30.05.2022
Christian Fuchsenthaler, Fresenius: Digitale Kollaboration mit Industrieversicherern und Einführung RMIS – ID#42
Wie schließen Unternehmenskunden Digitalisierungslücken im Industrieversicherungsmarkt und stellen sich für die Zukunft auf? Christian Fuchsenthaler, Head of Insurance Fresenius SE & Co. KGaA, spricht über die derzeitigen Herausforderungen, die Bedeutung des Datenmanagements und die Erwartungen und Pläne zur Einführung eines Risikomanagement Informationssystem bei Fresenius mit Toni Klein. Länge: 48 Minuten
Transkript
Toni Klein: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts Industrieversicherungen Digital. Mein Name ist Toni Klein. In der heutigen Episode werden wir die Kundenseite in der Industrieversicherung ganz klar beleuchten und insbesondere auf die Einführung von Risk-Management-Systemen eingehen. Im Gespräch bin ich heute mit einem sehr spannenden Gast. Es ist Christian Fuchsenthaler von der Fresenius Group. Herr Fuchsenthaler, ich freue mich, dass Sie da sind.
Christian Fuchsenthaler: Vielen Dank für die Einladung.
Toni Klein: Sehr gerne. Ich würde Sie gerne den Zuhörenden ganz kurz vorstellen und Sie können sagen, ob ich das gut getroffen habe oder nicht. Sie sind tatsächlich ein echter Branchenkenner. Sie haben Ihre Karriere begonnen auf der Versichererseite, dort haben Sie mehrere Jahre gewirkt, dann waren Sie ganze zwölf Jahre bei verschiedenen, internationalen Maklerhäusern unterwegs und zuletzt auch auf Unternehmensseite bei der Siemens AG. Seit September 2021 leiten Sie bei Fresenius den Bereich Corporate Insurance, das ist sowohl operativ als auch strategisch und umfasst auch die Fresenius Versicherungsvermittlungs GmbH, den Inhouse Broker der Fresenius. Passt du ungefähr?
Christian Fuchsenthaler: Ja, das passt wunderbar. Genau.
Toni Klein: Ich habe es gerade gesagt, Sie waren schon viel unterwegs bei verschiedenen Häusern. Jetzt direkt meine erste und ich hoffe nicht ketzerische Frage: Wo hat es Ihnen bisher am besten gefallen?
Christian Fuchsenthaler: Das kommt tatsächlich aus meiner Sicht immer auf die Lebensphasen an und in welcher Konstellation man in dem jeweiligen Unternehmen tätig ist. Aus meiner Sicht gab es natürlich eine Episode am Anfang meines Berufslebens, wo ein weiter Teil meines heutigen Freundeskreises daraus resultiert, und das war natürlich rückblickend eine sehr schöne Station, weil man da heute immer noch ein Netzwerk und Kontakte hat, wo man sich sehr viel privat trifft. Das war natürlich sehr prägend. Darüber ist es so, dass man sagen, dass es auf der Kundenseite schon ein schönes Arbeiten ist, weil man dort die verschiedenen Unternehmensabläufe und durch die Einbindung von Versicherungen in das Gesamtunternehmen erhält man einen viel besseren Überblick, wie man das auf Brokerseite macht. Auf Brokerseite ist natürlich der Versicherungseinkauf oder die reine Versicherungstechnik eher im Fokus und das hat sich, seit ich meine Aufgaben auf der Unternehmensseite wahrnehme, schon deutlich verändert.
Toni Klein: Was würden Sie im Nachhinein sagen, war am spannendsten oder welche Seite vielleicht am stressigsten?
Christian Fuchsenthaler: Genau in diesen neun Jahren, wo ich auf der Brokerseite war, habe ich für amerikanisch geprägte Unternehmen gearbeitet und ich hätte gesagt, das ist von der Arbeitsbelastung schon führend. Auf der anderen Seite bekommt man dort als junger Mitarbeiter sehr viel Verantwortung. Die Führungsdichte ist dort relativ gering. Das heißt, die Mitarbeiter müssen dort sehr eigenverantwortlich arbeiten, was für junge Mitarbeiter bedeutet, dass man da extrem wachsen kann. Das würde ich einem 25-jährigen heute immer empfehlen, bei einem der drei großen, internationalen Broker seine Karriere zu beginnen, weil man da in sehr kurzer Zeit sehr viel Knowhow ansammeln kann.
Toni Klein: Das ist spannend.
Christian Fuchsenthaler: Von der Gesamtthematik ist es natürlich schon so, dass meine jetzige Position sehr interessant ist und für mich natürlich ein schönes Thema zum Lernen ist, weil ich das erste Mal in einer Holding angesiedelt bin, wo man unmittelbar am Vorstand dranhängt und da ganz andere Einblicke in die Arbeit des Vorstandes bekommt. So nah war ich natürlich bei Siemens da nicht dran. Da war man in der Hierarchie eher im Mittelbau und das hat natürlich da einen Riesenunterschied für mich in dem Einblick, wie ein Unternehmen sich entwickelt, wie die Gesamtunternehmensstrategie aussieht und wie sich ein Unternehmen intern verändert. 4:20
Toni Klein: Das ist ein gutes Stichwort. Wenn Sie über die Fresenius sprechen, was sind im Moment die dringendsten Themen von Geschäftsleitungssicht aus gesehen für Sie?
Christian Fuchsenthaler: Bei uns in der Versicherungsvermittlung ist tatsächlich das Personalthema ein Riesenthema, weil wir die letzten ein, zwei Jahre aufgrund von klassisch Mitarbeitern, die sich neu orientieren, aber auch Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen, personelle Veränderungen haben. Da gleich an die Zuhörerschaft: Wenn jemand Interesse hat, bei einem Inhouse-Broker zu arbeiten, bitte sprecht mich an. Ich führe sehr gerne immer Gespräche und wenn es für die aktuelle Position nicht passt, passt es vielleicht in der Zukunft.
Toni Klein: Das haben Sie schön gesagt. Was macht die Arbeit bei einem Inhouse-Broker im Vergleich zu einem nicht Inhouse-Broker aus? Vielleicht können Sie das noch sagen.
Christian Fuchsenthaler: Der Fokus bei einem Inhouse-Broker ist sehr stark auf das Risikomanagement des Unternehmens selber. Man versucht natürlich hier, auf die Risiken, die beim Unternehmen verbleiben, schon einzuwirken und erst, wenn die Risiken weitestgehend minimiert hat, versucht man, den Risikotransfer sicherzustellen. Auf der freien Versicherungsmaklerseite kommt man in Teilen immer zu spät. Da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, da ist ein Vertrag schon geschlossen und man versucht nur noch, mit den Rahmenbedingungen, die schon gegeben sind, damit umzugehen. Das hängt natürlich immer davon ab, wie professionalisiert der Kunde ist, mit dem man auf Maklerseite zusammenarbeitet. Das gibt es je nach Unternehmensgröße natürlich Unterschiede, aber vom Grundsatz her ist es schon so, dass die Finanzierung der Risiken über Versicherungen nur ein Teil unserer Aufgabe ist. Es ist nicht abschließend der Gesamtauftrag. Was man nicht unterschätzen darf, ist das ganze Thema Verteilung von Koste und, Group Controlling, dass man hier einen starken Überblick hat über die Aktivitäten im Versicherungsbereich, über die komplette Unternehmensgröße und natürlich, wenn man eine Deckung einkauft, dass die auch intern fair verteilt ist. Das heißt, man hat einen großen Fokus darauf, dass die Kostenträgerschaft auf den verschiedenen Kostenstellen richtig generiert werden, was auf Brokerseite ein Thema sein kann, je nachdem wie weit man darauf als freier Broker Zugriff hat beziehungsweise dafür vorgesehen wird, das zu machen, aber das ist keine Kernaufgabe.
Toni Klein: Wobei die Maklerschaft, das habe ich in Gesprächen hier in diesem Podcast erlebt, sehr stark daran interessiert ist und viel Engagement einsetzt, eigene Risikoprävention für ihre Kunden aufzubauen und dort verstärkt zu wirken, sozusagen schon am Anfang der Wertschöpfungskette. Da haben Sie natürlich Inhouse einen Vorteil, weil Sie näher dran sind und wahrscheinlich mehr Vertrauen genießen.
Christian Fuchsenthaler: Das hat sich in der Tat verändert. Das ist schon ein paar Jahre her, wo ich beim Broker war. Man versucht natürlich, neben dem Brot und Butter Geschäft, Platzierung von Versicherungen, noch weitere Themenbereiche auszubauen. Die Versicherungsmakler sind natürlich kreativ, weitere Einnahmequellen zu erschließen. Klar, das ist mit Sicherheit ein Punkt, gerade für den Mittelstand, weil hier die Prozesse noch nicht so umgesetzt sind, wie man das bei einem Großunternehmen erwartet oder es auch vorhanden ist. Von daher ist das eine breite Spielwiese für die Makler. Das würde ich schon sagen. Das ist ganz aktuell bei einem internationalen Versicherungsmakler, der den Bereich mit Leuten von den großen fünf Beratungshäusern platziert hat, von daher werden die da in Zukunft stärker mit Beratungsleistungen auf die Kunden zugehen wollen.
Toni Klein: Das bringt mich gleich zur nächsten Frage. Jetzt gucken wir von Kundenseite auf den Markt: Wie würden Sie im Moment den Stand der Digitalisierung, das ist ein wichtiges Thema und deswegen sprechen wir heute hier und darum geht es immer in diesem Podcast, beurteilen? Stand der Digitalisierung in der Industrieversicherungsbranche aus Kundensicht. 8:59
Christian Fuchsenthaler: Das ist ein Thema, was uns in der Tat in den letzten Veranstaltungen mit einigen Versicherern umgetrieben hat. In meinen Augen stecken wir da noch ein bisschen in den Kinderschuhen. Was aus meiner Sicht ein bisschen das Problem ist, ist, dass jeder Versicherer versucht, ein bisschen seine eigene Suppe zu kochen, und es für einen Kunden wie uns dazu führt, dass wir plötzlich mit vier, fünf, sechs verschiedenen Portalen umgehen müssen. Das geht aus meiner Sicht ein bisschen am Ziel vorbei. Wir würden uns viel mehr wünschen, dass uns der reine Content an Daten zur Verfügung gestellt wird.
Wir brauchen nicht irgendeine hübsche Plattform, wo wir darauf herumklicken können und ein Look and Feel für uns bereitgestellt wird, sondern es geht eher darum, dass wir die Daten international bekommen. Da tun sich einige Versicherer noch sehr schwer. Da geht es wirklich um triviale Dinge, wie ich hätte gerne eine Kopie der D&O-Police oder der Haftpflichtpolice in irgendeinem Land, wo ein Versicherer sich schwertut, obwohl das eigene Unternehmen die ausstellt, die bereitzustellen. Das eine ist, die Unterlagen und Informationen als PDF zu bekommen, das ist nett, aber viel schöner wäre es natürlich, wenn man die Informationen in einem Format bekommen würde, wo man sie selber verwenden kann. Da haben wir in der Tat noch nicht das Gefühl, dass wir da so angebunden werden können, dass das für uns passt.
Toni Klein: Diese Portale sind quasi ein Bemühen und ein Versuch der Versicherer ihren Kunden gegenüber, digitaler zu werden und digitale Schnittstellen zu bilden. Wenn sozusagen die Portale Schnittstellen bilden könnten zu Ihren eigenen IT-Systemen, das wäre natürlich die Krönung, wenn ich Sie richtig verstehe.
Christian Fuchsenthaler: Das wäre die Krönung, wobei das gar nicht zwingend eine Schnittstelle sein muss, weil bei uns die Datenfrequenz in der Größenordnung nicht da ist, weil wir bei der Fresenius Versicherungsvermittlung handhaben nur Risiken und Verträge der eigenen Gruppe. Wir haben kein Drittkundengeschäft und von daher würde uns schon reichen, wenn das Datenformat entsprechend wäre. Jetzt da eine Schnittstelle zu bauen, wäre der letzte Schritt. Wir sind noch gar nicht beim ersten Schritt.
Toni Klein: Ich habe es jetzt verstanden. Was Sie sich wünschen, ist, wie man in Bayern sagt, gescheites Reporting, die Möglichkeit, sozusagen das eigene Geschäft von Versicherungsseite betrachten zu können, um zu schauen, wo gehen die Kosten hin und wo liegen die Risiken und insbesondere, was Renewals natürlich betrifft, aussagefähig und verhandlungsfähig mit den Versicherern zu sein.
Christian Fuchsenthaler: Das ganze Thema Risikoinformationen hat man sehr stark zum Beispiel in der Sachversicherung, dass man die automatisiert an die Versicherer weitergeben kann. Da sind wir, das gebe ich zu, noch nicht so gut, aber ich habe noch nicht den Eindruck gewonnen, dass die auf Versichererseite darauf warten, dass wir das in einem elektronischen, automatisierten Format an die weiterreichen können. Es ist schon ein bisschen eine Wechselwirkung, dass man sich auf Kundenseite stärker aufstellt und natürlich gibt es in der Spitze mit Sicherheit schon einige Inhouse-Broker, die da schon sehr stark sind, und wir versuchen, das schon in unserer Strategie zu berücksichtigen, dass wir da in Zukunft unsere Hausaufgaben machen mit dem wohlwollenden Blick, dass das auf der Versicherseite auch gemacht wird.
Toni Klein: Okay. Ich hoffe, dass hat irgendjemand von den fünf, sechs Versicherern, die gerade bei Ihnen unterwegs sind, gehört. Sie haben gerade gesagt, Digitalisierung steckt noch in den Kinderschuhen. Sehen Sie Punkte, die die Digitalisierung antreiben würden, wo Sie sagen, das wäre gut, wenn das mehr passieren würde, also Treiber?
Christian Fuchsenthaler: Ich glaube tatsächlich, dass man miteinander reden sollte. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Versicherer erst einmal versuchen, ihre eigenen Themen voranzutreiben und das Feedback, was von der Kundenseite kommt, da spreche ich für die Großindustrie, vielleicht ist das im Mittelstand ein bisschen besser, aber in der Großindustrie sprechen wir mit den Versicherern schon relativ lange über solche Möglichkeiten. Ich konnte aber noch nicht erkennen, dass sich deswegen für uns etwas wesentlich verbessert hat. Die Versicherer, weil sie diesen Innenblick oder die Innenorganisation noch nicht gelöst haben, tun sie sich schwer, wenn sie noch nicht einmal ihre eigenen Hausaufgaben vollständig gemacht haben, gleichzeitig noch externe Stakeholder so anzubinden, die auch zufrieden sind. 14:16
Toni Klein: Wobei Sie kein externer Stakeholder, sondern das Zentrum aller Bemühungen sind, würde ich einmal behaupten.
Christian Fuchsenthaler: Das wäre schön, wenn das so wäre.
Toni Klein Das ist zumindest das, was ich höre, wenn wir hier im Podcast Gespräche führen.
Christian Fuchsenthaler: Ich glaube tatsächlich, dass man da innerhalb der Industrieversicherung noch einmal unterscheiden muss, mit welchen Kundensegmenten die Versicherer agieren. Ich verstehe das auch, dass Unternehmen in unserer Größenordnung, da gibt es den DAX40 plus die ganz großen Mittelständler, lassen Sie uns über fünfzig bis achtzig Kunden reden, dass da natürlich nicht für die Bedürfnisse eine riesen Sonderlobby gemacht wird, ist völlig verständlich, weil das Volumen oder der Hebel, den man erwirken kann, an Arbeitserleichterung durch eine digitalisierte Lösung ist natürlich begrenzt. Da fokussieren sich natürlich Versicherer eher auf das kleine und mittlere Unternehmenssegment, weil ich da einen ganz anderen Hebel habe und ich ganz andere Kostenstrukturen bauen muss, um solche Kundensegmente günstig abzubilden. Da darf man nicht unterschätzen, der ökonomische Faktor spielt auf der Versichererseite schon eine Rolle, warum man so agiert, wie man derzeit agiert.
Toni Klein: Das ist sehr entgegenkommend gerade von Ihnen.
Christian Fuchsenthaler: Ich kann die Welt nicht ändern und weil ich die Welt dort nicht verändern kann, das ist mit ein Grund in unserer Strategie, dass wir sagen, wir müssen unser Datenmanagement selber vorhalten, wir müssen die Daten auf Unternehmensseite so aufbereiten, dass wir damit unsere Schlüsse ziehen können. Wir können hier nicht warten, bis die Versicherer soweit sind, für unser Segment hier entsprechende Lösungen anzubieten.
Toni Klein: Das ist auch die Wahrnehmung: Das eine ist, die Abhängigkeiten als Resultat aus dieser Situation sozusagen zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten, das ist andere ist, dass man sich in diesem Markt kennt und man versucht, kooperativ miteinander zu arbeiten und gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Das habe ich in meiner Zeit kurzen in der Branche schon wahrgenommen. Das ist genau das, was Sie gerade bestätigen. Gibt es etwas, wo Sie sagen, Digitalisierung ist in jedermanns und jederfraus Munde? Gibt es einen Satz, wo Sie sagen, kann ich nicht mehr hören, ist einfach Bullshit Bingo?
Christian Fuchsenthaler: Nein, überhaupt nicht. Das ist nach wie vor ein spannendes Feld und am Ende ist es ein Faktor für die Professionalisierung des Versicherungsmanagements. Es gibt zum Beispiel viele Dienstleistungen von den drei großen, internationalen Brokern, die genau auf diesem Datenmanagement und Auswertungen, Analytics von Datenmanagement, beruhen und wir erhoffen uns natürlich, dass wir mit einem soliden Fundament, mit der Einführung unserer neuen Risikoinformations-Management-Software wieder einige Dinge im Bereich Analytics selber machen können, wo wir in der Vergangenheit hätten Geld ausgeben müssen. Ich verstehe die Digitalisierung als Enabler, sich hier professioneller aufzustellen und gegenüber gerade anderen Unternehmensteilen einen deutlich besseren Support bieten zu können. 17:39
Toni Klein: Wie ist das, baut ihr auch neue Rollen bei euch in den Teams auf? Wenn es um Datenmanagement geht, sind es eher analytische Fähigkeiten, Datenmanagementfähigkeiten. Wie macht ihr das?
Christian Fuchsenthaler: In der Tat machen wir das. Wir suchen gerade neben der Fachstelle, die wir haben, für den Bereich Transportversicherung suchen wir jemanden, der genau diese digitalen Projekte nach vorne treibt und im ersten Schritt ist es quasi der Bereich Corporate Insurance und im zweiten Schritt haben wir tatsächlich vor, unsere betriebliche Altersversorgung mit anzugehen. Dort haben wir noch hochmanuelle Prozesse, die heute nicht mehr zeitgemäß sind und unheimlich viele Ressourcen binden, was wir in Zukunft verändern wollen.
Man darf nicht vergessen, dass Digitalisierung aus meiner Sicht natürlich die Aufgabenstellungen für die Mitarbeiter dahingehend verändern, dass die Arbeit werthaltiger wird, weil administrative Aufgaben, die in der Vergangenheit dieses los-level Sachbearbeitung waren, fallen natürlich weg. Dadurch können sich die Mitarbeiter eher auf kreative Dinge konzentrieren und werden nicht den ganzen Tag mit repetitiven Dingen blockiert. Von daher ist das aus meiner Sicht wirklich ein ganz wichtiger Faktor, um die Stellenanforderungen oder die Arbeitsinhalte für die Mitarbeiter deutlich zu verbessern.
Toni Klein: Wir hatten vor einigen Episoden die Frau Dietsche von der AGCS im Podcast. Das war sehr interessant. Da war genau das Thema, wie sich die Qualifikation der Mitarbeitenden in der Branche, natürlich speziell bei AGCS, aber auf für alle anderen ändern wird. Sie hat das ganz klar gesagt, dass die Karrierewege für junge Menschen, die in die Branche einsteigen, nicht mehr so klassisch sind, wie sie einmal waren. Da kommen durchaus Leute aus der IT, die in die Branche wechseln und dort gefragte Personen werden, weil sie die analytischen Fähigkeiten und vielleicht die mathematischen Fähigkeiten, aber auch das digitale Verständnis von Prozessen besser verkörpern können als eine Generation, Sie haben es selber gesagt, dass bei Ihnen das Thema im Personalbereich ist, dass viele in den Ruhestand gehen und da eine größere Veränderungsbereitschaft gefordert sein wird. 20:04
Christian Fuchsenthaler: Die Anforderungen sind heute mit Sicherheit andere als vor zehn Jahren. Wir müssen trotzdem aufpassen, dass wir natürliche unsere Kernkompetenz dadurch nicht verlieren. Gerade für uns als Inhouse-Broker, wir sind zehn Personen, da kann ich natürlich vier IT-Experten anstellen. Ich brauche noch jemanden, der sich mit dem Thema Versicherungen auskennt. Von daher muss man schon gucken, dass man da eine vernünftige Balance findet. Wenn man Diversity nicht nur damit versteht, dass man sagt, ich brauche hier unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Sozialisierung, man muss es auch dahingehend verstehen, dass man unterschiedliche, berufliche Hintergründe benötigt in einem sehr breiten Team und darauf achten wir schon.
Wir haben eine Juristin, wir haben Kaufleute, eine der nächsten Stellen wird sein, dass wir jemanden mit einem IT-Projektverstand mit aufnehmen und, wenn alles gut läuft, vielleicht noch einmal einen Ingenieur. In meiner alten Welt hatte ich zum Beispiel einen Kollegen, das war ein Brandschutzingenieur und der hat sich mit dem Ingenieursknowhow in den Versicherungsbereich hereinbewegt. Das war für uns natürlich ein riesiger Asset, weil er natürlich gerade in der Schadenbearbeitung bei komplexen Großschäden ein viel größeres Verständnis hatte über die technischen Zusammenhänge, gerade bei der Identifizierung der Root Cause in einem Schadenfall, wo wir eher früher aussteigen. Da tut es natürlich einer gesamten Gruppe total gut, Inselbegabungen im Team zu haben, und wichtig sind verschiedene Inselbegabungen. 21:49
Toni Klein: Das ist spannend. Ich würde gerne einmal auf den Bereich digitale Versicherungsprodukte herüberschwenken, also Produkte, die es ermöglich, End-to-End-Prozesse zwischen den Marktpartner, zwischen Kunden, Maklern, Versicherungsunternehmen, zu gestalten und schneller und flexibler anzupassen. Wir sprechen in diesem Podcast oft über Standardisierung, wir sprechen über BiPRO und Open Insurance und all diese Initiativen. Aus Ihrer Sicht, Kundensicht, wie können solche digitalen Produkte und Prozesse noch besser standardisiert werden? Sind das Initiativen, die Sie begrüßen? Wie sehen Sie diesen Zusammenhang?
Christian Fuchsenthaler: Für den Punkt bin ich wahrscheinlich nicht der richtige Ansprechpartner, weil bei uns tatsächlich dieses Mengengerüst an Vorgängen in der Breite nicht da ist, dass das ökonomisch Sinn ergeben würde, hier eine Standardisierung oder eine BiPRO-Schnittstelle einzurichten. Wo wir dieses Thema natürlich diskutieren, ist im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Da ist, das muss man sagen, die Digitalisierung schon ganz anders vorangeschritten. Das kann man nicht vergleichen mit der Industrieversicherung. Dort gibt es Anbieter, die da eine End-to-End-Komplett-Outsourcing-Landschaft anbieten, wo man als Kunde überhaupt keine eigenen Ressourcen mehr beifügen muss. Oder man kann eine Software einführen, wo man selber diese Schnittstellen gleich mitgeliefert bekommt. Da ist aus meiner Sicht die Digitalisierung sehr weit.
Für den Industrieversicherungsbereich in unserem Segment bin ich mir tatsächlich unsicher, ob solche Schnittstellen überhaupt Sinn ergeben. Da würde ich einmal behaupten, dass die Anzahl der Vorgänge nicht ausreichen, damit sich das ökonomisch rechnet, solch ein Invest in die IT-Infrastruktur vorzunehmen. Von daher bin ich tatsächlich schon jemand, der sagt, viel wichtiger wäre es, dass die Versicherer und die Broker uns die Daten so bereitstellen, damit wir die auswerten können, sprich in CVS-Dateien und nicht in irgendwelchen PDF-Formaten oder noch schlimmer PowerPoint. Da erleben wir, und wir haben hier den internationalen Überblick, wenn ich auf unsere US-Kollegen schaue, die lokal mit amerikanischen Brokern zusammenarbeiten, da kommen die Renewal-Ergebnisse trotzdem per PowerPoint und nicht in einem CVS-Dateiformat. Klar, das hängt natürlich damit zusammen, wie man entsprechend im Partnermanagement die Prioritäten setzt. 24:39
Toni Klein: Das ist ein gutes Stichwort. Wenn wir über gemeinsame Prozesse sprechen, da gibt es etliche, auch wenn die Vorgänge nicht so häufig sind, Sie haben es vorhin gesagt, es wäre schön, wenn man einmal sprechen würde. Das wäre ein analoges Kollaborationsmodell quasi – reden, sich sehen und Dinge besprechen. Wir wollen natürlich über die digitalen sprechen. Der Austausch von PDF-Dokumenten ist zumindest ein Anfang. Er ist noch besser als Papier. Wenn Sie träumen könnten, wenn Sie sich etwas wünschen könnten, welches digitale Kollaborationsmodell wäre Ihre perfekte Welt, ein perfekter, digitaler Vorgang?
Christian Fuchsenthaler: Der perfekte Vorgang wäre natürlich, wenn wir hier eine eigene Softwareplattform haben, wo die Versicherer alle ihre Daten automatisiert darin updaten. Das wäre natürlich in Perfektion. Sodass wir keine Notwendigkeit mehr haben, auf die einzelnen Partner zuzugehen, um die nach Daten zu fragen, sondern dass wir quasi das Zentrum bilden, unsere eigenen Unternehmensdaten zu verwalten und wir mit jedem Partner hier eine Schnittstelle haben, wo uns automatisiert, es muss keine Live-Schnittstelle sein, dafür sind die Vorgänge zu wenig, aber in einem Monatszyklus die Daten hochgespielt werden.
Toni Klein: Wer würde diese Plattform bauen?
Christian Fuchsenthaler: Wir haben die Strategie, dass wir uns eine eigene Plattform anschaffen. Wir sind gerade dabei, eine zu bauen. Wir haben da nicht den Need, dass wir sagen, es muss irgendetwas zentralistisch für den Gesamtmarkt zur Verfügung gestellt werden, wo sich alle Unternehmen daran anbinden und der komplette Markt da vernetzt ist. Das ist nicht zielführend, weil es so ist, dass der Datenschutz und die Datenverfügbarkeit, da gibt es ganz viele Gründe, Compliance, Kartellrecht könnte auch ein Thema sein, dass das eher ein Modus sein muss, wo jedes Unternehmen für sich selber das Thema organisiert. Wenn man alleine schon ähnliche Ansätze fährt, sodass die Versicherer ihre Lösungen, die sie beim Kunden A machen, auch für B, C, D und E umsetzen können, das wäre schon hilfreich.
Toni Klein: Bedeutet das, wenn Sie eine digitale Plattform hätten und die Daten automatisch ausgetauscht würden, müssten Sie gar nicht mehr sprechen oder doch?
Christian Fuchsenthaler: Das wäre natürlich schön. Man muss da unterschieden. Dass man mit seinen Partnern sprechen muss, ist ganz normal. Wo wir heute sehr viele Ressourcen drauf verbringen, und das ist auf der Versichererseite genauso, ist, Transparenz an Daten zu Themen zu schaffen, die automatisch vorliegen müssten. Ich glaube tatsächlich, wenn wir in dieser Digitalisierung deutlich stärker wären, müsste man nicht mehr so viel Zeit darauf verbringen, erst einmal diese Transparenz herzustellen.
Ich merke das gerade in unserem Team, wenn wir bestimmte Teilaspekte überprüfen wollen über die Welt, wo aus unserer Sicht ein Versicherer den Überblick haben müsste, dass das nicht der Realität entspricht und da schon sehr viele Efforts auf unserer Seite, aber natürlich auch auf der Versichererseite entstehen. Wenn man hier Digitalisierung besser leben würde, würde sich das erübrigen und die Kollegen auf beiden Seiten könnten sich auf wesentlich wichtigere Dinge konzentrieren, nämlich auf die Lösung von Problemen und nicht auf das Zusammensammeln von Daten. 28:38
Toni Klein: Also das Zusammensammeln von Daten, die es sowieso gibt, die aber in verteilten Systemen sind, wenn sie überhaupt in Systemen sind, die, wenn sie zusammengeführt werden, in der Gänze nicht unbedingt vertrauenswürdig sind. Da sind einige Baustellen, die da sichtbar werden.
Christian Fuchsenthaler: Da gibt es natürlich den kompletten Blumenstrauß an Themen. Man muss sagen, es gibt natürlich Versicherer, die da besser sind. Da gibt es mit Sicherheit ein bis zwei Versicherer, die ich darin sehr stark sehe. Aber wenn man das einmal über die komplette Branche nimmt, gerade der Industrieversicherer, der für unser Kundensegment zuständig sind oder die dort Transferlösungen anbieten, da gibt es noch Luft nach oben.
Toni Klein: Ist es für Sie vorstellbar, dass sie in der Zukunft tatsächlich die Auswahl Ihrer Partner davon abhängig machen, wie digital unterwegs diese Versicherer sind, also wie gut digitale Zusammenarbeit in Zukunft aussehen könnte? Ist das eine gemeine Frage? Ich weiß es nicht. Sie müssen nicht darauf antworten.
Christian Fuchsenthaler: Nein, darauf kann ich etwas antworten. Da kann ich sofort sagen, das wäre schön, hätten wir so ein Marktumfeld, dass man da seine Prioritäten setzen könnte. Leider ist es so, dass die Versicherer zwischenzeitlich durch die harte Marktphase sehr selektiv unterwegs sind und die Bereitstellung von Risikotransfer die oberste Priorität ist. Sie hatten eingangs oder vorher schon einmal darüber gesprochen, dass wir so freundlich mit unseren Partnern umgehen. Das liegt natürlich daran, dass wir natürlich schon ein bisschen eine Symbiose bilden, dass der Industrieversicherungsmarkt Kapazitäten bereitstellt und wir als Großkonzerne uns nicht aussuchen können, mit welchen Partnern wir zusammenzuarbeiten haben, sondern dass es da naturgemäß natürlich eine Oligopolbildung gibt.
Durch die Oligopolbildung ist es so, dass das Thema Digitalisierung nicht die erste Priorität darstellt. Aber ich kenne Unternehmen, da ist dieses Thema schon in der Vergangenheit mit sehr hoher Priorität vorangetrieben worden. Das war gerade bei Unternehmen der Fall, wo eine Captive quasi mit im Spiel ist, weil dort logischerweise das Zurückbringen des Geldes, was aus dem Ausland nach Deutschland bezahlt wird und der komplette Zahlungsverkehr, der dranhängt, wir haben bis jetzt nur über Risiko- oder Policendaten gesprochen, aber wenn wir einmal ein bisschen tiefer einsteigen, geht es natürlich auch darum, wie quasi der ganze Zahlungsverkehr funktioniert. Wie lange dauert es, wenn einer in Kolumbien eine Prämie zahlt, bis die über die Rückversicherung wieder in Deutschland ist und von Deutschland bei der Captive? Diese Fähigkeit von einem Versicherer, wenn man darauf einen großen Wert legt, das kann natürlich schon dazu führen, dass man eher mit einem Versicherer A zusammenarbeitet als mit Versicherer B. Wenn man eine Unternehmenscaptive vorhanden, ist das in meinen Augen schon eher der Treiber. 31:52
Toni Klein: Sie haben es angedeutet, Sie tauschen sich mit anderen Unternehmen aus. Läuft so etwas auf regelmäßiger Basis? Sind Sie da organisiert oder wie läuft soetwas ab?
Christian Fuchsenthaler: Genau. Da gibt es den Gesamtverband der Versicherungsnehmer Wirtschaft und darüber sind wir als Großunternehmen organisiert. Da hätte einmal behauptet, ohne es genau zu wissen, dass alle deutschen Großunternehmen da Mitglied sind. Ich wüsste nicht, ob es irgendwelche Ausnahmen gibt. Mir fällt aktuell niemand ein aus den Top fünfzig bis hundert Unternehmen, der da nicht mitwirkt. Aus meiner Sicht ist das genau das Sprachrohr, was wir brauchen, um unsere Interessen gegenüber der Versicherungswirtschaft zu vertreten.
Toni Klein: Stichwort Oligopol, okay. Lassen Sie uns gerne einmal über das Thema Abhängigkeiten verringern und die eigene Expertise und Fähigkeiten, die es benötigt, intern aufzubauen, sprechen. Ich hatte es eingangs schon gesagt, jetzt bin ich nicht sicher, ob es das gleiche System ist, über das wir vorhin schon gesprochen haben, Sie sind im Moment dabei, ein Risk-Management-System zu planen und einzuführen. Was versprechen Sie sich konkret davon?
Christian Fuchsenthaler: In erster Linie natürlich die Professionalisierung unserer Prozesse. Aus meiner Sicht führt die Digitalisierung dazu, dass der Human Error deutlich reduziert wird. Das darf man aus meiner Sicht gerade in solchen Verteilungsprozessen nicht vergessen. Eines der großen Workflows, dass wir im Unternehmen haben oder was jedes Unternehmen hat, ist die Prämienallokation und je nach Sparte ist die ganz schön komplex. Wenn man so etwas in Microsoft Office Tools noch vornimmt, ist das natürlich hoch fehleranfällig, weil dann verschiebt man ausversehen einmal eine Formel, dann sind mehrere Mitarbeiter in einer Excel-Sheet mit drinnen und es ist ein hochmanueller Prozess und führt am Ende aus der manuellen Bearbeitung heraus trotzdem dazu, dass hier Fehler entstehen können.
Mit einer Lösung, die quasi diese Allokation automatisiert erstellt, sodass man Ende seine Regeln vorgibt, wir haben es bei uns festgestellt, wir haben zehn bis zwölf Regeln, die wir berücksichtigen müssen, das können zum Beispiel Mindestprämien sein, das können Unternehmensarten sein, die mit einem unterschiedlichen Prämiensatz versehen sind, das kann sein, dass in Auslandspolicen unterschiedliche Limits vorhanden sind, also all diese Regeln müssen da berücksichtigt werden und dann kann so eine Software diese Allokation am Schluss automatisch erstellen. Das führt dazu, dass man hier erst einmal keine Angriffsfläche mehr bietet vor irgendwelchen Fehlern und man hat die Möglichkeit, gerade auch mit unterschiedlichen Umsätzen versuchen zu spielen, wie könnte man die Allokation verändern und zu welchen Veränderungen würde das monetär zu den einzelnen Unternehmen führen? Das ist das eine und das andere ist, wir haben einen großen Bereich des Themas Schadenbearbeitung, dort arbeiten wir derzeit noch sehr händisch, und über dieses Tool können wir das komplette Thema Schadenbearbeitung über das Tool abwickeln. Das führt dazu, dass man diese klassischen Themen, die man in der heutigen Zeit ohne Tool noch hat, dass man zum Beispiel eine E-Mail zu einem Schaden bekommt, dann muss man die aus dem Outlook herausnehmen, muss die irgendwo in ein Tool herüberschieben, muss die vielleicht dummerweise vorher noch benennen vorher, vorher noch einen Ordner anlegen und muss vorher noch die Schadennummer heraussuchen.
Dieses ganze Thema wird dadurch völlig abgeschnitten, weil man sein Schreibtool bereits innerhalb der Software hat, sodass jede E-Mail, die man schreibt, damit schon automatisch abgelegt ist und schon mit der Versicherungsscheinnummer und der Schadennummer versehen ist. Das hat natürlich deutliche Vorteile. Was wir natürlich im Unternehmensumfeld erleben, ist, wenn ein neuer Schaden passiert, dass wir irgendwelche E-Mails bekommen, die, was die Informationslage anbelangt, nicht immer vollständig sind, und da hat man natürlich die Möglichkeit, mit so einem Tool über ein web-based Questionnaire hier alle Pflichtfelder so zu belegen, dass die Mitarbeiter dazu angehalten sind, die Informationen beizubringen, die wir benötigen, um im ersten Schritt den Versicherer so zu informieren, damit alle eine verfügbare Datenqualität haben, die dazu führt, dass der Prozess sich verbessert. Mit den beiden Prozessen fangen wir an.
Wir werden die Allokation digitalisieren, wir werden das Schadenmanagement digitalisieren und dann werden wir peu à peu natürlich weitere Themen da heransetzen, dass wir alle unsere Workflows, die wir momentan haben, in dieses Tool überführen. Was als Abfallprodukt entsteht, ist das komplette Corporate Reporting. Wenn ich natürlich alle Zahlungsprozesse und alle Allokationsprozesse über das Tool vornehme, generiere ich natürlich automatisch ein komplettes Reporting. Das Reporting wird natürlich weltweit auf die Versicherer bezogen und das ist der riesen Mehrwert, dass man plötzlich auskunftsfähig ist zu Themen, wo man heute noch händisch arbeiten. Ein Beispiel: Wie viel Prämie haben wir mit der Allianz? Da müssten wir hier überall in unsere Allokation hereingehen und schauen, wo ist überall die Allianz beteiligt, was ist das für ein Prämienanteil und das müssten wir manuell zusammenschreiben. So etwas wäre natürlich in Zukunft auf Knopfdruck verfügbar. 37:36
Toni Klein: Das alles sind Funktionalitäten eines klassischen Risk-Management-Systems? Weil für mich klingt es gerade wie eine kleine Plattform.
Christian Fuchsenthaler: Ohne da Werbung zu betreiben, da gibt es drei klassische Anbieter aus dem US-Markt kommend für Corporate Insurance Einheiten. Da ist wichtig, das sind eher Tools, die immer dann Sinn machen, wenn man kein Drittgeschäft betreibt und sich wirklich ausschließlich mit den Risiken des eigenen Unternehmens befasst. Da gibt es Ventiv, Riskonnect und Origami. Mit den drei haben wir gesprochen und mit einem der Partner werden wir das umsetzen. Aber von der Funktionalität sind die alle vergleichbar und es gibt bestimmte Abweichungen. Es hängt natürlich immer davon ab. Es gibt natürlich einige Unternehmen in Deutschland, die so ein Tool schon einmal vor zwanzig Jahren eingeführt haben, bei meinem alten Arbeitgeber war das zum Beispiel so, und das ist das natürlich ein Riesenunterschied, ob ich irgendwelche Legacydaten hier implementieren muss in so einem Tool oder ob ich da auf der grünen Wiese anfangen kann. Je nachdem, was für Anforderungen da individuell bei jedem Unternehmen hat, kann es natürlich schon Unterscheidungen geben, welches von den drei Tools ich da am Ende einführe.
Toni Klein: Das ist interessant. Das klingt nach einer großen Aufgabe. Wie viel Zeit geben Sie sich dafür? Wie gehen Sie da voran? Oder sagen Sie, ist es auch agil? Das wäre meine nächste Frage, eine typische IT-Frage. Fangen wir erst einmal mit der Zeit an. Es dürften mehrere Jahre sein, oder?
Christian Fuchsenthaler: Wir haben das Projekt quasi in Phasen aufgeteilt. Die erste Phase betrifft die Allokation und das Schadenmanagement und das wollen wir tatsächlich bis Ende des Jahres einführen, weil das die Basis ist für alle weiteren Themen. Man kann keine Property Value Collection, keine Sachversicherungswerte einholen, wenn ich vorher nicht die ganzen Unternehmen angelegt habe. Die Unternehmen lege ich an, wenn ich die Prämienallokation, wenn ich die mit Prämien belaste, und dann weiß ich, welche Unternehmen alle mitversichert sind. Wenn ich weiß, welche Unternehmen sind alle mitversichert, dann haben die auch alle Sachwerte und so baut das schon aufeinander auf, dass wir sagen, wir fangen damit an, quasi die Unternehmensstruktur sicherzustellen in dem Programm, die Prämienallokation umzusetzen, wenn somit die ganzen Policen angelegt sind, können wir auch mit dem Schadenmanagement beginnen und nächstes Jahr im Frühjahr wäre natürlich die Property Value Collection dran. Das ist der aktuelle Zeitkorridor, den wir da haben. 40:18
Toni Klein: Wie groß schätzen Sie Veränderungen für Ihre Mitarbeitenden ein, sowohl während der Einführung als auch dann, wenn das System live ist? Wie agieren Sie dort? Machen Sie ein klassisches Change-Management?
Christian Fuchsenthaler: Wir versuchen hier, mit externen Ressourcen noch zusätzliche Kapazität auf der Mitarbeiterseite zu generieren. Wir gehen davon aus, dass das am Anfang mit Sicherheit noch einmal ein Treiber sein wird für zusätzliche Aufgaben. Das lässt sich in meinen Augen nicht vermeiden, aber perspektivisch werden wir die Arbeitsweisen und die Arbeitsprozesse natürlich deutlich verändern und reduzieren. Da müssten wir uns vielleicht noch einmal in einem Jahr unterhalten, aber aktuelle glaube ich tatsächlich, dass dadurch, dass wir hier auf der grünen Wiese agieren, das Change-Management einfacher sein wird, als wenn man jetzt schon ein Tool hätte, was in seinen Grundzügen zu achtzig, neunzig Prozent funktioniert.
Ich glaube tatsächlich, dass das einfacher ist, diesen Kopfchange hinzubekommen, wenn man vorher noch gar keine digitalisierte Lösung hat, weil die Gefahr, dass man ein neues Tool einführt, was vielleicht Schwächen gegenüber dem alten Tool hat aber auch Stärken, da leidet natürlich die Akzeptanz viel eher darunter, als wenn ich noch gar nicht weiß, was für Stärken und Schwächen es gibt bei solchen Tools.
Toni Klein: Okay, das ist ein kleiner Bonus sozusagen, den Sie da haben. Es wird wahrscheinlich trotzdem im Laufe der Zeit aufregend genug werden und mit ganz normalen Rückschlägen und Anpassungsthemen. Ist das ein System, zu dem Sie Schnittstellen zum Beispiel für Ihre Versicherer anbieten? Es wäre ideal. Sie haben es eingangs gesagt, im Moment müssen Sie fünf, sechs, sieben Portale bedienen oder werden gebeten, das zu tun. Also, dass es eher so ist, dass Sie quasi den Spieß umdrehen und sagen, jetzt haben wir hier dieses System und jetzt hätten wir gerne von euch, dass ihr unser System füttert, ist das ein Weg, den ihr im Kopf habt?
Christian Fuchsenthaler: Ja, für 2023, 2024 ist das geplant. Erst einmal müssen wir natürlich unsere Hausaufgaben machen, aber sobald wir uns sicher sind, dass wir hier stabil die Daten verarbeiten können, die wir bekommen, werden wir auf unsere Partner zugehen und werden versuchen, die dahinzutreiben. Das habe ich schon in den letzten Gesprächen mit verschiedenen Versicherern schon angekündigt, dass wir uns in die Richtung aufstellen und dass wir da eine Erwartungshaltung haben. Inwieweit das realistisch ist, in welcher Form die uns die Daten zu Verfügung stellen können, das muss man abwarten. Vom Grundsatz her denke ich schon, den Weg, den wir jetzt hier bestreiten, haben viele andere Unternehmen in der Vergangenheit schon beschritten und da werden noch einige Unternehmen folgen. Wir haben schon das Gefühl, gerade in unserem (RFP?) für das Softwaretool haben wir mit vielen anderen Unternehmen gesprochen, auch international mit anderen Unternehmen gesprochen, und da haben wir schon festgestellt, dass da ein Trend da ist, dass man sich da professionalisiert.
Toni Klein: Auf Kundenseite?
Christian Fuchsenthaler: Ja, absolut.
Toni Klein: Sie hatten es anfangs gesagt, zum einen Lücken, die entstehen und die nicht gelöst werden und nicht geschlossen, selber für sich zu lösen, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Wenn wir in die Zukunft schauen, Anforderungen können sich ändern, wie flexibel schätzen Sie diese Systeme für die Zukunft ein, Sie haben gesagt, zehn, zwölf Regeln haben Sie ungefähr für diese Prämienallokation, diese in dem IT-System auf der Plattform quasi festzuschreiben? Ist es Teil Ihrer Vision, dass die Mitarbeitenden, die Fachbereiche zum Beispiel, Ihre zehn Mitarbeiter, diese Plattform selber verändern können? Stichwort Low-Code. Wir hatten es vor ein paar Episoden in diesem Podcast, dass praktisch Mitarbeitende, die keine IT-Fähigkeiten haben, keine Programmiersprachen beherrschen, trotzdem zukünftig in der Lage sein werden, durch die bereitgestellte IT-Infrastruktur bestimmte Prozesse selber zu modellieren? 44:37
Christian Fuchsenthaler: In der Tat haben wir uns genau für den Anbieter entschieden, wo wir die Wahrscheinlichkeit am höchsten angesehen haben, dass wir hier ohne externen Zutun Dinge verändern können. Das war mit eine der wesentlichsten Prioritäten, die wir hatten, weil wir Feedback von anderen Unternehmen eingeholt haben, die uns genau geschildert haben, dass das oft Roadblocks sind, dass da Flaschenhälse entstehen, was das Programmieren von Veränderungen anbelangt und von daher war das mit eins unserer Hauptthemen, die wir uns da angeschaut haben. Ob deswegen jeder Mitarbeiter in der Lage sein wird, hier eine Veränderung vorzunehmen, das bezweifle ich. Aber wir haben bei uns die Entscheidung so getroffen, dass wir sagen, wir möchten hier einen zentralen Multiplikator haben, der eher mit einem Projekt-IT-Sachverstand oder einer hohen Digitalisierungsaffinität hier bei uns im Team vorhanden ist. Wir sind zu zehnt, das ist nicht übertrieben groß, und wenn eine Person hier als Multiplikator fungiert, müsste das dem Thema genügend Rechnung tragen.
Toni Klein: Dann bin ich gespannt. Ich nehme Sie beim Wort, wir sprechen uns in einem Jahr und dann führen wir das gleiche Gespräch noch einmal mit neuen Erkenntnissen. Sehr gut. Gibt es außerdem noch ein Thema, was Sie bewegt oder ein Herzensthema, was Ihnen wichtig wäre, wo Sie sagen, das würde ich gerne noch einmal kurz äußern, etwas für die Zukunft, was Sie sich wünschen?
Christian Fuchsenthaler: Genau diese Bereitschaft auf der Versichererseite, was das Datenmanagement anbelangt, dass, sobald wir unsere Hausaufgaben gemacht, die Versicherer sich soweit aufgestellt haben, uns die Daten so zur Verfügung zu stellen, damit wir die verarbeiten können, weil nur dann wird natürlich das Potenzial von so einer Plattform vollständig ausgeschöpft.
Gerade zum Thema Property Risk Consulting, wo alle in der Vergangenheit gewohnt waren, dass die Reports von den Ingenieuren in einem schönen PDF, mit Bildern und irgendetwas zum Durchblättern gemacht worden sind, das ist natürlich nicht mehr zeitgemäß, sondern dieses ganze Knowhow, was in so einem Report drinsteckt, das muss auswertbar sein. Da muss ich in mein Tool gehen, muss draufklicken, welcher Standort hat welche Sprinklerung. Dann drücke ich da auf hundert Prozent Sprinklerung, kommen bei mir einfach als Beispiel zwanzig Standorte von hundert. Mittlere Sprinklerung, also teilweise Sprinklerung fünfzig und gar keine Sprinklerung zwanzig. Da muss ich nicht immer in jeden Report hineinschauen, wo ist da unser Standort gesprinklert. So gibt es natürlich noch ganz viele weitere Themen, die da eine Rolle spielen. Da müssen wir uns insgesamt noch einmal genau anschauen, wie wir in Zukunft Informationen austauschen, sodass die verwertbar sind. 47:53
Toni Klein: Herr Fuchsenthaler, vielen Dank für das sehr aufschlussreiche und sympathische Gespräch.
Christian Fuchsenthaler: Vielen Dank, Frau Klein.
Toni Klein: Bis zum nächsten Jahr. Tschüss.
Christian Fuchsenthaler: Tschüss.
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