21.12.2021
Allianz, Michael Schliephake: Kundenzufriedenheit als Treiber für digitale Vorhaben – ID#29
„Was hat der Kunde davon?“. Höhere Kundenzufriedenheit durch eine digitale Plattform, mittels derer Industriekunden ohne Umwege mit ihren Maklern und Versicherer Risiken decken? Diese Fragen und die Bedeutung der Datenhoheit, digitaler Produkte und einer einheitlichen Datenbasis, erörtert Michael Schliephake, Leiter Maklervertrieb Sach Digitalgeschäft.
Im Gespräch: Michael Schliephake und Toni Klein
Länge: 44 Minuten
Kurz und knapp: Die wichtigsten Thesen
Gegenwart
• Die Industrie- und Gewerbeversicherung steht am Anfang ihrer Digitalisierungsbemühungen.
• Es fehlt: eine Art DIN-Norm für den Datenaustausch unter den Playern in der Finanzdienstleistungsindustrie.
• Was noch fehlt: Kundenzentrierung! Um diese zu überzeugen, bedarf es digitaler Produkte sowie ein Netzwerk und keine Insellösungen.
• Hemmnisse sind nach wie vor, die fehlende Innovationsbereitschaft der Branche.
• Und wer sich doch traut, Digitalisierungsprojekte anzugehen, versteht diese als rein technische Angelegenheit der IT.
Zukunft
• In zehn Jahren wird es eine andere Form des Risiko-Managements für die Sachversicherung geben: Digitale Formate bieten die Chance, schneller zu regulieren und somit die Kundenzufriedenheit zu erhöhen (Dunkelverarbeitung).
• Digitale Plattform der Zukunft, muss Möglichkeiten zur Vergleichbarkeit und für das internationale Geschäft bieten; muss dabei möglichst viele Marktpartner überzeugen.
• Wer hat Zugang zu den Daten? Die Plattform oder der Betreiber, der diese Frage am besten löst, wird erfolgreich sein.
Transkript
Toni Klein: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Episode des Podcasts: Industrieversicherung Digital. Mein Name ist Toni Klein. Ich begrüße ganz herzlich unseren heutigen Gast, mit dem ich gleich über digitale Produkte und digitale Prozesse und auch Datenaustausch sprechen werde. Dieser Gast sagt, dass die Industrie sich genauso standardisieren lässt wie das Gewerbe, und dass es passabel ist für den Verkauf auf Plattformen. Herzlich Willkommen Michael Schliephake von der Allianz. Hallo.
Michael Schliephake: Hallo, guten Tag, Frau Klein, schön, dass ich heute dabei sein kann. Danke für die Einladung.
Toni Klein: Sehr, sehr gerne, ich freue mich auch, dass Sie dabei sind. Ich stelle Sie noch einmal kurz vor: Sie sind schon viele Jahre bei der Allianz, in den verschiedensten Positionen, bis hin zur Leitung Maklervertrieb Sach und sind seit 2018 Leiter für den Maklervertrieb Sach Digitalgeschäft bei der Allianz. Ist das so korrekt?
Michael Schliephake: Das ist immer noch so korrekt. Ich gehe davon aus, dass das auch so bleibt.
Toni Klein: Super. Ich habe auch neulich über Sie gelesen, dass Sie über sich selbst gesagt haben, dass Sie digital kompetent und analog herzlich sind. Was hat es denn damit auf sich?
Michael Schliephake: Das ist für mich eigentlich die Grundlage einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung, die zum einen, glaube ich, heutzutage davon abhängt, dass man sich mit den modernen Geschäftsmethoden auseinandergesetzt, also den ersten Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht hat und auch in der Lage ist, nicht nur fachlich, sondern auch technische Sachverhalte zu erläutern oder zu verstehen. Und der erste Punkt, die analoge Herzlichkeit, ist noch wichtiger, denn Transformation entsteht, aus meiner Sicht, immer nur in einem sehr, sehr starkem Vertrauensverhältnis. So würde ich es beschreiben, das wollte ich mit der analogen Herzlichkeit zum Ausdruck bringen.
Toni Klein: Das finde ich sehr sympathisch. Da würde ich gleich überleiten wollen zu der ersten Frage, einer Kernfrage in dem ganzen Themengebiet, was wir heute zusammen besprechen wollen. Was ist denn eigentlich für Sie Digitalisierung?
Michael Schliephake: Das ist eine wunderbare Frage an mich. Ich hoffe, ich bin fertig, bevor der Podcast zu Ende ist. Ich bin mit meiner Ausbildung zum Informatiker eher ein Exot im Vertrieb, das war zumindest bis vor einigen Jahren so, ich glaube, jetzt gibt es immer mehr Leute mit einer solchen Hintergrundausbildung, die im Vertrieb tätig sind. Ich würde es gerne auf zwei Ebenen beantworten. Zum einen, rein technisch gesehen, ist es eigentlich nichts anderes als das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate, also das, was man früher mit Lochkarten gemacht hat, später mit CD, heute eben auf anderen Datenträgern oder in einer Cloud, das ist, aus meiner Sicht, die Digitalisierung im engen Sinne. Ich glaube aber, in den letzten Jahren erleben wir, nicht nur in unserer Branche, sondern insbesondere in der gesamten Gesellschaft, und das betrifft ja nicht nur Deutschland oder Europa, sondern findet eigentlich weltweit statt, einen gewissen digitalen Wandel, sowohl in der Gesellschaft, also im privaten Umfeld, in der Art und Weise, wie wir miteinander agieren, aber eben auch sehr, sehr stark in der Wirtschaft. Und wir erleben gerade, jetzt durch Corona einigermaßen beschleunigt, einen gewissen Übergang von analogen Technologien aus dem dadurch geprägten Industriezeitalter, zum Zeitalter von Wissen, von Kreativität, von digitalen Technologien, digitalen Innovationen.
Aus meiner Sicht lohnt sich da auch ein Blick an die Börsen. Man merkt schon, dass die neuen Unternehmen, die neuen Ideen in der Gunst der Anleger eher vorne stehen als die Old Industry, die sich jetzt in so einem Transformationswandel befindet. Deswegen: Zwei Themen. Einmal ganz einfach: analog in digital, und einmal ganz, ganz weitreichend auch im Sinne von Verhaltensänderung, Wahrnehmungsänderung, also deutlich komplexer.
Toni Klein: Wie sehen Sie denn den aktuellen Stand der Digitalisierung heute in der Industrie- und Gewerbeversicherung?
Michael Schliephake: Die Digitalisierung ist in diesem Bereich gestartet, aber wir sind eher am Anfang als am Ende, und das gilt für alle Beteiligte. Was, aus meiner Sicht, sehr, sehr positiv ist, ist eine sichtbare, eine spürbare große Anstrengung bei allen Beteiligten im Kontext von Prozessen, von neuen Pricing-Ansätzen, von Incentivierung der Digitalisierungsbemühungen und insbesondere auch in der Produktentwicklung. Aber was uns nach wie vor fehlt sind echte Normen, so eine Art DIN-Norm für den Datenaustausch unter den Playern in der Finanzleistungsindustrie, die eben von allen Playern oder von allen Akteuren akzeptiert worden sind. Also es gibt jetzt viele gute Ansätze, manche ganz am Anfang, manche schon ein bisschen weiterentwickelt, aber es fehlt nach wie vor diese breite Akzeptanz dieser Normen. Es gibt allerdings einige Insellösungen, wo ein Makler mit einem Versicherer etwas vereinbart oder in einer etwas anderen eingegrenzten Form, solche (unv.) zu treffen sind, und da sieht man schon, wie vorteilhaft diese (Konstrukte?) sind. Insofern würde ich sagen: Alle sind unterwegs, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, das Mindset hat aber noch nicht überall so einen Reifegrad, wie es erforderlich wäre.
Toni Klein: Ein guter Punkt. Viele Insellösungen machen ja noch kein Netzwerk.
Michael Schliephake: Ganz genau, das ist genau die Problematik. Ich bin jemand, der sich sehr gerne sämtliche Entwicklungen und Ideen aus Sicht des Kunden anschaut, und das, was wir hier tun, ist nicht durchgängig von Kundenzentrierung geprägt, sondern eben von anderen Interessen. Und ich glaube, um den Kunden am Ende zu überzeugen, brauchen wir ein Netzwerk, wie Sie es gesagt haben, und nicht Peer-to-Peer-Verbindungen oder solche Insellösungen, wie ich sie eben beschrieben habe. Total richtig.
Toni Klein: Welche Treiber würden Sie benennen für die Digitalisierung? Ist es eine Kundenzentrierung, eine echte? Gibt es andere, aus Ihrer Sicht?
Michael Schliephake: Also die Digitalisierung an sich ist ja ein sogenannter Mega-Trend und unterliegt, aus meiner Sicht, ganz, ganz vielen Einflussfaktoren. Dem Ganzen Thema Globalisierung und damit natürlich auch der Vernetzung der Finanzdienstleistungsindustrie, die Start-up-Mentalität, die wir in unserer Branche jetzt gerade sehen und erleben, von durchaus bekannten oder sehr namhaften Start-ups bis hin zu Kleingründungen von Investoren, auch aus der Private-Equity-Ecke, die jetzt in die deutsche Finanzdienstleistungsindustrie investieren und damit natürlich auch Investitionsgelder mitbringen. Das sind, aus meiner Sicht, so einige Treiber, die natürlich die Geschwindigkeit deutlich erhöhen und damit natürlich auch einen gewissen Zwang für alle darstellen, die in diesem System unterwegs sind, für sich auch einen Weg der Digitalisierung zu finden. Hier abschließend noch einmal der klassische Blick darauf: Am Ende ist es natürlich der Kosten- und Vereinfachungsdruck und das Kaufverhalten der Kunden und zunehmend auch die Bereitschaft zur Datenerfassung, auch zum Teilen der Daten. Also das muss sich noch ein bisschen einspielen, aber man merkt, dass sich viele Player dem Gedanken einer cross-funktionalen oder interdisziplinären Zusammenarbeit öffnen. 08:43
Toni Klein: Interessant, das wäre jetzt praktisch die Sicht auf die Treiber. Wenn wir jetzt auf die andere Sicht schauen, Sie haben es gerade ein bisschen durchblicken lassen: Wie würden Sie Hemmnisse beschreiben? Also Sie haben jetzt gerade die Peer-to-Peer-Sicht genannt, die nicht immer ein Treiber ist, sondern auch ein Hemmnis sein kann, siehe Insellösung und fehlende Normen untereinander. Gibt es da noch mehr?
Michael Schliephake: Ja, das ist, aus meiner Sicht, einer der Haupttreiber. Es ist Anfang Dezember, wir bekommen eine neue Regierung in Deutschland, und da sieht man schon, was ein Grundhemmnis ist, beispielsweise beim Thema Impfen. Demokratische Entscheidungsprozesse führen nicht unbedingt zum Abbau von Innovationsträgheit. Ein ganz komplizierter Satz, weil man jetzt, glaube ich, auch aufpassen muss, was man dazu sagt. Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Wir sind nicht die innovativste Branche und tun uns damit natürlich auch schwer, Standards zu setzen, sondern da wird natürlich sehr, sehr viel diskutiert, es wird sehr viel gesprochen, aber am Ende fehlt der echte Zusammenschluss, ein Handshake, die Entscheidung bezüglich der Norm zu treffen. Und weil wir eben nicht zwingend aus der Innovationsecke kommen, fehlt teilweise auch der Blick auf die Chancen, die sich bieten, es wird eher kritisch gesehen. Und wenn wir dann diese Phase durchgegangen sind, dann wird oftmals Digitalisierung als eine rein technische Angelegenheit verstanden, nach dem Motto: Digitalisierung hat eigentlich im Vertrieb oder der Produktentwicklung nichts zu suchen, das ist eigentlich ein Thema für die IT-Kollegen. Ich könnte jetzt noch weitere Argumente bringen, wie vermeintlich hohe Kosten oder vermeintliche Sicherheitslücken et cetera. Also ich glaube, wir sind da schon ganz gut, wenn es darum geht aufzuschreiben, warum es nicht geht.
Toni Klein: Ja.
Michael Schliephake: Genau.
Toni Klein: Okay. Kann ich es Ausrede nennen, oder kann ich es Vorwände nennen? Aber gibt es da einen Standardsatz oder ein Argument, wo Sie sagen: „Das kann ich nicht mehr hören“?
Michael Schliephake: Ja, zwischenzeitliche sind es mehrere Sätze, aber ein Klassiker, der mich in den letzten Jahren tatsächlich auf vielen Messen, Kongressen, Gespräche mit Geschäftspartnern, anderen Versicherern, aber auch innerhalb unseres Hauses immer wieder begleitet, ist, mehr oder weniger, der Satz: „Klar geht das, wir machen doch BiPro“.
Toni Klein: Da haben Sie doch Ihre Norm.
Michael Schliephake: Ja, genau, da haben wir auch die Norm, und das ist sicherlich ein ganz gutes Beispiel für einen gewissen Zusammenschluss, für eine gewisse Norm. Allerdings sind, aus meiner Sicht, die Entwicklungszyklen schlichtweg zu lang. Also wir brauchen viel zu lange, die einzelnen Normen zu etablieren, sei es im Neu-Geschäft, sei es im Datenaustausch, sei es im Austausch von Bestandsdaten, Schadendaten et cetera. Es ist schon ein sehr zäher Prozess.
Toni Klein: Das ist auch ein guter Punkt. Wir sind ja gerade in der Renewal-Periode, immer noch, oder im Jahresendgeschäft, da geht es ja auch viel um Datenaustausch.
Michael Schliephake: Absolut, und zwar jeden Tag, jedes Jahr zum gleichen Kunden. Im Übrigen trifft das bei mir jetzt auch zu, ich hatte heute auch diverse Gespräche mit unseren Partnern, diverse Gespräche mit unseren Underwritern, und die Hauptursache für Missverständnisse, aus meiner Sicht, ist insbesondere in fehlenden oder in nicht-präzise aufgeschriebenen Anforderungen an die Daten oder die Datenqualität, aber die Risikobeschreibung, um es auf den Punkt zu bringen. Das Spannende ist, und da müssen wir uns natürlich auch den Hut anziehen, dass wir jedes Jahr über den gleichen Kunden, über den gleichen Sachverhalt sprechen. Und ich glaube, dass man das in solchen Konstellationen automatisieren kann, das muss aber von allen beteiligten Akteuren gewollt sein. 13:05
Toni Klein: Hartmut Mai hat in einer vergangenen Podcast-Folge in diesem Jahr so etwas gesagt wie: „Wenn alle Beteiligten das gleiche Ziel haben, dann gibt es keine Frage nach der Datenhoheit mehr, dann teil man die Daten, weil jeder etwas davon hat“. Sehen Sie das auch so?
Michael Schliephake: Richtig. Mir geht es genauso, und ich kenne Herrn Mai gut aus seiner Zeit bei der Allianz und schätze ihn sehr. Er ist ein ausgewiesener Fachmann. Ich glaube, er bringt es mit dieser Aussage auf den Punkt. Aber genau auf diesen Punkt hin müssen wir arbeiten, und da komme ich wieder zu unserem Einstieg, der analogen Herzlichkeit. Dafür muss ich zum einen ein Vertrauensverhältnis herstellen, zum anderen aber auch die Mehrwerte für alle Beteiligten aufzeigen. Am Ende ist die Frage, die hier die Hauptrolle spielt: Was hat der Kunde davon? Das ist das, was im Mittelpunkt des Handelns steht.
Toni Klein: Das ist mein Stichwort. Idealerweise hat der Kunde ein gutes Produkt, dass ihm hilft, sein Risiko abzusichern. Das bringt uns zu dem Stichwort: Digitale Produkte. Was ist denn für Sie ein digitales Produkt? Welche Bestandteile hat es? Woraus besteht es? Gibt es einen Unterschied zwischen Industrie und Gewerbe, aus Ihrer Sicht?
Michael Schliephake: Also es ist immer einfacher zu sagen was es nicht ist, als was es ist, insbesondere, wenn man jetzt nicht im ganzen Bauchladen solche digitalen Produkte hat. Das wird hoffentlich in einigen Jahren anders sein. Aber aus meiner Sicht gibt es wenig oder gar keinen Unterschied im Produkt zwischen Industrie und Gewerbe, lediglich die Anzahl der Variablen und verständlicherweise auch die ökonomischen Konsequenzen aus einer Fehleinschätzung sind in der Industrie vermeintlich höher. Ich glaube auch, dass wir in der Industrieversicherung viele genormte Aktivitäten haben, also auch eine Besichtigung läuft nach einer bestimmten Norm ab, eine Einschätzung zum Schutzgrad eines Betriebes läuft nach einer bestimmten Norm, ich glaube, das kann man sehr, sehr gut in die Risikobeurteilung, auch normiert oder eben digitalisiert, einfließen lassen. Ich tue mir, mit Stand heute, schwer, von digitalen Produkten so im klassischen Sinne in unserer Branche zu sprechen, denn aus meiner Sicht, sind digitale Produkte Produkte, die quasi beiden Seiten sofort einen Mehrwert liefern. Also digitale Produkte sind mehrwertbringend, sie sind auf jeden Fall softwarebasiert, und sie sind auf jeden Fall skalierbar. Und das ist für mich immer ein „und“ und kein „oder“. Wir tun uns aber schwer, diese drei Kriterien in unsere klassischen Produkte einzubauen, weil wir schlichtweg diese Kommunikation zum Kunden, zum Makler und zum Versicherer gleichzeitig noch nicht an vielen Ecken beherrschen. Deswegen, ein digitales Produkt generiert, aus meiner Sicht, grundsätzlich Wert in beide Richtungen, und es finden auch Interaktionen zwischen dem Benutzer, zwischen dem Kunden und diesem Gesamtsystem statt, und Software ist die entscheidende Grundlage.
Es kann irgendwelche physischen Komponenten haben, zum Beispiel Sensoren, aber Software ist die Grundlage eines digitalen Produkts. Ein Beispiel aus dem Alltag ist das E-Book. Also ein E-Book ist für mich kein digitales Produkt, sondern das ist einfach ein analoges Produkt, das digitalisiert worden ist. Das kann man, aus meiner Sicht, so ein bisschen schnippisch auf unsere digitalen Produkte übertragen, wo am Ende eben PDF-Dokumente generiert werden beim Versicherer und am besten von irgendjemanden in das Bestandssystem des Versicherers eingetippt werden. Das sind keine digitalen Produkte. Deswegen bin ich da wahrscheinlich sehr, sehr streng in der Einschätzung unserer Innovationsfähigkeit in diesem Bereich.
Toni Klein: Man kann, das hat man gerade auch in den Ausführungen gemerkt, das digitale Produkt und den digitalen Prozess gar nicht voneinander trennen. Das gehört zusammen: Kunde, Versicherer, Makler, Makler-Kunde, Versicherer-Kunde. Sie haben es eben auch schon angedeutet. Gibt es, aus Ihrer Sicht, eine Präferenz zu bestimmten Prozessen, die, wären sie digitalisiert, den größten Mehrwert für das Netzwerk, für den Markt bringen? Sind das vertriebliche, betriebliche Prozesse oder vielleicht etwas in der Kommunikation?
Michael Schliephake: Ich glaube, das hängt sehr stark vom Blickwinkel desjenigen, den Sie fragen, ab. Ich komme sehr, sehr stark aus der vertrieblichen Ecke, sprich meine Aktivitäten beziehen sich in großen Teilen auf das Entwickeln des Geschäftes mit unseren Partnern, insofern geht mein Fokus dorthin. In Summe glaube ich aber, dass es vermutlich mehr die betrieblichen Prozesse sein werden, die den größten Mehrwert für den Markt und für die Datenqualität bringen werden, also Prozesse, die sich auf Bestandsrisiken konzentrieren, auch im Sinne von Risk Management oder Risikoveränderungen auf solche Themen wie eben Sensorik, wo der Kunde die Möglichkeit hat, risikoerhöhende oder risikomindernde Sachverhalte eben selbst zu steuern.
Es gibt in der Kommunikation zwischen dem Kunden, dem Makler und dem Versicherer, glaube ich, sehr gute Beispiele für Portale, wo man heute Informationen zu diversen Themen austauscht. Aber es gibt, aus meiner Sicht, ganz, ganz wenige Beispiele, wo wir tatsächlich sagen können, dass der Kunde quasi den Durchstich zum Bestandsystem… und seine Einstellung, seine Interaktion erzeugt sofort eine Veränderung beim Versicherer oder beim Makler. Also ich persönlich kenne keine Beispiele dafür, aber das sind, aus meiner Sicht, Themen, die sehr, sehr stark in den Fokus rücken werden, weil sie natürlich den Erfolg der Zusammenarbeit am Ende ausmachen und den Kunden an uns binden, sowohl an den Makler, an den Vermittler, wie auch den Versicherer. Kommunikationsprozesse sind, aus meiner Sicht, ohnehin immer notwendig, die benötigt man schlichtweg. Wir werden es, glaube ich, jetzt noch ein bisschen einfacher haben, weil wir einfach standardisierte Kommunikationsprozesse haben und nicht so unstrukturierte Themen, wie eine E-Mail, ein Fax, einen Brief, sondern die Interaktion läuft in dem Moment direkt. Aber ich persönlich bin sehr davon überzeugt, dass wir bei den betrieblichen Prozessen den größten Hub haben können. 21:01
Toni Klein: Den Kunden, den Versicherer, den Makler auf ein System zu bringen und durch die Interaktion von allen drei Parteien direkt Veränderung und Datenaustausch zu haben, das ist wahrscheinlich die Königsausbaustufe einer standardisierten Plattform untereinander.
Michael Schliephake: Ja, so sehe ich das. Im Consumer-Markt, also bei der Interaktion mit Privatkunden, gibt es solche Beispiele schon durchaus. Man könnte jetzt auch sagen, dass so eine Handybruch-Versicherung im weitesten Sinne ein solches Produkt ist oder ein guter Ansatz, eine gute Idee, die wir jetzt aber adaptieren müssen, und blöderweise ist halt eben ein Industriebetrieb etwas komplexer als ein Handy, insofern muss man sich da mehr Gedanken machen, wie man das macht. Aber von der Grundidee her ist es, glaube ich, ein gutes, griffiges Beispiel für diesen Prozess.
Toni Klein: Basis für all das sind ja, Sie sagten es auch schon, Standardisierung, Normen, gemeinsame Formate, auf die man sich verständigt, möglichst mit vielen Parteien, die involviert sind. Was halten Sie denn von Standardisierungsinitiativen in der Branche BiPRO Open Insurance? Glauben Sie daran, oder braucht es einen ganz neuen Ansatz?
Michael Schliephake: Grundsätzlich glaube ich an alle Initiativen, die eine Veränderung mit sich bringen. deswegen glaube ich auch an die von Ihnen genannten Initiativen, weil sie ja Veränderung angestoßen haben. Also die bewegen etwas im Markt. Und möglicherweise ist es am Ende nicht die eine Königsnorm, die wir haben werden, sondern zwei, drei verschiedene. Das kann man, aus meiner Sicht, sehr, sehr gut händeln. Die Schwachpunkte, die wir eben heute noch haben, sind zum einen die Konzeptions- und Entscheidungsgeschwindigkeit und zum anderen schlichtweg die Güte oder die Qualität des Datenaustauschs, weil wir, auf allen Seiten, teilweise noch nicht die Datenqualität haben, weil die Daten unstrukturiert vorliegen, gar nicht vorliegen oder aber auch einfach nicht weitergegeben werden. Und wir brauchen das zum einen nahtlos, zum anderen vollständig, (da mit dieser Norm leben?). Wir haben zwischenzeitlich etliche BiPRO-Normen im Einsatz, so wie viele unserer Mitbewerber am Markt, und ich glaube, das möchte niemand mehr missen. Wir brauchen aber noch viel, viel mehr, insbesondere in Richtung Gewerbe und Industrie.
Toni Klein: Wenn wir in die Zukunft schauen und uns noch mal auf die Produkte konzentrieren, wie, glauben Sie, wird sich das Verständnis von den klassischen Versicherungsprodukten, zum Beispiel im Bereich Sach verändern? Gibt es in zehn Jahren eine andere Form des Risiko-Managements für die Sach-Versicherung? Was glauben Sie?
Michael Schliephake: Ich bin mir relativ sicher, dass es das geben wird. Zum einen haben wir jetzt gerade, glaube ich, auch für die meisten spürbar, einen starken Ertragsdruck in der industriellen oder in der gewerblichen Sach-Versicherung, der natürlich dazu führt, dass man sich mit Alternativkonzepten, mit Optimierung auseinandersetzt. Zum anderen entwickelt sich die Welt um uns herum und entwickelt auch für uns spannende Konzepte. Also für mich ist eines der Trend-Themen das Thema Sensorik. Ob das die technische Versicherung ist, ob das Elementargefahren sind, Hochwasserschäden oder schlichtweg der Rohrbruch, Sensorik ist, aus meiner Sicht, tatsächlich ein Trend, den wir als Industrie zwingend mitentwickeln müssen, weil es uns, und da bin ich sehr sicher, mit Sicherheit erlauben wird, viele der Schäden im Vorfeld, in Anführungszeichen, vorherzusehen, indem man einfach feststellt, dass sich eine Maschine nicht richtig verhält oder aber, dass es irgendwo Wärmentwicklung gibt etc. Ich glaube, die Beispiele sind gut nachvollziehbar.
Es gibt neben den ganzen Themen, die am Risiko hängen, aus meiner Sicht, auch viele Anwendungen, viele Entwicklungen, die Besichtigung, die Schadenregulierung datengestützt begleiten und damit natürlich die Qualität erhöhen oder objektivieren. Also wir haben relativ viele Beispiele, wo wir in der Besichtigungsphase unsere Underwriter oder die Risiko-Ingenieure mit externen Daten versorgen können, damit sie zu einer besseren und objektiveren Risikoeinschätzung kommen. Oder eben in der Schadenregulierung arbeiten wir auch viel mit digitalen Formaten, die es erlauben, den Schaden präziser festzustellen, aber insbesondere auch schneller zu regulieren. Das ist sicherlich auch ein Punkt, der die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung deutlich erhöht. Da waren wir in der Vergangenheit jetzt auch nicht die Branche, die dafür bekannt war, da besonders schnell zu sein, zumindest sagen es die ein oder anderen Vorurteile über uns. Also insofern eine sehr, sehr gute, hilfreiche Entwicklung.
Toni Klein: Meinen Sie damit Dunkelverarbeitung?
Michael Schliephake: Ja. Sowohl die Dunkelverarbeitung im Sinne von, dass ich Schäden regulieren kann, ohne dass sie erst auf dem großen Stapel bei einem Schadensachbearbeiter landen, sondern ich sie in der Tat dunkel regulieren kann. Und allein die Entwicklung, die wir jetzt im Bezahlmarkt haben, also die Art und Weise, wie wir heute Gelder transferieren, ob das jetzt PayPal ist oder andere Verfahren, auch das führt dazu, dass wir in der Lage sind, das Geld gefühlt sofort auszuzahlen und nicht irgendwie erst drei Tage später die Überweisung in Richtung des Kunden zu schieben. Das ist ganz spannend und es gibt ganz viele Branchen, die uns aufzeigen, wie schnell sich Technologien entwickeln können, also das Stichwort exponentielles Wachstum, ob das jetzt die Autoindustrie ist oder andere Industrien. Also ich bin total davon überzeugt. Ich glaube, zehn Jahre ist sogar zu weit gegriffen, wir werden schon im fünf Jahren deutlich anders unterwegs sein.
Toni Klein: Super.
Michael Schliephake: Ob das super ist, werden wir erst in fünf Jahren feststellen. Aber ich glaube, wir müssen uns dessen bewusst sein, dass es anders sein wird. Das ist nicht von der Hand zu weisen.
Toni Klein: Auf jeden Fall viel datenbasierter als bisher, das lässt sich schon deutlich ablesen.
Michael Schliephake: Absolut.
Toni Klein: Apropos datenbasiert, gehen wir zu den Plattformen. Welche digitalen Plattformen werden es denn, aus Ihrer Sicht, jetzt auch in Ihrem Handlungsbereich? Welche bestimmen denn den Markt? NVPs, Vergleiche, Ausschreibungsplattformen?
Michael Schliephake: Also wir sehen hier eine sehr, sehr starke Entwicklung, die aus dem Privatgeschäft oder Privatkundenmarkt hin zu Gewerbe hinüberschwappt. Ich glaube, es ist für jeden selbstverständlich, dass ein Makler die eigenen KFZ nicht irgendwie telefonisch oder per E-Mail die Preise bei den Versicherern abfragt, sondern schlichtweg vergleicht und dann ein Angebot unterbreitet. Zunehmend auch im Privatgeschäft. Was wir jetzt sehen, sind die gleichen Verfahren in der Gewerbeversicherung. Also wenn man sich bestehende Angebote am Markt anschaut, dann kann man schon sagen, dass sowohl die Mehrzahl der Risiken abgesichert werden kann, also dass es Lösungen für alle Branchen gibt und nicht nur für Spezialthemen. Also ich bin als Makler in der Lage, meinen gesamten Kundenbestand über eine solche Plattform zu vergleichen, zu rechnen, zu verwalten und nicht nur eben Teile davon. Das Gleiche gilt für Produkte. Also es sind nicht nur alle Kundengruppen dort vertreten, sondern eben auch alle Produkte, die ich rechnen kann. Von der Betriebshaftpflicht über Inhalt bis hin zu Cyber, D&O, vieles davon Themen, die wir vor fünf Jahren noch mit hoher Wahrscheinlichkeit verneint hätten. Also: „Es ist nicht vergleichbar, es ist doch sehr individuell, es muss auf die Einzelsituation beim Kunden abgestellt werden“. Jetzt sehen wir, dass so etwas doch standardisiert angeboten werden kann, in einer Journey dreißig Versicherer verglichen werden können mit ihren jeweiligen Produkten, auch mit weiteren Sonderkonzepten und am Ende doch eine sehr passende Lösung für den Kunden dabei herauskommt, die auch von der Geschwindigkeit her natürlich unschlagbar schnell ist.
Toni Klein: Das heißt, das Phänomen: „Es ist zu individuell, es ist nicht vergleichbar, es ist auch zu komplex“, dieses Argument für den Industriebereich wird sich irgendwann erledigen?
Michael Schliephake: Das ist meine ganz feste Überzeugung. Ich bin auch sehr sicher und bin auch ein Befürworter von länderübergreifenden Produktlösungen. Also ich kann das für die Allianz sagen, aber auch für andere Mitbewerber: Wir müssen nicht zwingend die Betriebshaftpflicht für Spanien anders entwickeln als die Betriebshaftpflicht für Deutschland. Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, stellt man fest, dass drei Viertel oder noch mehr in diesem Produkt vergleichbar sind. Ich kann also Produkte für einen größeren Markt entwickeln, was natürlich für einen Kunden, der möglicherweise nicht nur in Deutschland oder in Bayern unterwegs ist, aber absolut hilfreich ist. Und wenn wir uns das Thema Globalisierung anschauen, dann warten die Kunden auf solche Lösungen. Deswegen, ich glaube, dass wir in diesem Bereich massive Veränderung in den kommenden Jahren sehen werden, und das führt zu einer weiteren Standardisierung, zu einer deutlichen Vereinfachung des Vergleichs dieser Produkte untereinander.
Toni Klein: Das bedeutet, wenn ich das einmal zusammenfasse, eine digitale Plattform der Zukunft, die den Markt bestimmen könnte, böte Möglichkeiten zur Vergleichbarkeit, böte Möglichkeiten auch für internationales Geschäft, also Niederlassungen weltweit zu versichern. Ich sage mal vereinfacht: Mit einem Klick. #00:33:05-0#
Michael Schliephake: Richtig.
Toni Klein: Was hätte diese Plattform der Zukunft noch, aus Ihrer Sicht?
Michael Schliephake: Ich glaube, der wesentliche Asset dieser Plattformen ist die Tatsache, dass ich als Nutzer meine Daten dort verwalten kann und ich sie nicht immer wieder zusammenführen muss, wenn ich eine Einzelanfrage starte oder wenn ich den Kunden kontaktieren muss. Und das gilt gleichermaßen für große und kleine Versicherer, für große und kleine Makler. Ich habe dort eben die Möglichkeit, immer auf die gleichen Daten zuzugreifen. Wenn ich jetzt an größere Vertriebsorganisationen denke, die vielleicht in so einem Key-Account-System arbeiten, wo mehrere Menschen oder auch einmal durch eine Fluktuation bedingt, sich die Kundenbetreuer ändern, da sind die Daten, die der Account-Manager bei sich hatte, ohne einer solchen Plattform in aller Regel weg. Wenn ich die Plattform nutze, habe ich, unabhängig davon, wer den Kunden betreut oder wer eine Anfrage gestellt hat, die Daten vorliegen und habe auch eine Art Visionierung, also kann sozusagen sehen, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz starker Asset, den wir zum Teil noch unterschätzen. Der spart sehr viel Zeit. 34:26
Toni Klein: Und (unv.) Daten für alle Prozesse. Also ich sage einmal, man hätte sie im Underwriting, man hätte sie in der Schadenbearbeitung.
Michael Schliephake: Richtig.
Toni Klein: Und es gäbe weniger Fehlerquellen, mal ganz abgesehen von den Doppelt-Eingaben.
Michael Schliephake: So ist es. Das ist, aus meiner Sicht, einer der wesentlichen Treiber, also zumindest für mich, mich an dieser Entwicklung zu beteiligen, weil das die Zufriedenheit auf allen Seiten erhöht, sowohl bei den Mitarbeitern, beim Kunden, als auch bei den Geschäftspartnern.
Toni Klein: Und wenn wir jetzt auf die digitale ideale Plattform der Zukunft schauen, wie sähe die denn aus? Also die hätte alle Prozesse, die hätte die Daten, die hätte auch, vermute ich, genug Sicherheit für alle Beteiligten. Wer würde Sie denn betreiben? Wie wäre das Geschäftsmodell aus Ihrer Sicht?
Michael Schliephake: Das ist eine wunderbare Frage. Am liebsten würde ich sie betreiben. Zumindest ist es eine sehr, sehr reizvolle Aufgabenstellung. Ich persönlich glaube, dass die Plattformen erfolgreich sein werden, die eine vertriebliche Reichweite, also die sich sozusagen vertrieblich viele Partner erschließen können, also mit der Technologie, mit der Datenqualität, mit der Journey überzeugen werden. Das sind diejenigen, die in den kommenden Jahren Platz und auch Mittel zum Wachstum haben werden. Was natürlich sehr spannend in dem Zusammenhang sein wird, und das ist für mich auch die KO-Frage, ist natürlich die Frage, wem die Daten gehören. Das werden wir heute in dem Podcast nicht abschließend auflösen können, aber am Ende wird es darum gehen: Wie sind die Besitzverhältnisse der Beteiligten, was die Daten angeht? Am Ende gehören sie dem Kunden, das ist meine persönliche Meinung, aber die Frage wird sein: Inwieweit habe ich eine starke Bereitschaft der beteiligten Akteure, was Teilen, Einstellen, Vervollständigen von Daten angeht? Und das sehen wir in der Automobilindustrie ganz gut.
Wer heute als Autohersteller Mobilitätsservices anbieten möchte, braucht weniger die Daten zu den Fahrzeugen, sondern braucht eigentlich die Daten der Kunden. Also: Welcher Mensch benötigt gerade wo welche Art von Mobilität? Da hilft es mir nichts zu wissen, dass ich irgendwo drei Fahrzeuge stehen habe, ich muss ja wissen, wo die Kunden gerade unterwegs sind. Und da sehen wir eben, dass es nicht zwingend die Autohersteller sind, die diesen Mobilitätsmarkt beherrschen, denn den Zugriff auf die Bewegungsdaten haben in aller Regel die anderen, wie zum Beispiel Apple, Google, also die Tech-Konzerne. Und ich persönlich glaube, die werden diejenigen sein, die dann in der Lage sind, den richtigen Service anzubieten oder zumindest in der schönen Position zu sein, die Daten zu einem guten Kurs zu verkaufen. Aber wir müssen uns klar sein, welche Normen, welche Vereinbarungen es zum Thema Wissenstransfer, Strukturinformation, Markt-Daten und all das, was in diesem Bereich wichtig ist, gibt. Wer hat Zugang zu den Daten? Das ist, aus meiner Sicht, die Grundherausforderung. Die Plattform oder der Betreiber, der diese Frage am besten löst, der wird der erfolgreiche sein. Also für mich wird derjenige erfolgreich sein, der die Frage der Datennutzung löst.
Toni Klein: Wir nähern uns jetzt dem Ende des Podcasts. Ich habe die berühmte Abschlussfrage für Sie, Herr Schliephake. Wir haben jetzt über viele Themen gesprochen, digitale Produkte, Prozesse, (Daten?), Standardisierung, Normen, Plattformen. Gibt es ein Thema, dass Ihnen im Zusammenhang mit der Digitalisierung selbst sehr am Herzen liegt? Dann würde ich Sie bitten, dazu noch etwas zu sagen.
Michael Schliephake: Ja, das ist das Vertriebsherz an der Stelle und damit verbunden die absolute Kundenzentrierung. Das ist das, was mich treibt, was mich antreibt, an der Digitalisierung zu arbeiten. Das ist, aus meiner Sicht, das wichtigste Thema, um eben gegen Markteintritte von Wettbewerbern aus dem Technologie-Sektor zu bestehen. Und für mich gibt es da ein mahnendes Beispiel aus der Finanzdienstleistungsindustrie, und das sind die Banken, die eben nicht nur in Deutschland, sondern im Prinzip weltweit es nur bedingt gut geschafft haben, im Mittelpunkt solcher Markteintritte zu stehen. Wir sehen durch den Erfolg vieler neue Digitalbanken oder andere (SinTechs?), dass sich die Old Economy in diesem Bereich sehr, sehr schwer tut. Und deswegen ist Kundenzentrierung oder Customer Centricity für mich tatsächlich der Haupttreiber. Und das ist für mich aber nicht eine Kundenorientierung, sondern die Kundenzentrierung ist für mich deutlich weitergehender, das ist die konsequente Ausrichtung am Kunden. Und das funktioniert ehrlicherweise eben nur mit den gerade besprochenen Digitalprodukten, wo ich eben den Kommunikationstransfer in beide Richtungen habe. Also ich muss am Ende des Tages nicht nur verstehen, was mir der Kunde da schickt, sondern auch verstehen, warum er das getan hat.
Also die Analyse, das Verstehen dessen, was er dort tut, um eben mein Produkt weiter zu optimieren, das ist für mich der wesentliche Aspekt der Kundenzentrierung. Und damit natürlich auch ein Fokus auf die werthaltigen oder sogar nur auf die werthaltigsten Kunden. Die kann ich, glaube ich, in einer solchen Journey sehr, sehr gut identifizieren. Denn am Ende wollen wir die Kunden nicht nur glücklich machen, sondern ihnen auch einen nachhaltigen Nutzen schaffen. Das ist das, was mir am Herzen liegt, und ich glaube, es gibt in anderen Branchen viele gute Beispiele für eine konsequente Kundenzentrierung. Steve Jobs ist für mich wie so ein Rockstar dieser Bewegung, der tatsächlich dieses Thema Customer Centricity mainstreamfähig gemacht hat, und er hat es ehrlicherweise schon vor dreißig Jahren erkannt, dass die Technologie nur ein Mittel zum Zweck ist, um die Kunden zu begeistern. Und deswegen müssen wir uns gerade in unserer Industrie mit diesem Thema sehr, sehr stark auseinandersetzen. 42:12
Toni Klein: Ich wollte Sie gerade noch einmal fragen: Ist das Verstehen der Kunden für Sie dann durch Technologien oder durch Menschen gemacht?
Michael Schliephake: Das ist eine sehr gefährliche Diskussion. Ich persönlich glaube, dass wir das Verstehen unserer Kunden durch die Technologie als Mittel zum Zweck sehr gut gestützt durchführen können. Am Ende ist es aber, logischerweise, wie so oft, eine Frage des Mindsets, der Unternehmenskultur, des eigenen Purpose. Ich persönlich bin aber davon überzeugt, dass wir die Technologie eben benötigen, um das Thema Kundenzentrierung zu entwickeln, weil ohne Daten, ohne Erkenntnisse, ohne Feedback, werde ich meine Kunden vermutlich, zumindest im Massengeschäft, nicht verstehen können. Also Kundenzentrierung heißt nicht, das zu machen, wonach der Kunde unbedingt schreit, sondern es ist die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Kunden zu antizipieren. Und manchmal sagt der Kunde etwas ganz anderes, als er sich wünscht. Und ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir das mit Technologie sehr, sehr gut messen und eben auch nutzen können.
Toni Klein: Vielen Dank, Herr Schliephake.
Michael Schliephake: Sehr gerne. Vielen Dank, Frau Klein.
Toni Klein: Das war ein sehr schönes Gespräch. Danke für das Teilen, danke für Ihre Zeit, und alles Gute für Sie und bis bald.
Michael Schliephake: Herzlichen Dank. Dankeschön.
Toni Klein: Tschüss.
Michael Schliephake: Tschüss.
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