05.02.2021
Die neue Rolle der IT bei Maklern – ID#10
Die Digitalisierung ändert in fast allen Branchen lang bekannte, geübte Abläufe und Tätigkeiten. Besonders immer dann, wenn papier- oder dateibasierte Prozesse (inklusive Fax, PDF & Co.) digitalisiert und möglicherweise teilweise automatisiert werden, ändern sich auch Anforderungen an die Mitarbeitenden.
In dieser Folge gibt es dazu mal ein anderes Setting: Ansgar Knipschild und Benjamin Zühr werden von Daniel Rasch (mgm technology partners) befragt.
Länge: 22:30 Min.
Transkript
Daniel Rasch: So, ich freue mich jetzt auf ein neues interessantes Gespräch. Hallo Benjamin, hallo Ansgar.
Benjamin Zühr: Hallo.
Ansgar Knipschild: Hallo.
Daniel Rasch: Wir haben ja ein schönes Thema heute. Aber bevor wir da einsteigen, mögt ihr euch bitte vielleicht kurz vorstellen? Benjamin, du zuerst vielleicht?
Benjamin Zühr: Ja, sehr gerne. Ja, auch von meiner Seite hallo zu diesem Podcast. Mein Name ist Benjamin Zühr, ich arbeite für GGW und leite den Bereich Digitalisierung und IT bei GGW seit anderthalb Jahren, und kümmere mich vor allen Dingen darum auch, wie sich quasi die Maklerwelt in Zukunft unter Berücksichtigung natürlich digitaler Einflüsse entwickeln wird.
Daniel Rasch: Danke. Ansgar?
Ansgar Knipschild: Ja, sehr gerne. Hallo zusammen. Mein Name ist Ansgar Knipschild. Ich arbeite bei mgm technology partners im Industrieversicherungsteam als Projektleiter und Berater, und ja, bin also häufig an den Schnittstellen auch von Markt, also sprich Versicherer- und Maklertechnologie, und auch vielen Innovationsthemen.
Daniel Rasch: Gut. Das passt ja zu dem Thema. Wir haben das ja im Vorfeld so versucht, ein bisschen zu schärfen, und sind gelandet bei einer Frage, die da heißt, welche Rolle übernimmt zukünftig die IT bei Industrieversicherungsmaklern, was sich in unseren Vorgesprächen als sehr, sehr wichtig und zentral für die Digitalisierung in der Branche herausgestellt hat. Benjamin, warum ist das so wichtig?
Benjamin Zühr: Na ja, ich glaube im Endeffekt müsste man sich ja überlegen, wie sieht zukünftig überhaupt die Arbeitswelt beim Versicherungsmakler und speziell auch beim Industrieversicherungsmakler aus? Und momentan ist es halt so, dass wir sehr, sehr individuelle Konzepte, vor allen Dingen für unsere Kunden bauen, und auch mit den Versicherern verhandeln, was aber im Umkehrschluss natürlich zu sehr, sehr viel Individualität führt, was teilweise sehr gut ist, und teilweise aber auch natürlich mittelmäßig gut, weil jeder quasi seinen eigenen Qualitätsstandard auch definieren kann. Und deswegen wird natürlich drüber nachgedacht, wie man auch in einem hochgradig individuellen Geschäft immer stärker auch Prozesse einführen kann, und dafür ist es einfach wichtig, um im Dienstleistungsgewerbe quasi Prozesse einzuführen, ist es unglaublich wichtig, Technik den Menschen zur Seite zu stellen, die den Menschen quasi leitet oder unterstützt, um einheitliche Qualitätsstandards zu haben, und natürlich auch, um effizient zu sein, und gegebenenfalls auch, um standardisierte Prozesse innerhalb der gegebenenfalls individuellen Vorgehensweise auch zu unterstützen und effizienter zu machen. So, und da muss man sich halt einfach überlegen, wie genau geht das? Meiner Meinung nach ist das nur möglich mit Technik, und eben nicht nur mit standardisierter Technik, sondern es muss halt hochgradig flexible Technik sein zum einen, und zum anderen muss aber auch der Mensch, der quasi die Technik bedient, immer mehr auch Fähigkeiten besitzen, diese entwickeln zu können, und auch prozessual denken zu können.
Daniel Rasch: Erst mal zum ersten Teil zurück. Die Rolle, nehme ich doch mal an, ist, die These wird sich massiv erhöhen, verstärken, im Vergleich zu der IT-Rolle, wie sie jetzt ist. Ihr habt ja wahrscheinlich bei GGW auch eine IT, und diese Rolle wird sich ändern. Oder?
Benjamin Zühr: Ja, also im Endeffekt ist es ja so, dass IT bisher eher als ein, also das hört sich ein bisschen blöd an, aber wurde quasi als notwendiges Übel in der Vergangenheit betrachtet. Man brauchte es halt, um Dinge zu bearbeiten, aber der direkte Nutzen in Prozesseffizienz etc., der war häufig nicht spürbar. Es war eine Sache, die quasi benötigt wurde, um gewisse Arbeiten tätigen zu können. Ich glaube, zukünftig wird die IT einfach eine ganz neue Rolle bekommen. Also im Endeffekt, ja, genau. Und im Endeffekt muss jeder Mitarbeiter zukünftig auch ein immer größeres Verständnis haben, IT zu bedienen, IT vielleicht auch zu definieren, und somit glaube ich, dass die IT-Abteilung als solche vielleicht gar nicht unbedingt den riesen Unterschied spüren wird, sondern viel mehr wird die IT-Abteilung eigentlich viel, viel größer, weil Mitarbeiter, die heute rein operativ tätig sind, immer stärker auch die IT-Abteilungen in ihren Aufgaben unterstützen.
Ansgar Knipschild: Wenn ich da mal direkt einhaken darf, Benny? Ist glaube ich eine ganz spannende Beobachtung, denn, wenn ich mal so schaue, wie mgm so in der Rolle als, nennen wir es mal IT-Dienstleister unterwegs war, und gerade so vor zehn Jahren vielleicht noch, dann waren unsere natürlichen Ansprechpartner bei Projekten in der Versicherungsbranche die IT-Abteilungen sehr stark. Und das kommt glaube ich historisch daher, dass irgendwann mal in dem Split Fachabteilungen, IT-Abteilungen sich die IT-Abteilungen entlang der eingesetzten Technik so ein bisschen organisiert hat, ne? Dann wurde, ich nehme jetzt mal so ein Beispiel, SAP eingeführt, und dann war die IT halt für SAP zuständig, oder für ein anderes System, und es gab eine gewisse Trennung zwischen Fachbereich und IT. Es wurde eben mal so ein bisschen augenzwinkernd notwendiges Übel genannt. Und ich glaube, durch Digitalisierung ändert sich das jetzt nochmal, weil IT sozusagen bestimmender Faktor der Geschäftstätigkeit wird. Er ist jetzt nicht mehr nur ein Vehikel, sondern man merkt, die digitale Leistung an sich wird Business, ne? Also IT ist Business, und Business ist IT. Das ist so ein geflügeltes Wort. Und deshalb glaube ich, dass das Zusammenspiel von, nenne wir es mal klassisch Fachbereich und IT, die Kompetenz, das gut zu spielen, dass es eine Qualifikation sein wird in Zukunft, ne? Dass man also die Chancen der Digitalisierung damit begreift, sowohl von der fachlichen Seite her, und von der IT-Seite her. Auf der einen Seite die fachlich orientierten Kollegen, zum Beispiel in einem Maklerhaus mehr zu unterstützen, dass sie direkt in digitale Prozesse eingreifen können, mitgestalten können, mit bauen können vielleicht sogar, mit neuen technischen Ansätzen. Und umgekehrt aber auch die IT-Leute ein bisschen aus ihrem Silo rauskommen, aus ihrem rein an der Technik orientierten, ich hatte eben das SAP-Beispiel, hin zu ich arbeite mit im Business, weil nur dann kann man eigentlich diese neuen Anforderungen im Markt, die da sind an Geschwindigkeit, aber auch an neuen Geschäftsmodellen im Rahmen der Digitalisierung hinkriegen. Und das bedeutet glaube ich für beide Seiten, klassisch den Kunden, so nenne ich jetzt mal zum Beispiel den Makler, und den Dienstleister, zum Beispiel den mgm, auch schon eine neue Rollenverteilung. Man macht das wirklich zusammen, partnerschaftlich, ne? Und das ist für mich das Neue. Ist seit den letzten fünf Jahren vielleicht, dass sich dieses Modell immer stärker so herauskristallisiert am Markt, ne?
Daniel Rasch: Und die berühmten interdisziplinären Teams reichen da nicht aus? Also, dass jemand aus der Fachabteilung mit extremem Versicherungswissen und ein ITler zusammenarbeiten in einem Team?
Benjamin Zühr: Also unsere Erfahrung ist, dass dadurch in Teilen sehr starke Reibungsverluste entstehen, und wir haben persönlich die Erfahrung gemacht, dass die Reibungsverluste deutlich verringert werden, wenn Personen miteinander sprechen, die von beidem Ahnung haben. Also sicherlich kann das eine stärker ausgeprägt sein als das andere, aber in dem Moment, wo das eine so gar nicht da ist, dann wird es halt schwierig, weil wenn der ITler nur in IT denkt, und gar nicht in den Prozessen oder in dem operativen Verständnis, dann ist es einfach komplett was anderes als wie vielleicht der Versicherungsexperte denkt. Und das wichtigste ist glaube ich, da ein einheitliches Verständnis aufzubauen, und zu sagen, okay, ich verstehe sowohl die eine als auch die andere Welt.
Ansgar Knipschild: Dafür brauche ich Verständnis?
Daniel Rasch: Ja?
Ansgar Knipschild: Ich wollte nur mal unterscheiden, wofür braucht man das Verständnis? Ich glaube, dafür braucht man Kommunikation, also die Offenheit von den beiden Bereichen, wenn wir sie nochmal in diesen klassischen Lagern sieht. Ich glaube aber auch, dass man sie wirklich auch operativ unterstützen muss, dass man also im Arbeiten im Digitalisieren von Prozessen, von Geschäftsmodellen, sowohl eben den fachlich Denkenden, den Makler, den Underwriter, und den IT-Mitarbeiter auch von den Werkzeugen her näher zueinander bringt, dass sie wirklich gemeinsam etwas arbeiten, und eben nicht nur an einem Whiteboard was malen, ne? Das entwickelt sich auch erst so langsam, diese Methodiken, zusammen mit dem agilen Denken sicherlich. Aber auch technisch geprägt, wie kann ich mit Tooling, mit bestimmten Arten von Dokumentation, mit Werkzeugen, auch hier die Grenzen ganz bewusst versuchen, niederzureißen sozusagen, ne?
Daniel Rasch: Wer muss denn da mehr lernen? Muss der ITler mehr vom Versicherungsexperten oder umgekehrt lernen? Oder kommt es darauf vielleicht gar nicht an?
Ansgar Knipschild: Die Antwort überlasse ich Benny.
Benjamin Zühr: Also ich glaube persönlich, dass beide von beiden lernen müssen. Also entscheidend ist, dass es sich dabei nicht um ein Projekt handelt. Es handelt sich also um keine Sache, wo man sagt, damit fängt man an, und dann gibt es ein hartes Ende. Sondern es geht wirklich darum, Dinge permanent miteinander weiterzuentwickeln. Und ich glaube, das ist halt ganz, ganz wichtig, dass man eben versteht, dass es nicht so ist wie vielleicht bisher, dass man sagt, okay, ich nehme mir jetzt eine Software, und versuche, die jetzt irgendwie im Unternehmen zu implementieren. Sondern es geht darum, einen gemeinsamen Arbeitsraum zu definieren, der sowohl IT als auch Fachlichkeit beinhaltet, und dieser muss sich ja dauerhaft mit den individuellen Kundenbedürfnissen auch weiterentwickeln.
Ansgar Knipschild: Ja. Ich glaube, ich habe eine ähnliche salomonische Antwort wie Benny. Also beide müssen voneinander lernen, und ich glaube, ein Schlüssel ist der Kunde, also der Endkunde. Nehmen wir mal hier den Versicherungsnehmer, das Unternehmen, das durch eine Industrieversicherung versichert ist. Wenn sich sowohl ein fachlich an eine Businesslösung denkender Mensch und ein IT-Mensch Gedanken machen, wie kann ich eine Lösung bauen, die für den Kunden nutzenstiftend ist, dann kommen wir auf einen sehr spannenden Pfad, ne? Wenn jeder praktisch seine Sicht so ein bisschen überbrückt. Der ITler, der vielleicht viel zu sehr schon in, Corner Cases nennen wir das immer, sehr extremen Randsituationen denkt. Was passiert, wenn das und das und das ist? Und das ist vielleicht gar nicht in der Praxis so relevant. Und auf der anderen Seite der Businessmensch, ich nennen ihn jetzt nochmal so, der vielleicht gar nicht weiß, wie man was mit bestimmten Technologien oder innovativen Ansätzen machen kann. Wenn es gelingt, da immer wieder in einer Diskussion den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken, und zu überlegen, wie können wir auch mit Hilfe von Technologie, aber auch mit Hilfe von innovativem fachlichen Denken das Ding voranbringen, dann werden wahrscheinlich beide sehr viel lernen durch Öffnung der Perspektive, und idealerweise wirklich, ja, das Unternehmen und das Geschäft nach vorne bringen, was ja eigentlich unser aller Ziel ist, und das beide vereint.
Daniel Rasch: Das hört sich aber so ein bisschen danach an, als ob dann die Versicherungsexperten dieser Welt zukünftig auch User-Interface-Designkenntnisse haben müssten. Die müssen wissen, was ein MVP ist. Vielleicht haben sie im besten Fall schon mal Scrum gehört. Kann man das in der Ausbildung von Versicherungsfachwirten integrieren? Oder ist das eher on the Job ein Lernen, Benjamin?
Benjamin Zühr: Ich glaube persönlich, dass vor allen Dingen die Software so einfach sein muss, dass sie wirklich jeder bedienen kann, und vielleicht auch gegebenenfalls verändern kann. Also sicherlich wird das nicht jeder können. Aber ich glaube, jeder kann definieren, was er braucht, beziehungsweise was sein Kunde braucht, und ich glaube, das ist halt einfach wichtig. Und natürlich wird es immer Personen geben, die stärker im Bereich IT sind, und immer Personen geben, die stärker im Bereich Fachlichkeit sind. Aber ich glaube persönlich, und das hat ja Ansgar auch schon gesagt, das ganze Thema Kommunikation, das ganze Thema Austausch, das ist es am Ende, worauf es ankommt. Plus sich offen zeigen auch für den Bereich, wo man vielleicht bisher noch nicht so die Stärken hat. Weil ich glaube, wenn das der Fall ist, und wenn diese beiden Expertisen einfach näher zusammenrücken, dann ist man einfach ein ganzes Stück weiter in Richtung Zukunft und Richtung Digitalität.
Ansgar Knipschild: Wenn man mal die dahinterliegenden Prinzipien nochmal anschaut, gerade vielleicht von dem großen Modethema Agilität, was in aller Munde ist schon seit mehreren Jahren, dann steht ja auch sogar im berühmten Agilen Manifest das/ Ich weiß gar nicht, wie alt ist es jetzt? Zehn Jahre würde ich jetzt mal so sagen, mindestens. Dass die Kommunikation über Verträgen steht. Ich glaube, das ist der erste Teil vom Agilen Manifest, und dann sind wir wieder bei diesem Begriff. Es geht also weniger um das Lernen von solchen Sachen, die du gerade sagtest, Daniel. MVP, User Interface und Scrum, das sind ja Expertendisziplinen im Zweifelsfall. Ich glaube, die dahinterliegenden Prinzipien, wenn man sich wirklich öffnet, wenn man nicht den Nutzen, also für den Kunden/ Das ist da ja immer so ein bisschen mein Credo. Aus den Kunden verliert, und offen miteinander, dann steuert man da auf ein Ziel zu, und macht es praktisch automatisch im Sinne von agil, MVP und so weiter, und so weiter, ne? Da hilft natürlich das Knowhow, wie macht man es ganz konkret? Indem man vielleicht auch sicherlich die eine oder andere Schulung mitnimmt, aber am weitesten doch auch ein sehr individuelles Thema ist, das in jedem Unternehmen auch ein bisschen anders gelebt wird, wie auch die Chancen für Digitalisierung oder für den Change wahrgenommen werden, muss man es doch immer sehr, sehr stark auch adaptieren. Und da muss man auch fast schon wieder ein bisschen vorsichtig sein, dass man einige der Thesen, also gerade auch im agilen Umfeld, nicht auch wieder zu wortwörtlich nimmt, und sagt, ah, ich habe aber gelernt, ein Scrum Master muss das und das tun. Wenn es zur Organisation nicht passt, muss man auch das mit einem kleinen Fragezeichen versehen und so gut machen, dass es funktioniert, ne?
Daniel Rasch: Das heißt, Benjamin, wird denn bei euch nachgeschult, und gibt es überhaupt im Weiterbildungsmarkt solche Angebote, die für euch zugeschnitten sind, um tatsächlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahin zu begleiten?
Benjamin Zühr: Also bisher zumindest die Maßnahmen, die ich kenne, die sind noch nicht in die Richtung. Also es gibt natürlich Schulungsmaßnahmen in allen möglichen Disziplinen, aber ich glaube persönlich, was wirklich wichtig ist, dass vor allen Dingen die fachlichen Kollegen halt auch immer stärker in eine Prozessperspektive reinkommen. Ich glaube persönlich, da muss man einfach eng auch mit einem Partner zusammenarbeiten, der genau in dem Bereich Fähigkeiten hat, und die Mitarbeiter Schritt für Schritt dorthin entwickeln. So, und dann auch ein bisschen individuell gucken, wo hat der seine Stärken, und je nach Ausprägung einfach gucken, okay, wo genau schulen wir, und wo ist es vielleicht auch sinnvoll, einfach mal Themen vielleicht auszulassen? Genau, aber meiner Meinung nach gibt es in dem Bereich so explizit noch nichts, wo es richtige Schulungsprogramme in die Richtung gibt.
Daniel Rasch: Das heißt, kleinere Makler haben da sogar noch größere Probleme, entsprechend auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzuschulen?
Benjamin Zühr: Ja, ich glaube, das Problem ist momentan nicht mal so sehr kleiner Makler, großer Makler. Also beziehungsweise in dem Fall. Also Schulung ist da gar nicht das Thema, weil ich glaube, das Problem ist viel mehr, überhaupt erst mal eine Software zu finden, die so flexibel ist, dass sie auch entsprechend von Nicht-ITlern wirklich so bedient werden kann, weil bisher die Standardsoftwareprodukte, zumindest in unserer Branche überhaupt nicht dafür gemacht sind.
Daniel Rasch: Ist sowas denn möglich, Ansgar? Eine Software, die von Nicht-ITlern trotzdem noch weiterentwickelt, ich sage jetzt mal programmiert werden kann?
Ansgar Knipschild: Das ist möglich, weil es ja Methoden gibt. Stichwort wäre da modellgetriebene Entwicklung, Low Code als Schlagworte. Also wo man probiert, auch ohne Kenntnisse einer Programmiersprache Teile der Applikationslogik/ Also wie funktioniert zum Beispiel mein digitales Versicherungsprodukt? Wie geht denn der Prozess? Dort abbilden zu können. Also ich glaube, so ein Sinnbild dafür ist, wenn ich in Excel was definieren kann, bin ich so einen guten Schritt in Richtung Programmierung unterwegs. Excel ist da ein sehr hemdsärmeliges Bild mal. Und wir haben uns das ja auch auf die Fahnen geschrieben hier bei uns im Haus, dass wir halt sagen, okay, bestimmte Teile/ Niemals die komplette Anwendung. Das hat alles immer Grenzen natürlich auch. Aber bestimmte Teile, zum Beispiel rund um ein digitales Versicherungsprodukt kann ich auch ohne Programmierkenntnisse, mit einem gewissen Schulungsaufwand sicherlich, aber kann ich dort abbilden, indem ich dort Rechenregeln, Tarife, logische Regeln für die Ein- und Ausgabe von Risikofragen, oder eben auch die Dokumentation, wie entsteht ein Angebot, ein Antrag, eine Police? Wie sieht die aus? Unter welchen Regeln werden die abgebildet? Bauen kann. Und das wäre so ein Thema, was ich eben nochmal kurz angedeutet habe, dass man also noch mit ganz konkreten Lösungen, mit Tools, mit auch Arbeitsmethodiken hier Fachbereich und IT zusammenbringen kann. Also weg von dem Bild Fachbereich probiert mit langen Anforderungsspezifikationen der IT klarzumachen, was sie brauchen. Dann dauert es zig Wochen, bis vielleicht die IT was entwickelt hat. Dann geht es in den Test, und dann sagt der Fachbereich, habe ich mir aber ganz anders vorgestellt, viel schneller hin zu Fachbereich hat etwas digital dokumentiert. Nennen wir es mal so, und es kann schon am nächsten Tag mal in der Anwendung ausprobiert werden, ob es in die richtige Richtung geht, ne? Das ist etwas, was ich für einen ganz wichtigen Baustein halte, um diese neuen Geschäftsmodelle rund um digitale Lösungen zu entwickeln, dass man sich mit so etwas da beschäftigt.
Daniel Rasch: Könnte es sein, Benjamin, dass bei euch dann auch irgendwann Entwickler arbeiten?
Benjamin Zühr: Ja, total. Natürlich kann das sein. Aber wie gesagt, das ist eigentlich nicht unser Ziel, sondern unser Ziel ist es eigentlich, dass Entwicklungsarbeit von Versicherungsexperten auch mitgemacht wird, und dass Entwicklungsarbeit halt so simpel ist, wie Ansgar es eben beschrieben hat. Dass man wirklich als Versicherungsexperte selber Dinge ändern kann in einer Software, und somit Kunden individuelle Lösungen schafft.
Daniel Rasch: Das klingt nach einem Zukunftsszenario. Deswegen direkt mal zum Abschluss die Frage, was glaubt ihr jeweils, wie lange wird es dauern, bis so ein Zustand erreicht ist? Erster Teil. Zweiter Teil, was glaubt ihr, was die größten Herausforderungen dabei sind? Benjamin, vielleicht fängst du an?
Benjamin Zühr: Also ich glaube persönlich, da gibt es mehrere Herausforderungen. Zum einen ist es die Herausforderung, überhaupt das Denken bei den Mitarbeitern, also bei den Experten zu verändern, und das auf beiden Seiten. Weil vielleicht muss der ITler auf der einen Seite akzeptieren, dass es auch andere gibt, die IT administrieren können. Nämlich Personen, die vielleicht das vorher das nicht konnten, oder sollten, oder durften. Wie auch immer. Und auf der anderen Seite muss der Versicherungsexperte in gewisser Weise auch anfangen, in Systemprozessen zu denken, und sich von seinen heutigen Aufgaben ein bisschen zu lösen, und auch neue Aufgabenfelder hinzuzugewinnen. Ich glaube, also das ist sehr, sehr wichtig.
Daniel Rasch: Und sagst du eine Prognose, wie lange das dauert?
Benjamin Zühr: Also ich würde sagen, im Endeffekt glaube ich fängt das langsam an, und ich würde sagen, ich gebe dem Ganzen noch drei bis fünf Jahre, und dann sollte das meiner Meinung nach Standard sein
Daniel Rasch: Und du, Ansgar? Hast du eine Einschätzung?
Ansgar Knipschild: Also ich glaube, zu der Frage, wo stehen wir da, wo sind die Herausforderungen. Ich glaube, dass schon einiges in die Richtung, wie können Fachbereich und IT zusammen an digitalen Produkten arbeiten, sowohl Versicherungsprodukten als auch mal ganz allgemein, ist man schon ein ganzes Stück vorangekommen. Die große Herausforderung ist, wie weit man diese Grenze schiebt, und wo der Überlappungsbereich praktisch von dem, was jetzt der eher fachlich orientierte Anwender, und auf der anderen Seite der IT-Anwender da macht. Wir sollten uns glaube ich davor hüten, den eher fachlich Denkenden jetzt zum Programmierer umerziehen zu wollen, und umgekehrt. Und wo da genau die Grenze ist, also wo fängt dann doch an, der Fachbereich zu programmieren? Dann wird es auch wieder zu komplex, zu fehleranfällig, und dann wiederholt man sozusagen die alten Fehler. Und wie kann man vereinfachen, um trotzdem noch eine möglichst große Flexibilität hinzubekommen? Dass ist ja zum Beispiel eine Problematik, die viele dieser Low-Code-Plattformen, die ich eben angesprochen habe, haben. Also die einen Anspruch haben, ich kann mit Low Code, also mit sehr wenig Code Anwendungen bauen. Von denen gibt es einige, aber die haben häufig diese Grenze zu niedrig gesetzt. Das heißt, damit kann ich sehr einfache Anwendungen sehr schnell und sehr, sehr effizient mir zusammenklicken, aber dann kommt die Grenze, und dann komme ich einfach nicht weiter. Und das muss man sicherlich hochdrehen, ohne es zu überstrapazieren, weil man dann eigentlich wieder zum Programmierer wird. Und das muss man glaube ich wirklich sehr eng mit entsprechenden Partnern, so ist unser Modell dabei, vorantreiben, weiterentwickeln aus der Praxis heraus. Und ja, das ist glaube ich ein sehr evolutionärer Prozess, den man hier gemeinsam vorantreiben muss. Von daher ist eine zeitliche Prognose da schwer. Aber ich sage mal, vom Bauchgefühl her würde ich die drei bis fünf Jahre da teilen, die Benny hat, dass man dann glaube ich eine solche Plattform immer weiter vorantreibt. Wahrscheinlich wird man da auch noch länger an den Feinheiten dran arbeiten, aber ich glaube, dann sollte man soweit sein, um in der Industrieversicherung schon sehr tief in der Wertschöpfungskette solche Prozesse abbilden zu können.
Daniel Rasch: Ich glaube, die drei bis fünf Jahre wird die Branche jetzt mit Freude gehört haben und sehr gespannt sein. Ja, super. Dann würde ich jetzt auch vorschlagen, wir verabreden uns in drei Jahren nochmal spätestens, um über das gleiche Thema in die Rückschau zu gehen. Danke ganz herzlich für das spannende Gespräch, und ich denke, wir hören uns, und bis demnächst. Danke.
Benjamin Zühr: Ciao.
Ansgar Knipschild: Dankeschön. Tschüss.
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