement rein. Ich glaube auch, dass das ganze Thema Risikobesichtigung wird auf komplett neue Beine gestellt, wenn wir das Thema Augmented Reality bekommen.

Das heißt, dass dann der Risikoprüfer nicht nur gleich eine Videoaufnahme macht von seinem Risikobericht, sondern auch, dass, wenn der Makler zum Beispiel, oder auch der Risikoprüfer dann durch eine Produktionsanlage geht, dass automatisch Informationen in der Brille eingeblendet werden, die relevant sind. Ob es jetzt Feuerlöscher sind, ob es Produktionsanlagen sind, ob es gewisse Materialien sind, die verarbeitet werden, ob das die Lagerung ist von Materialien, wenn wir an den Sachbereich denken. Ich glaube, da wird noch ganz, ganz viel passieren. Ich befürchte nur, das passiert außerhalb der Versicherungsbranche, diese Entwicklungen. Das sind, also das sind keine originären Versicherer, das sind wahrscheinlich Startups, die sich entwickeln, und dann mithilfe der Versicherer diese neuen Technologien dann auch marktfähig machen. Also genau, das ist mal so eine Idee wo ich glaube, wo es sich hinentwickeln könnte. 42:36

Toni Klein: Du hast es eben angesprochen, Ökosysteme, Plattformen. Würdest du denn im Moment digitale Plattformen sehen, die aktuell den Markt bestimmen? Also MVPs, Vergleiche, Ausschreibungsplattformen, so in die Richtung gedacht?

Paul Altmoos: Ja, da gibt es einige am Markt. Also ich glaube, was den Markt der Verwaltungsprogramme angeht, da haben sich so fünf, sechs Stück jetzt im Prinzip positioniert, die auch immer wiederkehrend sind in den Gesprächen mit den Maklern. Was wir auch feststellen, dass immer mehr Makler Maklerpools nutzen. Das heißt, ein Maklerpool, der dann eben auch alle, das ganze IT-Thema mitbringt, und auch ein eigenes Ökosystem eigentlich mitbringt, und da dann die Prozesse in sich funktionieren. Da merken wir auch einen sehr großen Zuwachs.

Was unabhängige Plattformen angeht, jetzt unabhängig der Makler, da gibt es im Gewerbebereich jetzt momentan einen Primus, das ist die Insurance, der an der Stelle, glaube ich, so ein Stück weit zeigt, wie die Gewerbewelt in den nächsten drei bis fünf Jahren aussehen könnte. Also da wird auf der einen Seite das standardisierte Gewerbegeschäft eben abgebildet, auf eine sehr intelligente Art und Weise, und mit einer sehr guten Prozesstiefe auch, weil wir da nicht nur sozusagen einfache Risiken haben, sondern da werden auch Risikofragen gestellt, das heißt, hier gibt es dynamische Risikofragebögen, und da bilden wir ein sogenanntes Pre-Underwriting an.

Die machen eben darüber hinaus auch das Thema Ausschreibungen ganz spannend. Also das heißt, und da ist auch wieder die Idee, eine Plattform für den Makler, der dann durch den Prozess gesteuert wird. Das heißt, je nachdem, was für ein Risiko er hat, was für Risikofragen er beantwortet hat, kriegt er entweder direkt ein Ergebnis, oder er kommt dann auf die Ausschreibungsplattform und wird aber auch wieder vom Prozess her geführt, sodass er am Ende wieder verschiedene Angebote bekommt, und dann auch wieder VVG konform seinen Antrag dann abschließen kann.

Toni Klein: Was glaubst du denn, welche digitalen Plattformen in Zukunft den Markt bestimmen könnten? Was müssten die haben?

Paul Altmoos: Da ist natürlich die Frage, wer ist der Markt? Wenn wir den Markt jetzt aber mal als die Maklerschaft oder die Vertriebspartner, Makler, definieren, dann auf jeden Fall die Plattform, die den größten Mehrwert bietet, und auch die größte, oder beziehungsweise die tiefste Prozessintegration für den Makler in die Prozesse des Maklers. Und ich glaube aber auch gleichzeitig, es wird nicht die eine Plattform geben. Sondern es wird mehrere Plattformen geben, das sehen wir auch heute schon, die Tendenzen. Wir haben viele Maklerpools in Deutschland, wir haben viele verschiedene Ansätze wie ein Makler den Maklerpool, oder die Art und Weise wie er Geschäft bei einem Versicherer platziert, und wie er es verwaltet, da gibt es ja heute schon verschiedene Ansätze, und ich glaube aber, früher oder später wird es, ja, also Plattformen geben, für Makler jetzt an der Stelle, die die beste Prozesstiefe an der Stelle auch haben. Die am meisten abdecken, wo auch wahrscheinlich eigene Ökosysteme gebildet werden.

Toni Klein: Du hast es eben schon angedeutet, du glaubst nicht an die eine Plattform, und das tust du auch wirklich nicht. Du würdest auch nicht darüber nachdenken, ob es jemanden gäbe, der sie betreiben würde und verantworten würde, und wie das Geschäftsmodell aussähe und wem die Daten gehören?

Paul Altmoos: Nein, ich glaube tatsächlich nicht, dass wir eine Plattform bekommen werden. Es wird verschiedene Plattformen geben für unterschiedliche Stakeholder oder Interessen. Wenn wir jetzt noch mal auf die Industrieversicherung gucken, und das als Beispiel nehmen, wir haben ja in Deutschland nur eine überschaubare Anzahl von Maklern, die tatsächlich echtes Industriegeschäft bewegen. Insbesondere, wenn man das mit den Maklern vergleicht, die Gewerbegeschäft oder auch Privatkundengeschäft machen? Ich glaube, da stehen 15 000 Makler gegen, ich würde jetzt mal sagen, fünfzig bis hundert Makler, die tatsächlich auch Industriekundengeschäft machen.

Von daher reduziert sich praktisch die ganze Anzahl auf wenige. Und darüber hinaus haben wir dann eben auch im Industriekundenbereich einen starken Interessenskonflikt auch. Weil ich glaube, dass die Makler gar nicht so das Interesse daran haben, insbesondere die technischen Großmakler, tatsächlich eine Plattform zu bilden. Weil sie an der Stelle ja auch Mehrwerte bieten wollen für ihre Kunden, und sie ja auch untereinander sich die Kunden, also sie kämpfen ja auch um die Kunden, untereinander. Wo wir aber, glaube ich, und das ist jetzt ein spannendes Beispiel, eigentlich aus (Financial Lines mit Finlegs, das ist auch eine Plattform, die es an der Stelle gibt, und da ergänzt sich das, glaube ich, ganz gut. Ich kenne die Plattform jetzt nicht so gut, aber da geht es ja auch in den Industriebereich rein.

Wo man feststellt, aha, wir haben da jetzt uns auf einheitliche Prozesse geeinigt, und dadurch profitieren alle Akteure die an dem Prozess beteiligt sind. Das heißt, man sieht schon noch Ansätze an der einen oder anderen Stelle, wo eben solche Plattformen dann auch für den Industriebereich funktionieren können. 48:14

Toni Klein: Spannend. Zum Abschluss unseres Gesprächs, gibt es denn ein Thema, was dir besonders am Herzen liegt, mal abgesehen jetzt von Produkten oder Prozessen, was wir bis jetzt besprochen haben?

Paul Altmoos: Also ich bin immer wieder froh, wenn ich über das Thema Digitalisierung sprechen kann, und das auch sozusagen versuche ein Stück weit die Begeisterung, die ich für das Thema habe auch bei den anderen zu wecken. Weil ich glaube, dass wir im Moment ganz spannende Zeiten haben. Wir sind gerade bei einem Umbruch bei der Digitalisierung, wir merken das, von der alten Welt in die neue Welt, und ich glaube, wenn wir es mal schaffen, diese Hürde zu überwinden, die Schnittstellendiskussion hinter uns zu lassen, dann liegen ganz spannende neue Produkte, neue Innovationen vor uns, die, glaube ich, allen Marktteilnehmern dann auch Spaß machen werden.

Toni Klein: Das ist ein wunderschönes Abschiedswort. Ich danke dir vielmals für deine Zeit heute, und für das super interessante Gespräch.

Paul Altmoos: Vielen Dank auch von meiner Seite.

Toni Klein: Und hoffentlich bis bald, lieber Paul, und viel Erfolg weiterhin bei der Digitalisierung, dem bösen Wort.

Paul Altmoos: Dankeschön, bis dann.

Toni Klein: Ciao.

 

 

 

Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.

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