ID#44

06.07.2022

Hans Døhlen, Volante Germany: Smart Underwriting und Shareholder Activist Protection Insurance (SAPI) – ID#44

In dieser Podcast-Folge beschreibt Hans Døhlen, Managing Director bei Volante Germany im Gespräch mit Benjamin Zühr seine Gedanken zum Thema Smart Underwriting und Echtzeit Datenanalyse und die Einflüsse auf zukünftige Underwritingprozesse bei Versicherern und Assekuradeuren. Als Beispiel dient die eigens entwickelte Shareholder Activist Protection Insurance. Länge: 18 Minuten

Transkript

 

Benjamin Zühr: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrieversicherung Digital, dem Podcast der Industrieversicherung. Wir haben in den letzten Folgen häufig einen sehr stark technischen Fokus gehabt. Aus dem Grund haben wir heute einen echten Praktiker eingeladen hier in unseren Podcast, um die Digitalisierung und das Operative anzuschauen, also wie beeinflusst das eine das andere? Und ich glaube, es gibt wenige im Markt, die das besser beurteilen können als Hans Dohlen von Volante Germany. Herzlich willkommen, Hans!

 

Hans Dohlen: Hallo, Ben! Vielen Dank für die Einladung.

 

Benjamin Zühr: Sehr, sehr gerne. Hans, bevor wir richtig starten, magst du zwei, drei Sätze zu dir sagen und dich einmal kurz vorstellen?

 

Hans Dohlen: Gerne, Ben. Mein Name ist Hans Dohlen. Wie du hörst, bin ich Norweger, deswegen muss ich mein Deutsch immer ein bisschen üben. Aber das bekommen wir hin. Ich habe einen Background von Financial Lines. Ich war über zehn Jahre bei AIG, eine sehr gute Reise, und jetzt bin ich bei MGAA und Lloyd’s Syndicate, Volante Global. Ich bin der Geschäftsführer von Volante Deutschland. Das ging alles live am 1. Januar dieses Jahres. Wir sind eine Service Company unter Lloyd’s und gehen in den Markt live mit unserem ganz innovativen Produkt, Shareholder Activist Production Insurance.

 

Benjamin Zühr: Cool. Vielleicht kannst du nachher ausführlicher etwas dazu sagen, aber ich denke, den wenigsten Hörern wird das Unternehmen Volante Global etwas sagen. Vielleicht magst du einmal erzählen, was Volante Global genau ist, also was das Unternehmen auszeichnet, und vor allen Dingen, wie du da hingekommen bist.

 

Hans Dohlen: Ja, gerne. Das ist eine coole Story, glaube ich. Volante Global wurde 2017 gegründet, damals als ein MGA für Spezialisten. Deswegen hatten die auch verschiedene Underwriting-Teams mit ihren Kernfachleuten. Einer heißt Morten. Er ist in UK und macht Space Insurance. Wir haben ein Team in Skandinavien, das den Fokus auf Casualty und Financial Lines hat. Wir haben auch ein Motor-Team.

Als MGA und jetzt auch Lloyd’s Syndicate sind wir in den letzten Jahren schnell gewachsen und haben einen neuen Owner bekommen, Acrisure. Das ist ein großer US-Broker. Die Zukunft sieht sehr cool aus. Wir wollen im deutschen Markt wachsen und denken innovativ. Wir glauben wirklich an Data und Technology und daran, wie man das zusammenbekommt. 3:19

 

Benjamin Zühr: Ja, cool. Das hört sich spannend an. Vielen Dank, dass du kurz Volante vorgestellt hast und vor allen Dingen das Konzept hinter Volante. Erzähl einmal ein bisschen etwas zu deinem Produkt! Das ist ja schon sehr innovativ. Du hast gesagt, ihr seid erst vor kurzem live gegangen. Das heißt, es gab wahrscheinlich auch eine recht intensive und zeitaufwendige Phase davor. Was genau ist Shareholder Activism? Was genau deckt er ab? Wie genau funktioniert das Produkt?

 

Hans Dohlen: Viele Fragen, Ben. Ein Schritt zurück, ich habe meine Erfahrung in Financial Lines und dachte mir, spannend ist, zu schauen, was kann man von der Innovativität auf der Produktseite hineinbringen? Ich habe dann viel D&O gemacht und gesehen, es gibt Leute, die Shareholder Activists sind. Die sind Aktionäre in Gesellschaften, gehen in Firmen hinein und üben sehr viel Druck aufs Management aus. Die wollen ein paar Sachen ändern. Das können viele Sachen sein. Es können Governance-Sachen sein, dass sie einen Sitz im Board bekommen, um sich dort einzubinden. Es ist auch viel mit M&A, dass die sagen, sie sollten eine Sparte verkaufen. Oder sie gehen gegen einen M&A-Prozess an. Da machen die viele verschiedene Sachen.

Nach meiner Zeit bei AIG habe ich überlegt, was ist da möglich? Dann habe ich einen Business Case gemacht mit Shareholder Activism. Ich hatte eine Checkliste von allen Sachen, die man so checken musste, und habe gesehen, es gibt sehr gute Möglichkeiten, mit guten Daten zu arbeiten von verschiedenen Providern und einen Tech aufzubauen, der das zusammenfasst in ein Underwriting Model. Und das haben wir dann versucht, zu machen. 5:35

 

Benjamin Zühr: Das heißt, das Produkt steht und funktioniert. Die Risikobewertung, so wie ich es jetzt verstanden habe, wird gesteuert über Daten und dahinter liegen Algorithmen. Die Daten, hast du das denn selbst gebaut und die Technologie beziehungsweise die Algorithmen dahinter? Oder wo gab es das schon?

 

Hans Dohlen: Wir mussten ziemlich viel selbst machen. Man kann sich auch im Markt die ganzen InsurTechs anschauen. Da ist ein spannender Trend, man sieht sehr viele Firmen, die am Produkt arbeiten, also am neuen digitalen End-to-End-Prozess. Es gibt viele Firmen, die sich auf Daten spezialisieren. Jedes Jahr gibt es so viele neue Daten im Markt. Und da fragt keiner, was könnte man mit diesen neuen Daten versicherbar machen, was heute unversicherbar ist? Das fand ich ganz spannend. Das war am Anfang der Reise.

Der nächste Schritt war, zu schauen, wer sind die passenden Partner? Ich habe dann einen kleinen Data Provider gefunden. Damals waren die selbstständig als Activist Insight. Die wurden von einem Größeren gekauft, heißen jetzt Insight und sind spezialisiert auf Shareholder Activism. Das heißt, die haben eine große Datenbank. In Europa haben die über 1.300 Datensätze von verschiedenen Shareholder-Activist-Kampagnen. Das haben wir auf der einen Seite benutzt. Das ist mehr so von Loss Frequency. Und dann haben wir auf der anderen Seite geschaut, wo bekommt man gute Daten über börsennotierte Gesellschaften?

Börsennotierte Gesellschaften sind die einzigen, die einen Risk von Shareholder Activism haben. Und dann haben wir mit S&P Capital IQ einen Vertrag gemacht, einfach Basic Details, zum Beispiel die finanziellen Daten von den Firmen, dass man die hineinbekommt. 8:24

 

Benjamin Zühr: Das heißt, auf Basis der Daten kann dann das Risiko bemessen werden.

 

Hans Dohlen: Ganz richtig. Wir mussten versuchen, ein Modell aufzubauen, wo man sagt, man benutzt die Parameter Loss Frequency und Loss Severity. Da nutzen wir Real-Time Data von den zwei verschiedenen Datenbanken. Wichtig im Prozess war auch, zu schauen, dass die Daten zusammenpassen. Von Insight hatten wir Daten. Das Business-Segment mussten wir so anpassen, dass es vergleichbar ist mit der Datenbank von S&P. Daten aufräumen muss man immer, damit es Sinn macht. Das war ein wichtiger Teil des Prozesses, den wir am Schluss gut hinbekommen haben.

 

Benjamin Zühr: Cool. Und wenn jetzt ein Schaden entsteht, könnt ihr dann anhand der Echtzeitdaten auch sehen, dass da Einfluss genommen wird? Oder wie ist das? Wie kann man sich das vorstellen?

 

Hans Dohlen: Die Daten kann man immer in Realtime sehen. Es kommt ein bisschen darauf an, welche Daten. Einige Daten sind sehr dynamisch. Bei börsennotierten Gesellschaften ist klar, dass man bei Sachen wie einem Aktienkurs fast jede Minute einen Timestamp benutzen kann, um neue Daten kreieren. Andere Sachen sind weniger dynamisch. Zum Beispiel schauen wir, wer sind die Boards of Directors? Da denkt man, die Daten, die über zum Beispiel S&P verfügbar sind, sind nicht so weit. Man kann aber zum Beispiel das Alter der Boards of Directors direkt in die eigene Excel-Datenbank einpflegen. Wir benutzen Excel als Datenbank. Wir sind noch nicht so weit, es in eine größere Plattform einzubauen. Excel ist immer noch King. Wir müssen sehen, wie wir das in der Zukunft benutzen.

 

Benjamin Zühr: Gut, ihr seid ja auch noch ein junges Unternehmen und seid gerade erst gestartet. Das Konzept muss sich erst einmal etablieren und dann kann man immer noch schauen, dass man das auch technisch anders abbildet. Ich glaube, in den meisten Unternehmen ist Excel das Mittel der Wahl aufgrund dessen, dass es von jedem bedient werden kann. Cool, das hört sich total spannend an. Euer Produkt basiert ja wirklich extrem auf Daten. Das heißt, die Risikoanalyse basiert auf Echtzeitdaten, das Schadenmanagement funktioniert in Teilen auf Basis von Daten und Algorithmen.

Du sagtest auch, dass man immer mehr Informationen zu Unternehmensstrukturen, Board-Strukturen et cetera über Datenbanken zur Verfügung gestellt bekommt. Auf der Basis glaubst du, dass Daten dazu führen werden, dass heute im Zweifel nicht oder nur sehr schwer versicherbare Risiken versicherbar werden. Woran denkst du da konkret? Ich finde den Ansatz total spannend. Persönlich glaube ich auch ganz fest daran. Du kommst aus der Underwriting-Welt, machst das seit Jahrzehnten. Es wäre lieb, wenn du ein paar Beispiele nennst, woran du konkret denkst, vielleicht aus dem Financial-Lines-Sektor, aber auch aus dem Nicht-Financial-Lines-Sektor. 12:46

 

Hans Dohlen: Da muss ich überlegen. Ich war Financial Lines bei AIG in Norwegen. Beim Underwriting, wie ich es kannte, musste man die Daten selbst manuell aussuchen. Wenn man an die heutigen Underwriter denkt, sollte die Technologie so gut sein, dass der Prozess ganz anders ist. Das ist kein Suchen von Daten, sondern ein besseres Verstehen von Daten. Und das kann man in vielen Sparten besser machen. Mit unserem Produkt haben wir es so gemacht, dass man die ganzen Daten vor sich hat. Man muss selbst verstehen und fragen, wie beeinflussen die Daten die Kunden? Schnelle Entscheidungen. Zum Beispiel im D&O kann man wahrscheinlich immer noch bessere Prozesse machen beim Underwriting.

Es hängt auch vom Produkt ab. D&O hat verschiedene Trigger. Da ist es ein bisschen schwieriger. Mit unserem Shareholder-Activist-Produkt ist der einzige Trigger, dass die Firma einen Shareholder Activist gegen sich hat. Und da ist es ein bisschen einfacher, die ganze Modellierung zu machen.

 

Benjamin Zühr: Kannst du dir andere Sparten oder auch gerne Branchen vorstellen, wo du glaubst, dass Daten dazu führen werden, dass Versicherung noch einmal anders gedacht wird, beziehungsweise dass vielleicht auch nicht versicherbare oder schwer versicherbare Risiken versichert werden können?

 

Hans Dohlen: Ich glaube, man kann auch an InsurTechs denken. Eines meiner liebsten InsurTechs ist Concirrus. Concirrus hat Marine Underwriting ganz neu gemacht. Die haben es ganz anders als die klassischen Marineversicherer gemacht. Jedes Jahr bekommt man die Underwriting-Daten und das wird alles manuell von einem Underwriter gemacht. Man kann das so sehen, es gibt Datenwellen. Damals hatte man einen Zyklus von einem Jahr, in dem man sich die Daten anschaut. Es ist fast wie Musik. Hat man mehr Datenwellen, kann man sich die immer anschauen. Das ist natural bei Daten, finde ich.

Concirrus hat eine Plattform mit sehr vielen Daten, ich glaube, sie haben über vierhundert verschiedene Data Points. Und die können dann viel bessere Underwriting-Entscheidungen treffen. In welchen Sparten ist es theoretisch möglich, so etwas Ähnliches zu machen? Ich glaube, fast alles von Casualty, wo man mit Sensoren wahrscheinlich mehr an der Mitigation mithelfen kann, dass man nicht nur an Versicherungen, sondern mehr aktiv am Risk Management arbeitet. Und deswegen kann man Schadensverminderung machen, einspielen. Auch andere Sparten, sehr spannend finde ich persönlich auch Parametrics. Das kann die Welt echt sehr verändern und ich denke, da haben wir noch nicht so viel gesehen. Klar, bei Natural Catastrophes. Ich denke, für Property Casualty für Großkunden könnte es auch gut funktionieren und bei sehr vielen anderen Sachen. 16:55

 

Benjamin Zühr: Das ist schon spannend. Letztendlich ist es ja auch das, was wir hier im Podcast schon das eine oder andere Mal besprochen haben. Die parametrische Versicherung spielt da hinein, das hast du gerade gesagt, und natürlich auch die deutlich engere Verzahnung von Risikomanagement und Versicherungsmanagement. Und da vor allen Dingen der Fokus auf datenbasiertem Risikomanagement, dass man schaut, wie kann man Risiken von vornherein minimieren?

Ja, cool. Vielen lieben Dank, Hans! Es war sehr, sehr spannend, sich mit dir über das Produkt und über euren Ansatz zu unterhalten und zu lernen, was es heute schon für Möglichkeiten gibt, Produktmodelle über Daten digital abzubilden. Ich finde es extrem spannend und denke, ihr seid da schon sehr weit voraus. Da wird es bestimmt den einen oder anderen geben, der sich noch viele Gedanken darüber machen muss, wie heutige Modelle stärker datenbasiert abgebildet werden können, um auch in Zukunft bestehen zu können. Es wird viele neue Modelle geben, über die man heute noch gar nicht nachdenkt, die dann, wie du richtig sagst, auf Daten basieren. Vielen Dank für deine Zeit. Ich wünsche dir einen schönen Tag! 18:29

 

Hans Dohlen: Danke, Ben, ebenso.

 

Benjamin Zühr: Super. Und an unsere Zuhörer vielen lieben Dank fürs Zuhören. Bis bald, ciao!

 

Hans Dohlen: Ciao!

 

 

Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.

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