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ID#40

29.04.2022

Holger Kraus, GVNW: Captives in der digitalen Industrieversicherung – ID#40

In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Thema Captives, das gerade in der aktuellen Marktphase als Ergänzung im Risikomanagement an zunehmender Bedeutung gewinnt: Philipp Thier und Ansgar Knipschild sind im Gespräch mit Holger Kraus, Leiter des GVNW-Ausschusses Captives: Warum beschäftigen sich Industrieunternehmen mit dem Thema Captives? Welche Vorteile ergeben sich aus der Nutzung einer Captive im Vergleich zum Risikotransfer via Versicherer? Wie sehen die operativen Prozesse aus und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Länge 46 min.

Transkript

 

Ansgar Knipschild: Hallo und herzlich Willkommen zu einer weiteren Folge unseres Podcasts. Mein Name ist Ansgar Knipschild und das ist ID, Industrieversicherung Digital. Mit mir heute dabei ist mein Kollege Philipp Thier. Hallo Philipp.

 

Philipp Thier: Servus Ansgar. Grüß dich.

 

Ansgar Knipschild: Unser heutiger Gast in Holger Kraus, der Leiter des GVNW-Ausschusses Captives, für die wenigen Zuhörer, die den Begriff GVNW nicht kennen, hier noch einmal die Erläuterung, das ist der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft, also die Industrie- beziehungsweise Kundenseite im Industrieversicherungsmarkt. Das Ganz kann unser Gast sicherlich viel besser erklären. Herr Kraus, mögen Sie sich einmal selbst kurz vorstellen?

 

Holger Kraus: Hallo, mein Name ist Holger Kraus. Ich bin schon seit vielen Jahren im Bereich Versicherungen tätig. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft war ich zunächst lange Jahre bei einem großen, internationalen Maklerhaus tätig im Bereich Beratung von Groß- und Größstindustriekunden zum Bereich Eigentragung, Risikofinanzierungsstrukturierung, Aufsetzen und Optimierung von Captives und bin dann vor mittlerweile etwa 13 Jahren von der Beraterseite auf die Kundenseite gewechselt und jetzt bei einem großen, deutschen Industrieunternehmen verantwortlich für das Thema Risikofinanzierungsstrategie und auch für das Management unserer eigenen Captive, die ihren Sitz in Deutschland hat und die wir mit eigenem Personal managen.

 

Philipp Thier: Prima. Super, Herr Kraus. Vielen Dank für die Einführung. Vielleicht für unsere Zuhörer, um ein bisschen in das Thema hereinzukommen, können Sie ganz grob umreißen, was sind Captives überhaupt und warum beschäftigen sich vermehrt Unternehmen in Deutschland mit dem Thema Captives und was sind die Vorteile von dem ganzen Konstrukt?

 

Holger Kraus: Den Begriff Captive gibt es im Zusammenhang mit mehreren Tochterunternehmen von Industrieunternehmen, auch zum Beispiel im Bankbereich, aber auch, wie gesagt, im Versicherungsbereich. Im Versicherungsbereich versteht man unter einer Captive eine Versicherungs- oder Rückversicherungsgesellschaft, die sich im Eigentum eines Unternehmens befindet, dessen Kerngeschäft nicht im Bereich des Versicherungswesens oder des Finanzdienstleistungswesens befindet. In der Regel ist es ein Industrieunternehmen, das es für sinnvoll erachtet, um das Management seiner versicherungsfähigen Risiken zu optimieren, über eine eigene Versicherungs- oder Rückversicherungsgesellschaft zu verfügen.

Warum machen das Unternehmen? Ich hatte es schon ganz kurz angesprochen, es dient insbesondere dazu, die Konzerneigene Risikoeigentragung im Bereich der versicherungsfähigen Risiken zu organisieren. Da gibt es gewisse regulatorische Anforderungen, auch steuerliche Anforderungen. Das heißt, Sie können als Unternehmen nicht einfach eine Familienkasse bilden, wo Sie sagen, jedes Tochterunternehmen zahlt dort einen gewissen Beitrag und wenn das Tochterunternehmen einen Schadenfall erleidet, erhält es eine Entschädigung aus dieser Familienkasse, sondern dieser Schadenausgleich über juristische Personen und auch über Ländergrenzen hinweg ist letztlich aufsichtsrechtlich und steuerlich compliant nur möglich, indem man das über eine Versicherungsstruktur macht.

Da dient im Wesentlichen die Captive in der Grundform dazu, den Ausgleich zu schaffen zwischen dem, was eine einzelne Tochtergesellschaft an Risiko tragen kann, was in der Regel nicht so hoch ist wie das, was auch Konzernebene getragen werden kann, und dem, was auf Gesamtunternehmensebene an Risikotragfähigkeit besteht.

 

Philipp Thier: Okay, prima. Vielleicht können Sie es ganz kurz umreißen. Es gibt immer Vor- und Nachteile, vielleicht können Sie einmal ein bisschen die zwei Seiten beleuchten, wo sind die Vor- beziehungsweise die Nachteile, wenn es um eine Captive beziehungsweise um das Aufsetzen von einer Captive geht.

 

Holger Kraus: Ich fange einmal mit den Vorteilen an. Die Vorteile bestehen im Wesentlichen darin, dass man natürlich höhere Freiheitsgrade hat, wie man seine Risikofinanzierung strukturiert, insbesondere zu organisieren oder zu sagen, wie viel Risiko möchte ich im Unternehmen tragen und wie viel möchte ich wirklich an den Versicherungsmarkt geben und hier eine gewisse Flexibilität zu erreichen und zum Teil eine verbesserte Verhandlungsposition gegenüber dem Versicherungsmarkt, weil man signalisiert, wenn die Bedingungen oder die Preise aus Sicht des Versicherungsnehmers nicht angemessen oder attraktiv erscheinen, besteht die Möglichkeit, Risiko über diese Struktur in höherem Umfang selber zu tragen. Das ist sicherlich einmal ein Vorteil.

Ein zweiter Vorteil ist, dass man ein stärkeres Maß an Transparenz hat. Man ist näher dran an dem, was auf der Schadenseite passiert, man hat auch eine bessere Kenntnis oder muss mit der Zeit eine bessere Kenntnis darüber entwickeln, wie Versicherung funktioniert, das heißt, wie werden Prämien kalkuliert, wie werden Rückstellungen gebildet, wie werden Reserven gebildet. Man taucht deutlich tiefer in diese ganze Versicherungsthematik ein, als man das tut, wenn man sich in Anführungszeichen nur auf den Einkauf von Versicherungen konzentriert. Man beschäftigt sich letztlich damit, wie ein Versicherer funktioniert, wie der Geschäftsbetrieb eines Versicherers funktioniert und das ist sicherlich in vielen Bereichen hilfreich. 6:17

 

Ansgar Knipschild: Das hört sich so an, dass es gegebenenfalls personalintensiv werden kann. Ich gehe einmal in Richtung möglicher Nachteile, die der Philipp gerade angefragt hat. Man übernimmt Tätigkeiten, die normalerweise der Versicherer übernimmt. Können Sie das ein bisschen ausführen?

 

Holger Kraus: Das ist richtig. Auf der anderen Seite ist es so, dass die weitaus überwiegende Zahl der Captive-Versicherer als Rückversicherungsunternehmen aufgesetzt sind. Das heißt, dass ein Großteil der administrativen Tätigkeiten weiterhin durch einen am Markt tätigen Erstversicherer erbracht werden. In der Regel sind das global tätige Versicherungsunternehmen, die die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen, die in den jeweiligen Ländern die Versicherungspolicen ausstellen, die Schäden regulieren, die die Prämie erheben.

Der Rückversicherer ist letztlich auf relativ wenige Geschäftsvorfälle beschränkt. Es geht um die monatlichen oder quartärlichen Prämien und Schadenabrechnungen, es geht um die entsprechende Buchhaltung für das Versicherungs- beziehungsweise Rückversicherungsunternehmen, um die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Erfordernisse und so weiter. Das sind Themen, die man insgesamt relativ schlank abfahren kann und wo man weitere Themen noch einmal outsourcen kann an spezielle Anbieter, sodass man relativ frei entscheiden, in welchem Umfang oder in welcher Tiefe man sich in diesen Geschäftsprozessen von seiner Rückversicherungscaptive mit eigenem Personal engagieren möchte. Das geht soweit, dass man im Endeffekt das Management von so einer Captive komplett outsourcet. An den klassischen Captive-Standorten in Europa, wie beispielsweise Luxemburg, Irland, gibt es entsprechende Infrastrukturen, sodass man das überwiegend outsourcen kann.

 

Ansgar Knipschild: Sie sind Leiter des Ausschusses Captives bei der GVNM. Es sind meines Wissens nach in Deutschland nicht so viele Captives ansässig, aber wenn wir einmal in dem MDAX, DAX hereingucken, haben Sie eine Größenordnung? Wenn man so eine Captive komplett selbst stuffen würden, was muss man sich da vorstellen?

 

Holger Kraus: Das eigene Stuffing ist im Wesentlichen bei den in Deutschland ansässigen Captives ein Thema, weil wir hier nicht diese klassische Captive-Management-Infrastruktur haben wie an den großen Captive-Domizilen. Sie haben es gesagt, wir in Deutschland eine relativ überschaubare Anzahl von Captives. Das bewegt sich in der Größenordnung von neun bis zehn Captives, wenn man das enger definiert. Das heißt, da ist natürlich die entsprechende Nachfrage nach solchen Leistungen im Vergleich zu Luxemburg, wo wir über zweihundert solcher Gesellschaften reden, nicht da. Von daher und aus der Erfahrung bewegt sich das von der Personalzahl in der Regel im unteren bis mittleren einstelligen Personenbereich. Wir reden hier nicht über große Zahlen von Mitarbeitern, die damit beschäftigt sind, weil es in der Regel so ist, dass es aus den Versicherungsabteilungen der Unternehmen mit heraus bedient wird und man sich anschaut, gewisse spezifische Themen noch einmal auszulagern, beispielsweise eine versicherungsmathematische Funktion oder aktuarielle Dienstleistungen, sodass man sich mit dem eigenen Personal in der Regel auf strategische Themen und Steuerungsthemen konzentriert.

 

Philipp Thier: Vielleicht eine Frage: In der Vorbereitung auf den Podcast haben wir uns natürlich auch ganz grundlegend mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die Anzahl der Captives im nordamerikanischen Markt viel größer ist. Da haben teilweise kleinere und mittelständische Unternehmen eine eigene Captive. Da schwirrt die Zahl von vier- bis sechstausend Captives alleine in den USA durch den Raum. Natürlich ist Deutschland ein kleineres Land mit weniger Firmen, aber wie erklären Sie sich, dass die Zahl in Deutschland da viel überschaubarer ist? Beziehungsweise kann man da irgendwelche Herausforderungen ableiten?

 

Holger Kraus: Meines Wissens nach ist in den USA diese große Zahl der sogenannten Mikrocaptives sehr stark durch steuerliche Themen getrieben. In Deutschland ist es so, dass die Gründung einer Captives aus steuerlichen Themen in der Regel keinen Sinn macht. Die macht nur Sinn, wenn es aus Risikomanagementgesichtspunkten sinnvoll ist oder weil sagt, man hat ein gewisses Eigentragungsniveau. Wenn das Prämienvolumen relativ überschaubar ist, kommen Sie schnell in die Situation, dass das Verhältnis der Betriebskosten für so ein Instrument wie eine Captive im Verhältnis zu den Ersparnissen nicht mehr in einem vernünftigen Maß steht. Da brauchen Sie eine gewisse Schwungmasse an Prämie und an erwarteten Einsparungen, damit es Sinn macht, so ein Vehikel zu fahren. Damit haben Sie natürlich eine Mindestgröße, die Sie mitbringen müssen als Unternehmen beziehungsweise als Prämienvolumen, um so etwas weiterzuverfolgen.

 

Philipp Thier: Prima, verstanden. Vielleicht ein kleiner Deep-Dive in den Maschinenraum. Für welche Risiken beziehungsweise Sparten bietet sich eine Captive gerade im Moment an? Wir haben das Gefühl, das geht nicht deckungsgleich über alle Sparten beziehungsweise Lines of Business hinweg.

 

Holger Kraus: Wenn wir einmal vom Einsatzbereich ausgehen, ist eine Captive eher dazu da, den Schadenbereich oberhalb der operativen Selbstbehalte zu finanzieren, also in den unteren Risikobereichen, wo die Schadenerwartung relativ klar vorhersehbar ist und auch die Schwankungsbreite einigermaßen überschaubar. In der Regel sind sie nicht wirklich ein großes Engagement von Captives im Cut-Risikobereich, sondern eher im oberen Frequenz- bis in den mittelschweren Schadenbereich. Das ist der eine Punkt. Da sieht man es im Endeffekt mittlerweile in allen Sparten. Das geht von Sach- über Montagehaftpflicht, Transport bis zu Cyber ist da zu sehen, auch im Kreditversicherungsbereich wird das zum Teil eingesetzt.

Was in den letzten Jahren ziemlich stark gewachsen ist, ist der Bereich der firmenfinanzierten Personenversicherungen, sogenannte Employee Benefits, dort, wo Unternehmen Versicherungsleistungen, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Lebensversicherung, Arbeitsunfähigkeitsversicherung, als Teil des Vergütungspakets mit anbieten. In Ländern, wo das Sozialversicherungssystem ein bisschen anders aussieht als in Deutschland, geht man mittlerweile auch dazu über, dieses Thema global zu managen und da hat man natürlich entsprechend große Portfolien mit relativ geringer Volatilität, sodass sich das letztlich anbietet, das auch über Captives zu machen.

Was man auch noch sieht in der jüngsten Vergangenheit, wo sich der Markt teilweise sehr stark verhärtet hat, ist, dass Captives durchaus dazu benutzt werden, (in Access Layern?), also im Katastrophenbereich, einzelne Lücken in Programmen mit zu stopfen, dass man sagt, damit man ein durchgängiges Programm hat, beispielsweise in Cyber, setzt man die Captive auch in hohen Layern ein, wenn man über entsprechend kapitalisierte Captives verfügt, die über eine entsprechende Risikotragfähigkeit verfügen. Von daher ist man letztlich sehr flexibel. Es hängt sehr stark davon ab, wie gut die Captives kapitalisiert sind und auf der anderen Seite, dass man geeignete Versicherer findet, die jetzt im Falle einer Rückversicherungscaptive als Fronting-Partner die entsprechenden Leistungen erbringen und bereit sind, diese Risiken entsprechend zu fronten. 15:07

 

Ansgar Knipschild: Das ist super spannend. Gehen wir einmal ein bisschen in die Prozesse herein. Sie haben sie eben schon kurz angedeutet, Herr Kraus. Zwei Richtungen, einmal vielleicht, wie die Risikozeichnung stattfindet, und auf der anderen Seite Richtung Abrechnung, Reportings. Wenn ich über eine Captive ein Risiko eindecken möchte, vielleicht im vereinfachten Fall, unsere Zuhörer kennen aus Makler- oder Versichererperspektive den klassischen Ausschreibungsprozess, den es beim Neugeschäft gibt, wie funktioniert das bei einer Captive? Wie muss ich mir das vorstellen, wenn ich in einem Industriekonzern bin, eine Captive habe, schreibe ich dann primär an den Erstversicherungsmarkt aus, um einen passenden Fronter, von denen Sie gesprochen haben, zu finden? Läuft das über Makler? Können Sie das vielleicht einmal in ein paar Worten skizzieren, wie hier der Einkaufsprozess sozusagen funktioniert?

 

Holger Kraus: Grundsätzlich funktioniert der Einkaufsprozess nicht wesentlich anders als in einem Setup ohne Captive. Das kann weiterhin beispielsweise durch einen firmenverbundenen Vermittler passieren, das kann natürlich durch einen externen Makler passieren, das kann durch die Versicherungsabteilung passieren, je nach der organisatorischen Aufstellung des Unternehmens. Noch einmal zurückkommend auf das, was ich vorhin gesagt habe, Captive ist letztlich nichts anderes als ein juristisch selbstständiger Konzernselbstbehalt. Wenn wir es einmal in der Originärform nehmen, wenn wir Themen wie Generierung, zusätzliche Erlöse durch Verkauf von Affinity-Versicherungen, wie beispielsweise Handyversicherungen von Telekommunikationsunternehmen oder so etwas, einmal außen vor lassen, sondern sagen, die Captive wird wirklich im Bereich der im Betrieb des Unternehmens verbundenen Risiken eingesetzt, dann ist es so, dass Sie im Endeffekt beispielsweise mit einer Ausschreibung an den Markt gehen, wo Sie sagen, ich möchte in der Sparte X den und den Selbstbehalt tragen. Sie gehen beispielsweise nicht mit 20.000 Euro Selbstbehalt in die Ausschreibung, sondern Sie gehen mit 10, 15 oder 20 Millionen in die Ausschreibung und holen sich die entsprechende Prämie vom Versicherungsmarkt und entscheiden dann letztlich, wie viel Eigentragung Sie in der Captive nehmen möchten.

Dann muss man natürlich mit dem Versicherer noch einmal gegebenenfalls darüber zu einer Einigung kommen, wie die Prämie für diesen Captive-Eigenbehalt aussehen soll. Insbesondere dann, wenn dieser Eigenbehalt zu hundert Prozent von der Captive getragen wird, der Versicherer gegebenenfalls überhaupt keine Anteile darin hat, muss man natürlich sehen, dass die Prämie einem Drittvergleich standhält, dass sie aber auch angemessen ist, die entsprechend zu erwartenden Schäden bezahlen zu können, und mit dem Versicherer noch einmal darüber zu verhandeln, was gegebenenfalls die Verwaltungskosten dafür sind, dass er dieses Fronting übernimmt. Vom grundsätzlichen Ausschreibungsprozess würde ich keinen fundamentalen Unterschied sehen. 18:07

 

Ansgar Knipschild: Vielleicht noch einmal nachgehakt: Dadurch, dass sie, Sie hatte es eingangs erwähnt, immer tiefer sich mit Risiko beschäftigen, wenn sie eine eigenes Captive haben, Schäden etc., warum bedarf es da des Maklers? Hat man nicht dann direkt Kontakt zu mehreren Frontern am Markt, wo man sagt, ich nenne einmal ein paar Namen vom Markt, die jeder kennt, AGCS, HDI, etc., ich habe eine Auswahl an potenziellen Partnern da und spreche dann als Captive direkt mit denen? Würde sich das nicht anbieten oder ist das zu naiv gedacht?

 

Holger Kraus: Das ist absolut eine Option. Das hängt sehr stark davon ab, wie das ganze Thema Versicherungsmanagement in dem jeweiligen Unternehmen organisiert ist, also grundsätzlich davon, wie viel mache ich selber und wie viel kaufe ich ein. Da gibt es Unternehmen, die verfügen über Versicherungsabteilungen mit den entsprechenden Ressourcen, das komplett selber zu machen, die werden auch im Captive-Fall letztlich diese Ausschreibungen und auch die Platzierung selber durchführen, und es gibt Unternehmen, die in dem Bereich sehr schlank aufgestellt sind, die sich wirklich nur auf die Aussteuerung konzentrieren, und da würde das sicherlich auch unter Einbezug eines Maklers passieren. Das hängt nicht wirklich davon ab, habe ich eine Captive oder nicht, sondern eher davon, wie habe ich mein Versicherungsmanagement grundsätzlich organisiert, also was mache ich selber und was kaufe ich ein.

 

Ansgar Knipschild: Das ist letztendlich die zentrale Frage dieses Gesprächs, wie man das Risikomanagement selbst definiert, wie stark man es selber trägt. Da kommen wir im letzten Block noch einmal ein bisschen drauf, um da vielleicht einmal den aktuellen Markt zu überblicken. Ich würde gerne noch einmal etwas tiefer in die Betriebsprozesse bezüglich des Reports hereingehen. Sie haben es gerade angesprochen bei einer Rückversicherungscaptive. Können Sie einen kleinen Einblick geben, welche Reporting-Pflichten man dort hat und wie komplex das für ein Captive ist?

 

Holger Kraus: Zum Teil sind es interne Reporting-Pflichten. Insbesondere dann, wenn es eine vom Mutterunternehmen konsolidierte Versicherungsgesellschaft ist, müssen natürlich die ganzen internen Reporting- und Accounting-Prozesse entsprechend bedient werden, es muss sichergestellt werden, dass diese Gesellschaft entsprechend angebunden ist, dann hat man die regulatorischen Berichtspflichten, die sich aus Solvency II und aus den entsprechenden Anforderungen der nationalen Aufsichten ergeben. Da haben wir noch keine komplette Konvergenz beispielsweise in Europa.

Wenn man eine Captive in den USA hat, sieht das natürlich noch einmal anders aus, weil das wieder ein anderer Aufsichtsraum ist. Da ist es wiederum ein Stück weit abhängig davon, wie viel man im Unternehmen selber macht, wie viel man outsourcet. In den klassischen Captives-Domizilen ist das so, wenn man dieses Full-Service-Captive-Managementpaket extern einkauft, dass natürlich auch das Reporting-Paket letztlich mit dabei ist und die entsprechenden Captive-Manager die Reporting-Anforderungen für Captives in der Regel mit den lokalen Aufsichtsbehörden abgestimmt haben, da Formate abgestimmt haben und so weiter. In anderen Ländern, wie beispielsweise in Deutschland, ist es durchaus so, dass es jedes Unternehmen stärker individuell für sich entscheidet, wie das Reporting konkret umgesetzt wird, auch wiederum wie viel man selber macht, welcher Software man sich gegebenenfalls bedient, ob man die Befüllung von den Templates selbstständig macht oder ob man da externe Unterstützung beizieht.

Da gibt es eine ziemlich breite Bandbreite, die sehr stark zum einen davon abhängt, in welchem Aufsichtsraum man sich befindet, und zum anderen, welche Wertschöpfungstitel man sozusagen in dem Thema selber im Haus hat beziehungsweise was man sich extern dazu holt. 22:16

 

Philipp Thier: Prima, vielen Dank. Vielleicht ein kleiner Themenshift: Das Thema Digitalisierung hat in der Finanzindustrie beziehungsweise in der Versicherungsindustrie starken Einzug erhalten, die Marktteilnehmer haben das Thema vermehrt auf der Tagesordnung und gehen da Schritte voran. Welche Rolle spielt dieses ganze Thema Digitalisierung im Hinblick auf Captives? Gibt es da Prozesse, die Sie vielleicht auf den Prüfstand stellen, das ganze Thema Daten und Informationsaustausch? Oder ist das eine Welt, wie wir im Versicherungsbereich gut kennen, die zu fast hundert Prozent auf Excel-Tabellen basiert? Wird das bleiben oder haben Sie das Gefühl, da ist Bedarf und es gibt auch Möglichkeiten, sich wegzuentwickeln?

 

Holger Kraus: Vielleicht einleitend zum Geschäftsbetrieb der Captive: Insbesondere dann, wenn es eine Rückversicherungscaptive ist, haben Sie im Vergleich zu einem klassischen, am Markt tätigen Versicherer oder Rückversicherer eine relativ überschaubare Anzahl von Geschäftsvorfällen und Vertragsbeziehungen, also Versicherungsvertragsbeziehungen, weil Sie in der Regel mit so einer Captive an dem globalen Versicherungsprogramm der Mutter partizipieren und das ist eine überschaubare Anzahl von Programmen. Das ist praktisch je Spalte ein Programm. Von daher haben Sie auf Captive-Ebene in der Regel, was Geschäftsprozesse angeht, wenig Skaleneffekte. Da müssen Sie natürlich immer genau hereinschauen, macht das Sinn, hier einen Prozess zu automatisieren, was kostet das und was spart mir das am Schluss. Von daher ist da natürlich schon noch ein gewisser Teil Manufaktur und der wird es wahrscheinlich bleiben, weil es teilweise doch individualisierte Themenfelder sind und weil die Zahl der Geschäftsprozesse relativ überschaubar ist.

Wo ich schon ein Thema sehe, ist bei der Datenübertragung und beim Datenaustausch von Versicherern zur Captive, beispielsweise in den monatlichen Abrechnungen, wenn es um Prämiendaten, aber beispielsweise auch um Workflow-Informationen geht, dass ich sage, wo steht die Prämie, die am Schluss bei der Captive landen muss, ist die lokal schon bezahlt, ist die noch in der lokalen Einheit des Versicherers, ist die schon in der Zentrale des Versicherers. Solche Themen, aber auch insbesondere im Bereich Employee Benefits besteht natürlich ein Interesse, Daten zu bekommen, um die gegebenenfalls für Zwecke zu nutzen, die über den klassischen Versicherungsprozess oder die klassischen Versicherungsthemen hinausgehen, sprich im Krankenversicherungsbereich die Möglichkeit, Muster zu erkennen, gibt es hier irgendwelche spezifischen Themen in gewissen Ländern, wo ich beispielsweise über eine EHS-Organisation im Unternehmen auch einmal genauer hereinschaue oder gegensteuern kann. Das sind solche Themen, wo es durchaus interessant ist, Digitalisierung voranzutreiben, insbesondere Datenaustausch zu automatisieren und auch sicherzustellen, dass alle Parteien, die mit Daten arbeiten, auf den gleichen Datenbestand zugreifen. Diesen sogenannten Single Point of Truth zu schaffen, ist sicherlich ein Thema. Daran wird gearbeitet, aber die Fortschritte sind noch relativ langsam. 26:00

 

Philipp Thier: Können Sie skizzieren, wie in Ihrer Vorstellung so eine Schnittstellenwelt aussehen könnte? Wir haben den Makler in Deutschland, wir haben den Makler vor Ort in den lokalen Ländern, wir haben die Obliegenheiten der Gesellschaften in den Ländern und wir haben die Muttergesellschaft vermutlich in Deutschland. Können Sie skizzieren, wie so eine Welt für Sie aussehen könnte, damit das rund funktioniert und wir von dem E-Mail- und Excel-Weitwurf herunterkommen?

 

Holger Kraus: Was denkbar wäre, wäre eine Art Plattform, auf der die verschiedenen Parteien zugreifen können, denn was wir jetzt sehen, ist, dass jeder an seiner eigenen Plattform arbeitet. Wenn ich mit mehreren Versicherern zusammenarbeite, habe ich mehr Webportale, auf die ich mich einloggen kann, um dann gegebenenfalls Informationen zu ziehen. Wobei ich eine die ganze Wertschöpfungskette umfassende Plattform, auf der dann gearbeitet werden kann. bisher noch nicht wirklich sehe. Das wäre wahrscheinlich irgendwo sinnvoll. Was ich eher sehe, ist, dass in einzelnen Häusern Risikomanagementinformationssysteme installiert werden teilweise proprietäre Software programmiert wird, proprietäre Schnittstellen mit den Versicherern oder Maklern, um Daten auszutauschen und zumindest in diese Richtung sich zu bewegen. Von echten Standards und in der Richtung Plug und Play Datenaustausch sind wir noch weit entfernt.

 

Philipp Thier: Ich vermute einmal, so ist es generell in der Industrieversicherung, dass die Pain-Points bei den meisten Gesellschaften sehr ähnlich gelagert sind. Erkennen Sie ein echtes Interesse im Captive-Markt, da vielleicht gewisse Standards herzustellen, wie man das zum Beispiel aus BiPRO kennt, und zu sagen, der Markt ist klein genug, dass wir da eine marktübergreifende Lösung schaffen können? Oder haben Sie das Gefühl, jeder ist interessiert, sein eigenes Süppchen zu kochen?

 

Holger Kraus: Ich glaube stark daran, dass das Interesse ist, dass jeder sein eigenes Süppchen kochen will. Wir sind hier noch einmal in dem Thema, was ich vorhin schon angesprochen habe, Skalierbarkeit. Das ist ein anderes Geschäft als im Commercial Insurance Bereich, wo ich sehr stark standardisiert unterwegs bin, wo ich eine sehr große Zahl von Geschäftsvorfällen habe, wo es um Themen wie Dunkelverarbeitung und so weiter geht. Das große Industriegeschäft ist in vielen Fällen noch sehr individuell, sowohl vom Handling her als auch von der Strukturierung der Programme her, von den Wordings und so weiter. Da ist sind gewisse Limitierungen da, was Standardisierung betrifft, und die Anzahl der Captives ist insgesamt jetzt mit Bezug auf die Versicherer, also an ihrem Gesamtportfolio, das ist meine persönliche Meinung, relativ gering. Das heißt, der Versicherer wird am Schluss sagen, wo investiere ich mein Geld in der Digitalisierung, wo habe ich den größten Hebel und wo lohnt sich das. Da haben wir ein bisschen das Problem, dass wir da natürlich nicht die ganz große Schwungmasse haben auf der Captive-Seite, dass man sagt, das ist ein großes, ganz dringendes Problem und wenn wir das lösen, bringt das ganz erhebliche Einsparungen oder Effizienzen. Das hängt durchaus damit zusammen.

 

Ansgar Knipschild: Das Thema gemeinsame Plattform und ein bisschen zu dem Begriff Ökosystem haben wir mit vielen Gästen in unserem Podcast schon diskutiert, um eine Lösung zu finden. Was könnten verbindende Themen sein? Wenn Sie beschreiben, Captives sind ein Element in der gesamten Risikoabdeckungswertschöpfungskette, das war ein sehr langes Wort, wäre vielleicht genau der Punkt Abrechnung, den Sie angesprochen haben, Transaktion, wo ist welche Prämie bezahlt in den Konzern und so weiter, durchaus ein interessantes Thema. Ich weiß gar nicht mehr, welcher unserer Gäste das gesagt hat, aber es wurde die These aufgestellt, die Branche, damit meine ich die Industrieversicherungsbranche hat sich lange Jahre damit beschäftigt, wie kann ich Versicherungen, Policen, Deckungen, Wordings, wie kann ich diese Komplexität, diese Manufaktur, den Begriff haben Sie vorhin verwendet, digitalisieren. Aber es gibt im Tagesgeschäft beim Stichwort Transaktionen, Bezahlungen, Währungen, Konvertierung und so weiter dieses Skaleneffekt. Wenn es gelingen würde, für alle Beteiligten, idealerweise vom Versicherungsnehmer, den Konzernen in Ländern, Fronter, Rückversicherer, eine Plattform aufzulegen, wäre das eine Idee, über die man einmal nachdenken sollte? Würde das Skaleneffekte bringen? 31:07

 

Holger Kraus: Das denke ich schon, weil das ein Thema ist, wo man unabhängig von einer Captive von Interesse sein kann. Grundsätzlich, wenn ich ein internationales Versicherungsprogramm habe, dass ich eine Information über den Workflow habe, ist die lokale Police ausgestellt, ist die bezahlt, ist ein Schaden gemeldet, ist ein Schaden bezahlt, dass man solche Themen über Plattformen darstellt, wobei ich schon denke, dass die Versicherer natürlich ein gewisses Interesse haben, das in ihrem Haus zu behalten. Das wird noch einmal die Frage sein. Das ist schon noch einmal das Thema, wer ist bereit welche Daten herauszugeben, gegebenenfalls auf fremde Plattformen. Das zu diskutieren wird interessant sein.

 

Ansgar Knipschild: Das ist ein wunderbarer Übergangspunkt zum Thema Risiko und Versicherungsmanagement, dem letzten Punkt, den wir hier genommen hatten. Ich nehme einmal hier ihren Satz auf, „Wem gehören die Daten?“, ein gerne diskutiertes Thema in der Branche. Ich steige einmal mit einer These ein. Ich persönlich glaube, dass die Risikodaten, die Beschreibung des Risikos, mit dem das Unternehmen exponiert ist, dass die wahrscheinlich beim Unternehmen selbst am besten aufgehoben sind, dass das Unternehmen, wenn es ein entsprechendes aktives Risikomanagement betreibt, darüber die Datenhoheit haben sollte, um sie dann ausgewählten Marktpartnern, Maklern, Versicherern oder Konzerneigenen zur Verfügung zu stellen und damit zu signalisieren, diese Daten haben einen Wert. Das Unternehmen hat dort Knowhow, Zeit, Wissen hereingesteckt.

Der Weg heute ist häufig genau andersherum, dass der Makler, das meine ich ganz wertfrei, seine Rolle darin sieht, dass er die Risikoinformationen besorgt, zusammenträgt und damit sicherlich das Unternehmen oder einen Teil der Unternehmen entlastet. Wenn wir einmal so einsteigen, wie sehen Sie es, vielleicht auch gerade für größere Unternehmen? Wie definieren Sie Risikomanagement? Wer hat welche Aufgaben in puncto Daten? 33:13

 

Holger Kraus: Ich würde Ihnen zustimmen, dass es ganz wichtig ist, als versicherungsnehmendes Unternehmen die Hoheit über die risikorelevanten Daten zu haben und in der Lage zu sein, sowohl was Exponierungsdaten betrifft als auch was Schadendaten betrifft, darüber die komplette Verfügungsgewalt zu haben, um diese entsprechende Flexibilität zu haben, sich auf Basis dieser Daten selber Gedanken zu machen, wie sieht meine Risikofinanzierungsstruktur optimalerweise aus, unabhängig beispielsweise von einem Versicherer oder einem Makler, dass ich mit den Personen oder mit den Parteien, wo ich das möchte, diese Daten teilen kann und mit diesen Daten arbeiten kann und Konzepte entwerfen kann. Das ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiger Punkt, weil man sieht das durchaus in dem einen oder anderen Fall, wenn man vielleicht einmal den Versicherer wechseln möchte, dass durchaus der eine oder andere ein bisschen zurückhaltend ist, die gewünschten Daten zur Verfügung zu stellen. Von daher ist das schon wichtig, dass man die Basis dessen, was dem letztlichen Versicherungskonzept zu Grunde liegt, dass man die in den eigenen Händen hält und darüber zu jeder Zeit verfügen kann.

 

Philipp Thier: Im Industrieversicherungsbereich ist es tendenziell eher so, dass es einmal im Jahr, nämlich zur Hauptfälligkeit, eine größere Anpassung gibt, da werden Summen angepasst, da werden Prämien angepasst, ab und zu gibt es einmal eine unterjährige, vielleicht noch eine zweite unterjährige Anpassung. Wie wichtig ist Ihnen die Aktualität der Risikodaten, Exponierungsdaten im Hinblick auf den Risikotransfer? Sagen Sie, idealerweise wüssten Sie eigentlich tagesaktuell, wie Ihre Risikowerte sind? Standort im Ausland hat eine Lagerhalle gebaut, das möchten Sie dann nächsten Tag wissen, damit Sie das in Ihr Programm entsprechend einbinden, oder sagen Sie, das reicht, wenn wir das zur nächsten Hauptfälligkeit einbinden und dazwischen machen wir das irgendwie über eine Haftungsdeckung?

 

Holger Kraus: Zur Prozessvereinfachung ist es hier schon so, dass man in der Regel mit gewissen Schwellenwerten arbeitet, damit man diese just in time Daten praktisch nicht benötigt, sondern nur sagt, wenn etwas Großes passiert, gibt es eine Anpassung und bis zu gewissen Schwellenwerten ist eine automatische Mitversicherung gegeben. Hier muss man genau schauen, wo macht das wirklich Sinn, in Echtzeit Daten zur Verfügung zu haben. Denn zum Stichwort Überdigitalisierung: Nur weil es theoretisch machbar ist, muss ich es am Schluss nicht tun, sondern ich muss mir schon noch genau überlegen, wo bringt es wirklich Sinn oder gibt es unter Umständen andere Möglichkeiten, mit dem Thema effizient umzugehen. Dieses Versicherungssummenthema hat in der Vergangenheit ganz gut funktioniert, dass man mit dem Versicherer ausmacht, es gibt gewisse Schwellenwerte, beispielsweise, wenn Sie ein neues Unternehmen erwerben, wird das integriert, gegebenenfalls auch ohne Zusatzprämie bis zu einer bestimmten Summe und wenn es die Summe überschreitet redet man darüber. Dadurch reduziert man natürlich wieder die Zahl der Fälle, wo das der Fall ist.

Das ist schon wichtig, das abzuwägen und zu sagen, wo bringt das einen echten Mehrwert und wo mache ich es nur, weil es möglich ist. Da muss man schon genau draufgucken und da ist es wichtig, dass dann wirklich die Leute, die sich mit Digitalisierung beschäftigen und die genau wissen, was technisch möglichst ist, und diejenigen, die für den Prozess verantwortlich sind und die sagen, wir müssen mit einem vernünftigen Aufwand und Ressourcenaufwand machen, sagen, wo macht es wirklich Sinn, solche Themen einzusetzen. 37:17

 

Ansgar Knipschild: Ich würde gerne noch einmal an die Diskussion von vorhin anknüpfen, wem gehören die Daten. In Gesprächen in unserem Podcast hören wir manchmal von der Seite der Versicherer, zum Teil auch von den Maklern, ja, eigentlich führen wir dieses Modell. Der Kunde ist Besitzer der Risikodaten, der Risikoinformationen. Der Markt, mit Maklern und Versicherern, bietet jetzt Konzepte an und ist im Wettbewerb, hier für die entsprechenden Risikolücken, die sich auftun, die entsprechenden Angebote zu holen. Das ist eine gute Sache, aber die Industrie tut sich sehr schwer damit, die Daten bereitzustellen, das heißt, wirklich selber Kapazitäten oder Ressourcen aufzubauen, sich diesem Thema aktiv zu nähern, sodass wir dann wieder in die tradierten Modelle hereinpacken, Makler, Versicherer machen das für Kunden, also als Dienstleistung, besitzen dann aber auch die Daten. Das ist ein bisschen dieses Henne-Ei-Problem, was da diskutiert wird.

Wie sehen Sie das gerade über Ihre Verbandsarbeit? Sehen Sie einen Trend, vielleicht auch durch die aktuelle Marktsituation, Sie hatten sie eingangs erwähnt, die Verhärtung des Marktes, es ist schwieriger, einige Deckungslücken zu schließen, dass Unternehmen sich aktiver mit dem Thema Risikomanagement auch auseinandersetzen?

 

Holger Kraus: Dazu muss ich sagen, dass ich natürlich in dem Captive-Ausschuss nur einen gewissen Ausschnitt der Versicherungsnehmer sehe und tendenziell sind das natürlich die Unternehmen, die über größere Versicherungs- oder Risikomanagementabteilungen verfügen, für die das Thema insgesamt einen hohen Stellenwert und wo auch gewisse Summen oder Geldbeträge hinter stehen. Da würde ich durchaus sehen, dass diese Unternehmen schon sehr gut wissen, welche Daten sie haben wollen und wie sie das machen. Wenn man auf kleinere Unternehmen schaut, ich gehe jetzt einmal in das andere Extrem, wo das Versicherungsthema zwanzig Prozent der Steller von einem Controller ausmacht, dann sieht das natürlich wieder ganz anders aus.

Da müssen sie sagen, ich habe nur so viel Kapazität inhouse, mich mit dem Thema zu beschäftigen, und dann habe ich gar nicht die Möglichkeit, da so tief einzusteigen, und dann brauche ich irgendwie im Team jemanden, der mir das Thema löst. Da gibt es nicht diese eine Antwort. Es ist sehr stark abhängig davon, wie ist das Risikoprofil, wie ist der organisatorische Aufsatz im Unternehmen zum Thema Risiko und Versicherungsmanagement, mit welchen Ressourcen gehe ich da heran und von daher wird das bei Unternehmen, die nur wenig Ressourcen daraufsetzen, teilweise gar keine andere Möglichkeit geben. 39:56

 

Ansgar Knipschild: Das heißt andersherum, so habe ich es verstanden, den Trend, dass sich hier Unternehmen verstärkt um aktives Risikomanagement kümmern, sehen Sie nicht so? Denn das war meine Wahrnehmung in der Presse, wenn das einmal verfolgt auf Symposien, auf Foren, dass dort durch den aktuellen Markt, ich komme darauf noch einmal zurück, verstärkt gesehen wird, es rechnet sich für mich als Unternehmen mehr, hier Kapazitäten aufzubauen?

 

Holger Kraus: Ich glaube schon, dass die Auseinandersetzung mit dem Risiko wichtiger wird. Ich glaube aber, dass es deswegen nicht unbedingt heißt, dass ich das Thema sehr viel stärker mit eigenen Ressourcen bespiele. Es kann durchaus sein, dass ich sage, ich kaufe mir mehr externe Ressourcen ein, die mir die Daten aufbereiten, die mir Vorschläge unterbreiten, wie ich damit umgehe. Ich bin dabei, dass dieses Thema Risikomanagement auf jeden Fall an Bedeutung gewinnt, weil das Versicherungsthema dann, wenn ich gewisse Deckung nicht mehr bekomme oder wenn sie sehr viel teurer werden, sicherlich noch einmal stärker in den Fokus gerät in den Unternehmen. Ich habe da keinen kompletten Marktüberblick, aber ich sehe auch nicht, dass signifikant die Versicherungs- oder Risikomanagementabteilungen in den Unternehmen vergrößert werden deshalb.

 

Philipp Thier: Vielleicht noch eine letzte beziehungsweise vorletzte Frage, bevor wir Richtung Ende kommen: Das Thema Kundenzentrierung nimmt in Versicherungsbereichen einen immer größeren Stellenwert ist. Wir hören und lesen im Industrieversicherungsbereich immer noch nach wie vor, dass die Versicherungsprogramme sehr komplex gestaltet sind, also Policen-Wordings haben achtzig, neunzig, hundert Seiten, die ohne juristischen Hintergrund kaum mehr verstehbar sind, die Strukturen werden immer undurchsichtiger im Moment, wenn man mit Layern arbeitet, Selbstbehalte. Ist das für Sie ein Thema, dass Sie sich da mehr Kundenzentrierung und vielleicht eine gewisse Vereinfachung wünschen würden? Oder sagen Sie, wir haben das Knowhow, wir können uns diese Komplexität erlauben?

 

Holger Kraus: Da spreche ich einmal für unser eigenes Unternehmen. Wir sind natürlich daran interessiert, dass das Deckungskonzept optimal auf unser Risiko passt und wir verfügen über relativ viel Knowhow im Unternehmen auf der einen Seite zum Thema Wording, Versicherungsbedingungen, und auf der anderen Seite zum Thema Strukturierung und Preisbestimmung. Von daher ist das für uns nicht wirklich das Thema, sondern wir sagen, wir nutzen diese Ressourcen, um das für unser Unternehmen optimale Programm zu strukturieren und umzusetzen. Grundsätzlich ist es durchaus so, dass gerade in dem Großindustriebereich es schon sehr wichtig ist, dass man die Programme auf die spezifische Risikostruktur zuschneidet und da hilft Ihnen letztlich ein Standardprodukt nicht wirklich weiter, weil Sie müssen intern kommunizieren können, wann diese Versicherung wirkt.

Ich gehe einmal von einem anderen Beispiel aus, was momentan relativ stark diskutiert wird in gewissen Bereichen, das sind die sogenannten parametrischen Deckungen. Das ist die maximale Standardisierung von einem Versicherungsprodukt, wo Sie sagen, wenn es an dem und dem Ort ein Erdbeben von der und der Größe gibt, gibt es einen Payout von X. Das ist ganz einfach, das wird dann auch schnell reguliert, aber wenn Sie so etwas kaufen, haben Sie natürlich als Unternehmen ein Basisrisiko, weil sozusagen der Payout von dieser Deckung korreliert nicht unbedingt mit dem Schaden, den Sie durch dieses Ereignis erlitten haben. Das ist ein bisschen der Bereich, in dem man sich bewegt. Will ich etwas Einfaches, wo ich sage, wenn A passiert, kommt B zum Zeitpunkt C, oder will ich sagen, wenn A passiert, möchte ich möglichst sicher sein, dass A zu 98 Prozent bezahlt wird. Dafür nehme ich ein gewisses Maß an Komplexität und zeitlicher Verzögerung in Kauf. Das ist dieses Grundsatzthema, was will ich mit der Versicherungsdeckung am Schluss erreichen, kommen Sie um diese Maßschneiderung der Police am Schluss nicht darum herum. Diese Frage muss sich letztlich jedes Unternehmen selber stellen. Was ist mir wichtiger und bin ich bereit, beispielsweise Basisrisiko sozusagen zu nehmen, wenn ich dafür Prozessvereinfachung oder Zahlungsbeschleunigung bekommen könnte? 45:20

 

Ansgar Knipschild: Das war das perfekte Schlusswort, Herr Kraus, die Frage an die Unternehmen, wie sie Risiko für sich definieren und welche Lösungsansätze sie haben. Vielen Dank für dieses wirklich spannende Gespräch, für die Einblicke auch in die Captive-Welt. Das ist für unsere Zuhörer auch ein zunehmend spannendes Thema und Sie haben da viel Licht ins Dunkle hereingebracht und ich glaube, dass unsere Zuhörer und wir in der letzten knappen Dreiviertelstunde, die wir hatten, eine Menge gelernt haben. Daher auch im Namen unserer Zuhörer noch einmal vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und bis demnächst.

 

Holger Kraus: Sehr gerne. Bis demnächst. Danke auch.

 

Philipp Thier: Danke. Servus.

 

Ansgar Knipschild: Tschüss.

 

Holger Kraus: Tschüss.

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