29.11.2022
Marcel Braun, hendricks: Digitale Trading Netzwerke in der Financial Lines Sparte – ID#52
In dieser Folge von Industrieversichung Digital unterhalten wir uns mit Marcel Braun, Geschäftsführer des Spezialmaklers hendricks, über den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Financial Lines Sparte. Welche Rolle spielen digitale Plattformen? Warum hat hendricks mit „hendricks digital“ eine eigene Plattform an den Markt gebracht? Wie gehen die Versicherer mit dem Thema automatisiertes Underwriting um?
Im Gespräch: Marcel Braun und Ansgar Knipschild
Länge: 21 Minuten
Transkript
Ansgar Knipschild: Hallo und herzlich Willkommen zu einer weiteren Folge unseres Podcasts. Mein Name ist Ansgar Knipschild und das ist ID – Industrieversicherung Digital. Unser heutiger Gast ist Marcel Braun, Geschäftsführer von Financial Lines Makler Hendricks. Er kommt von der AXA, wo er als Head of International Financial Lines seit 2014 für verschiedene Regionen verantwortlich war. Aber das kann uns unser Gast sicher viel besser erklären. Marcel, magst du dich einmal selbst kurz vorstellen bitte?
Marcel Braun: Vielen Dank, Ansgar. Das mache ich natürlich sehr gerne. Mein Name ist Marcel Braun, ich bin Geschäftsführer des größten deutschen Spezialmaklers für Financial Lines, der Hendricks GmbH. Vor fast dreißig Jahren habe ich meine Karriere bei der Allianz begonnen und habe dort die Aufgabe übernommen, das Financial Lines, beziehungsweise das D&O-Geschäft lokal und weltweit aufzubauen. 2011 bin ich dann auf die Maklerseite gewechselt zu dem Makler Marsh, dort in die Geschäftsleitung, um einmal die andere Seite kennenzulernen. Aber die Liebe zu Financial Lines hat mich natürlich nicht in Ruhe gelassen und so bin ich 2014 dann zu XL, später AXA XL als Head of Financial Lines gewechselt, bevor ich dann 2022 meinen Heimathafen bei der Hendricks GmbH gefunden habe.
Ansgar Knipschild: Super, vielen Dank, Marcel. Dann lass uns unser Gespräch einmal mit einer allgemeinen Marktbetrachtung starten. Wie bewertest du den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Industrieversicherung, speziell natürlich auch im Financial Lines Bereich? Wo stehen da die Versicherer, wo stehen die Makler und welche Rolle spielen die Plattformen, wie zum Beispiel Finlex?
Marcel Braun: Im Versicherungsbereich und insbesondere im Bereich Financial Lines besteht natürlich noch erheblicher Nachholbedarf, was das Thema Digitalisierung betrifft. Das gilt sowohl für die Makler als auch für die Versicherer. Der hohe Beratungsbedarf, den wir gerade in dem Bereich Financial Lines haben, weil wir uns hier mit versicherten Personen auseinandersetzen und mit denen sprechen, und der harte Markt mit den gestiegenen ändernden Informationsbedürfnissen der Versicherer, ich nenne nur einmal das Thema Sanktionsthemen. Das erschwert natürlich eine Digitalisierung massiv und Plattformen kommen damit nur noch bei den einfachen und standardisierten Verträgen zur Anwendung.
Das, was eine große Rolle spielt, ist das Thema Geschwindigkeit und da sind digitale Anwendungen unschlagbar. Innerhalb von 15 Minuten kann man bei einer digitalen Anwendung nicht nur ein Angebot bekommen, sondern man kann eine fertige Police mit Rechnung erhalten. Für den Anwender von solchen Plattformen ist es wichtig, dass er diese Plattform ohne große Schulung leicht bedienen kann und die Plattform natürlich auch einen Prozess nicht abbricht, nur weil vielleicht einzelne Punkte fehlen oder nicht richtig passen. Wenn Plattformen nur genutzt werden, weil sie da sind, das funktioniert auch nicht, denn du musst immer darauf achten, dass du genügend Anbieter hast und verwertbare Angebote, weil sonst ist so eine Plattform relativ schnell dann auch unattraktiv. 3:14
Ansgar Knipschild: Okay. Marcel, ihr habt vor kurzem selbst eine eigene Plattform, das Hendricks Digital Network oder kurz HDN genannt, gestartet. Könntest du bitte einmal kurz beschreiben, was das HDN genau macht und was eure Motivation für eine eigene digitale Plattform war?
Marcel Braun: Mit Hendricks Digital kann man Angebote rechnen und vergleichen, man kann Verträge online abschließen und sich am Ende natürlich auch eine Police und eine Rechnung automatisiert erstellen lassen. Daneben bekommt man wertvolle Schadeninformationen direkt aus unserer Schadendatenbank, sowie Beratungsmaterial, das einem direkt mit dem Angebot zur Verfügung gestellt wird, inklusive der notwendigen Synopsen, die man vielleicht auch für das Gespräch mit einem Kunden braucht. Was der große Vorteil ist, du hast das Thema Geschwindigkeit bei dem ganzen Erstellen von Angeboten. Wenn wir uns überlegen, dass wir teilweise im nicht-digitalen Bereich sechs bis acht Wochen warten müssen, bis wir ein Angebot vom Versicherer bekommen, dann ist das natürlich ein Rieseneffizienzgewinn und Zeitgewinn.
Daneben spielt für uns natürlich Kosteneffizienz und das Thema Dunkelverarbeitung eine große Rolle, weil du hast damit weniger Kosten auf der einen Seite und auch weniger Dokumentierungsfehler. Auch das ist wichtig gerade im Blick auf das Thema Service und Qualität.
Die höhere Datenqualität ist insbesondere für die Versicherer wichtig, weil die Aktuare sich darüber freuen, wenn sie jetzt alle Informationen bekommen, inklusive der Branchenschlüsselcodes für alle Risiken, sodass sie wirklich eine Portfolioanalyse betreibe können. Das ist für die das Wichtigste, um solche Portfolien analysieren zu können. Alles, was nicht dunkelverarbeitet werden kann, das kann mittlerweile ebenfalls über die Plattform verarbeitet werden. Das geht dann aber in der Refalls zu den Versicherern und wir dann über die Versicherer wieder auf der Plattform zurückgespielt.
Wichtig für uns als Hendricks war von Anfang an das Thema IT und Cyber Security, weil das eines der Themen war, was uns durch die Versicherung der Kooperationsmakler auch direkt zurückgespielt worden ist, dass sie das voraussetzen. Deshalb haben wir mit mgm einen Partner uns für die Plattformentwicklung gewählt, der insbesondere für das Thema IT und Cyber Security das nicht nur kann, sondern auch bewiesen hat und deswegen die Online-Steuerplattform Elster gebaut hat. Sicherheit steht bei uns an erster Stelle. 5:54
Ansgar Knipschild: Du hast vorhin das Stichwort Dunkelverarbeitung gegeben, das ich gerne noch einmal kurz aufgreifen will. Wie sieht das im HDN aus, kann ein Angebot oder sogar eine Police wirklich vollautomatisch ausgestellt werden oder schaut der Makler, beziehungsweise der Versicherer doch noch jedes Mal darauf? Wie gehen die Versicherer mit diesem Thema um, hier den Underwriting Pencil, wie es so schön heißt, einmal komplett aus der Hand zu geben? 6:17
Marcel Braun: Es gibt natürlich die komplette Dunkelverarbeitung vom Angebot bis hin zu Policen und zur Rechnungstellung. Das ist heute absolut notwendig, wenn du so eine Plattform zur Verfügung stellst. Das erwarten die Leute, dass der ganze Prozess voll digital umgesetzt werden kann. Für uns wichtig, was das Thema Plattform betrifft, ist, wir haben festgestellt, du musst schauen, dass die Plattform in mindestens vierzig Prozent der Fälle, wenn Anfragen gestellt werden, ganz klar ein Angebot erstellen kann und dass das digital möglich sein muss, weil ansonsten verlieren die Anwender dann auch die Lust an so einer Plattform.
Wie läuft das mit den Versicherern ab? Die Versicherer müssen natürlich die Regeln definieren. Das heißt, sie müssen vorgeben ganz klar, welche Risiken wollen sie zeichnen, welche Kriterien müssen die Risiken erfüllen, sodass eine digitale Verarbeitung möglich ist.
Am Anfang ist es so, dass natürlich nicht die vierzig Prozent erreicht werden können mit den einzelnen Versicherern und deswegen haben wir mit den Versicherern so einen 14-Tage-Rhythmus vereinbart, gerade wenn die neu auf die Plattform kommen, wo man gemeinsam daran arbeitet, die Anzahl der grünen Angebote, also die sofort angenommen werden können, zu erhöhen, sodass wir dann bei den vierzig Prozent am Ende des Tages auch landen und umgekehrt klar machen, die Sachen, wo man nicht weiß, ob man das zeichnen möchte oder nicht, dass man klar sagt, wenn es nicht geht, dann lass es gleich rot werden und dann weiß man, woran man ist.
Derzeit schauen die Versicherer noch unterschiedlich auf das ganze Thema. Einige sind schon so weit, dass sie nur sich die Portfolien anschauen und auch nur die analysieren, andere richten den Blick noch viel stärker auf das Einzelrisiko. Mit der Zunahme der Digitalisierung und je länger die sich mit dem Thema Plattform auseinandersetzen, umso mehr werden immer mehr Versicherer auf eine Portfoliosteuerung zurückschauen. Für die Aktuare ist, was ich schon einmal gesagt hatte, mit dem Portfolio die beste Möglichkeit, das Portfolio zu analysieren und darüber zu steuern. Das funktioniert einfacher für die Aktuare, als wenn die sich einzelne Verträge anschauen müssten. 8:35
Ansgar Knipschild: Wenn ich deinen Ausführungen zuhöre, entsteht der Eindruck, dass Hendricks Digital Network ist mehr als nur ein Maklerportal oder Kooperationsmaklerportal, wie es bei euch heißt. Ihr sprecht selbst von einem Marktplatz. Könntest du bitte einmal erläutern, was du mit diesem Begriff im Kontext des HDN meinst?
Marcel Braun: Hendricks Digital ist für uns viel mehr als eine Ausschreibungsplattform. Der Makler bekommt alle Informationen, die er benötigt, um das Angebot dem Kunden zu erläutern. Er bekommt übersichtliche Synopsen, um ganz klar darzustellen, warum das konkrete Angebot wesentlich besser ist als das eines Wettbewerbers. Er bekommt darüber hinaus konkrete Vorschläge, welche weiteren Produkte für das von ihm individuell angefragte Risiko vielleicht sinnvoll wäre, womit sollte sich der Kunde noch auseinandersetzen oder eventuell abschließen, damit er vollumfänglich versichert ist. Darüber hinaus bekommt er Zugriff auf die Informationen von unserer Schadendatenbank und natürlich auch auf unsere Claims Reports, die wir ohnehin aber auch vierteljährlich verschicken.
Die Versicherer wiederum haben vollen Zugriff auf alle Daten, inklusive dieser Branchenschlüsselcodes, und können ihre Tarife und Regeln ontime, das heißt also direkt in der Sekunde, online abändern und branchenspezifisch anpassen. Die können direkt für das Einzelrisiko sagen, ich möchte eine besondere Branche eher bevorzugt zeichnen, ich bin bereit, für die besonderen Nachlässe zu gewähren, oder sie machen es einfach am Risiko selber fest, dann können sie direkt sagen, ich möchte alle Unternehmen gerne haben, die eine Eigenkapitalquote von zehn Prozent haben. So kann man sich das ungefähr vorstellen, wie das abgeht.
Ansonsten haben wir darauf geachtet, dass wir auf unserer Plattform ein einfaches Onboarding haben. Das heißt, es ist sozusagen ganz einfach für Makler und Versicherer, der Plattform beizutreten. 10:42
Ansgar Knipschild: Ich habe vorhin schon einmal kurz von dem Netzwerk der Kooperationsmakler gesprochen, ihr habt da ein recht großes, mehrere hundert im deutschen Markt, ist die Plattform rein auf Hendricks gemünzt oder denkt ihr auch darüber nach, das zum Beispiel für die Kooperationspartner hier zu öffnen oder gar anzupassen? Was sind das für Überlegungen bei euch im Haus?
Marcel Braun: Wir haben insgesamt knapp 600 Kooperationspartner, mit denen wir zusammenarbeiten. Die Plattform selber deckt natürlich in allererster Linie unsere eigenen Bedürfnisse. Das war so gedacht und auch so konzipiert. Aber, und das ist das Schöne, die Plattform ist so modular aufgebaut, dass sie leicht auch von anderen Gesellschaften und anderen Produkten genutzt werden kann. Das war uns wiederum bei der Entwicklung wichtig, weil wir das gruppenintern zur Skalierung auch nutzen wollten.
In der Zukunft planen wir, dass wir auf Wunsch unserer Kooperationsmakler für deren eigene Produkte die Plattform zur Verfügung stellen, sodass die neben unseren Produkten auch ihre eigenen Produkte darüber laufen lassen können. Aber das ist momentan noch Zukunftsmusik. An dem Thema arbeiten wir gerade.
Durch den modularen Aufbau kann aber die Plattform relativ schnell auf andere Sprachen umgeändert werden. Das geht innerhalb eines Tages, dass du die von Deutsch auf Englisch, Französisch oder, was weiß ich, skandinavische Länder umstellen kannst. Also da sind keine Grenzen gesetzt und andere Produkte darüber zu digitalisieren, das ist ohnehin gegeben und muss gegeben sein. 12:19
Ansgar Knipschild: Ich hatte zu Beginn unseres Gesprächs schon einmal ganz kurz in die Richtung auch nachgefragt, aber an der Stelle vielleicht noch einmal nachgehakt: Warum habt ihr euch für die Entwicklung einer eigenen Plattform entschieden? Es ist auch Zeitaufwand und kostenintensiv. Warum habt ihr nicht eine der bestehenden Plattformen, die am Markt angeboten werden, genutzt?
Marcel Braun: Wir haben seiner Zeit die bestehenden Plattformen im Markt uns angeschaut, leider konnten die auf dem Markt verfügbaren Plattformen unsere Bedürfnisse, so wie wir sie hatten, nicht abbilden und diese Plattformen konnten auch nur begrenzt weiterentwickelt werden. Wenn eines von beidem gegeben wäre, hätten wir bestimmt eine Plattform genommen, die vielleicht schon vorhanden ist. Aber genau diese Möglichkeit war für uns von größter Bedeutung und insbesondere das Thema Anwenderfreundlichkeit und das leichte Adaptieren auch in andere Sprachen, Währung und das Digitalisieren neuer Produkte war uns sehr wichtig. Wie vorhin schon erwähnt, wollen wir die Plattform nutzen und skalieren, nicht nur in der eigenen Gruppe, sondern eventuell dann auch zukünftig unseren Kooperationspartnern so zur Verfügung stellen.
Natürlich, das hatte ich schon gesagt, war das Thema IT-Sicherheit, Cyber Security, uns wichtig und auch da konnten die bestehenden Plattformen das nicht bieten, wie wir es gebraucht hätten. Deswegen haben wir extra uns einen Partner herausgesucht, der diese Vorgaben erfüllt und sicherstellen kann.
Ansgar Knipschild: Alles klar. Kommen wir einmal zum Projektverlauf. So ein Projekt ist vielleicht nicht ganz einfach zu handeln. Wie lange hat die Entwicklung der Plattform insgesamt gedauert von der Idee bis zum Going-Live und hast du vielleicht noch ein paar Learnings, also Erkenntnisse, aus dem Projektverlauf für unsere Hörer mit dabei?
Marcel Braun: Die Entwicklung der Grundversion hat ungefähr etwas über zwei Jahre gedauert und wir arbeiten heute immer noch an der Version regelmäßig und entwickeln sie weiter. Die erste Version hatten wir sogar schon vor der Corona-Pandemie fertig, haben aber dann die Zeit des harten Marktes und der Corona-Pandemie dafür genutzt, Hendricks Digital optimal die Bedürfnisse aller Stakeholder anzupassen.
Stakeholder für uns sind natürlich unsere Kooperationsmakler, unsere Kunden, unsere eigenen Mitarbeiter, die wir natürlich auch abholen müssen, und natürlich die Versicherer, denn die Versicherer sorgen am Ende dafür, dass wir genügend Angebot bekommen. Nur wenn alle drei Stakeholder mit dem Ergebnis zufrieden sind, hat man genügend Angebote durch die Versicherer, genügend Anfragen und damit die Attraktivität am Ende des Tages auch für die Kooperationsmakler.
Du hast nach Learnings gefragt. Was wir festgestellt haben, ist, was wir zukünftig deutlich besser machen würden, man sollte von Anfang an beginnen, die Stakeholder mehr abzuholen. Das haben wir am Anfang zu wenig gemacht. Das mussten wir nachher noch einmal nachholen. Wir haben uns auch zu wenig Gedanken gemacht, was die Sorgen der Mitarbeiter betrifft, denn Mitarbeiter machen sich generell bei jeder Art von Digitalisierung Gedanken, ob das am Ende nicht dazu führt, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Das heißt, es ist ganz wichtig, genau diese Themen aufzugreifen und zu sagen, dem ist nicht so, denn, wenn ich mir den aktuellen Markt anschaue, ist es immer schwieriger, dass wir genügend gut ausgebildete Personen bekommen und von daher braucht es die Digitalisierung und vielleicht auch einmal den Effekt, dass die Prozesse optimiert werden und es ein bisschen weniger Arbeit gibt, dass man genau dem entgegenwirken kann, dass man mit den wenigeren Leuten, die zur Verfügung stehen, dieselben Mengen bewegen kann.
Last but no least kann ich immer nur raten, eine sehr enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der IT zu haben, dass man sich in jedem einzelnen Schritt genau abstimmt und den Leuten, die daran programmieren, ein bisschen erklären, worum es bei dieser Plattform geht, was möchte man mit dieser Plattform erreichen und wer sind die Ansprechpartner. Das hilft manchmal der IT, wenn sie weiß, für wen sie das Ganze macht. 16:46
Ansgar Knipschild: Für wie wichtig hältst du die eigene digitale Kompetenz bei euch im Haus? Ein Makler hat normalerweise andere Kompetenzen und sagt sich vielleicht, Thema Digitalität und dort eigene Kompetenzen aufzubauen hat nicht oberste Priorität. Jetzt ist es bei der Lösung so, dass ihr per Low-Code, also ohne zu programmieren, sogar selber digitale Produkte anlegen könnt, anpassen könnt, Tarife oder neue Wordings. Wie wichtig ist euch diese Unabhängigkeit? Wie geht ihr mit diesen neuen Kompetenzen um?
Marcel Braun: Ich bin persönlich der festen Ansicht, dass wir digitale Lösungen und Angebote immer mehr in unserem Markt benötigen. Dafür muss ich aber nicht immer zwingend auch selbst die eigene Lösung oder Plattform selber entwickeln, sondern es reicht, wenn ich mir die beste digitale Lösung im Markt anschaue und als Dienstleistung einkaufe. Was man sich auch immer überlegen muss, jede IT-Entwicklung ist sehr teurer, also kostspielig, und bindet enorme interne Ressourcen im Haus, die natürlich dann nicht mehr für die anderen Themen zur Verfügung stehen, also Kundenakquise, Kundenbetreuung und Service.
Eine eigene Digitalkompetenz halte ich für wichtig, zumindest in der Form, dass ich selbst Produkte per Low-Code digitalisieren und anpassen kann. Das ist natürlich sehr wichtig für uns, weil man dadurch viel schneller und kostengünstiger agieren kann. Die Mitarbeiter sind heute in allen Branchen knapp und so muss man genau schauen, was man sinnvoll selbst übernehmen kann, denn auch unser Dienstleister muss mit knappen Ressourcen arbeiten und teilweise dauern deswegen Sachen länger, wenn man sie nicht selber übernehmen kann.
Ansgar Knipschild: Marcel, zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft. Das ist so unsere klassische Abschlussfrage einer jeden Folge. Wie siehst du das Zusammenspiel der verschiedenen sich entwickelnden Plattformen am Markt? Bleibt es da bei einer parallelen Koexistenz, zum Beispiel von Maklerlösungen wie euren und den Versicherer-Portalen, oder werden sich die Plattformen digital mehr und mehr miteinander vernetzen, was wir Stand heute, 2022, noch nicht so sehen?
Marcel Braun: Das ist schon fast eine Fangfrage. Bei den reinen geschlossenen Versicherer-Plattformen mache ich persönlich ein Fragezeichen. Warum? Der Kunde möchte immer mehr den Vergleich und natürlich das beste Konzept zum besten Preis bekommen und das funktioniert natürlich nur, wenn du vergleichende Plattformen, also Maklerplattformen hast. Offene Plattformen mit Schnittstellen sind für mich die absolute Zukunft, weil so die Ausschreibungsplattform des Maklers direkt mit dem System des Versicherers und dessen Kalkulationsplattform kommunizieren kann.
Wir haben mit Roland Rechtsschutz zum Beispiel heute schon einen direkten Datenaustausch für alle neuen Angebote, aber auch für Renewal-Angebote. Das heißt, wir können heute digital von unserem System bis digital in die Systeme von Roland kommunizieren und es muss niemand mehr irgendwo da händisch eingreifen. Das ist die absolute Zukunft und wir sind aktuell auch schon mit weiteren Versicherern im Gespräch, mit einigen bereits zum Thema Umsetzung, mit anderen haben wir die ersten Gespräche begonnen. Da merke ich einfach, da geht ganz klar die Zukunft hin.
Das Thema Schnelligkeit, Prozessoptimierung und immer weniger manueller Aufwand wird meines Erachtens in einer Welt der knappen Ressource Mensch auch immer wichtiger werden. Von daher sehe ich keine andere Möglichkeit, außer dass wir mehr und mehr uns weiter vernetzen und zusammenwachsen. 20:38
Ansgar Knipschild: Marcel, vielen Dank für diesen Blick in die Zukunft und für das meiner Meinung nach sehr spannende Gespräch. Ich glaube, dass unsere Zuhörer hier bei Industrieversicherung Digital in den letzten zwanzig Minuten eine Menge gelernt haben und daher auch im Namen der Zuhörer noch einmal vielen lieben Dank für deine Zeit und ich sage einfach einmal bis demnächst. Tschüss.
Marcel Braun: Tschüss. Danke dir.
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