ID#22

30.06.2021

5 Minute Update: Parametrische Versicherung – digital gedacht – ID#22

Heute starten wir mit einem neuen Format, dem „5 Minute Update“. Hier möchten wir aktuelle Themen, Gedanken und Fragestellungen kurz und prägnant vorstellen. Thematisch sind wir sehr frei und wir freuen uns auch auf Eure Ideen und Fragen via LinkedIn oder Email. In der ersten Episode geht es um parametrische Versicherungen und warum diese gerade für die digitale Industrieversicherung interessant sind.

Sprecher: Ansgar Knipschild.

Länge: 6 Min ;).

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Transkript

Herzlich willkommen zu einem neuen 5- Minute-Update von Industrieversicherung Digital. Heute zum Thema Parametrische Versicherung.

Die parametrische Versicherung erfreut sich derzeit wachsender Beliebtheit. Bisher wurden mit parametrischen Policen vor allem größere Risiken im Naturkatastrophenbereich abgedeckt. Zunehmend kommt sie jetzt zum Einsatz, wenn es darum geht, zum Beispiel Veranstaltungs- oder Ernteausfälle oder auch Hackerangriffe abzusichern.

Treten wir einen Schritt zurück. Was ist eine parametrische Versicherung?
Die klassische Versicherung, die auch im Industriebereich stark vertreten ist, zahlt die Kosten für einen entstandenen Schaden, maximal die vereinbarte Deckungssumme. Dagegen zahlt die parametrische Versicherung erst beim Auslösen eines vorher definierten Parameters. Das kann zum Beispiel ein Temperaturwert, ein Verspätungswert, ein Zeitwert, ein Qualitätsmerkmal oder auch eine Finanzkennzahl sein. Gezahlt wird ein vorher fest vereinbarter Betrag. Das Ganze ist unabhängig davon, ob wirklich ein Schaden eingetreten ist. Nur das Triggern dieses Parameters zählt. Das ist der fundamentale Unterschied zur klassischen Versicherung, die im Falle eines wirklich entstandenen Schadens zahlt. Um Neutralität zu gewährleisten, erfolgt die Datenerhebung dieser Parameter, die letztendlich den Schadenfall definieren, durch unabhängige Dritte. Das können Wetterdienste oder technische Prüfdienste wie ein TÜV sein.

Wie ist die parametrische Versicherung zu bewerten?
Aus Versicherersicht ist das Ganze gut kalkulierbar, denn wir haben auf der einen Seite die Schadenwahrscheinlichkeit, das Eintrittsrisiko und auf der anderen Seite eine feste Summe und damit habe ich ein einfaches Underwriting Modell. Ich habe im operativen Betrieb letztendlich kein Underwriting und auch keine Schadenprüfung mehr. Sobald der Schwellwert, der Parameterwert getriggert wird, wird gezahlt. Aus Versicherungsnehmersicht ist diese schnelle Zahlung der große Vorteil. Ich kann mich auf die schnelle und verbindliche Zahlung des vorher definierten Betrages verlassen. Der Nachteil ist, dass diese Zahlung vom konkret eingetretenen Schaden, sollte dieser eintreten, entkoppelt ist. Teile des Risikos bleiben dementsprechend beim Kunden. Das kann bedeuten, dass der eingetretene Schaden und die vereinbarte, vom Versicherer gezahlte Summe weit unter dem tatsächlich erfolgten Schaden liegen kann. Das muss der Kunde für sich bewerten.

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Warum besprechen wir das hier bei Industrieversicherung Digital?
Digitalisierung ist ein sehr starker Treiber für die zunehmende Verbreitung der parametrischen Versicherung. Denn der gesamte Prozess von der Schadenregistrierung, der Abwicklung bis hin zur Auszahlung lässt sich vollständig automatisieren, da keine individuelle Schadenprüfung und keine vorherige Risikoprüfung notwendig sind. Folglich gibt es erste Anbieter am Markt und zwar kleine Anbieter, die sich auf Nischengeschäfte spezialisiert haben.

  • Zu nennen wäre die Firma Qomplx, die eine Multirisk Police namens Wondercover anbietet. Diese bietet Schutz bei Umsatzeinbußen durch Cyberangriffe. Die Parameter sind die Meldung des Cyberangriffs bei einer öffentlichen Behörde, zum Beispiel der Polizei oder Staatsanwaltschaft, und eine Mindestdauer des Ausfalls bedingt durch den Cyberangriff von 48 Stunden. Wenn diese beiden Parameter bedient sind, wird gezahlt.
  • Es gibt auch andere Cover zum Beispiel im Bereich Pandemie. Die Firma Machine Cover bietet eine Pandemieversicherung, die bei einem signifikanten Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in einem bestimmten Gebiet zahlt. Sollten zum Beispiel die Umsatzzahlen durch einen Lockdown sinken, wird bei Unterschreitung eines bestimmten Schwellenwertes gezahlt.
  • Die Firma Parsyl bietet eine Frachtversicherung mit dem Namen Cold Cover Parametric an, die dazu dient, verderbliche Güter abzusichern. Auch hier wird nicht gemessen, ob die Güter wirklich verdorben sind. An den Containern und Transportbehältern angebrachte Sensoren messen die Temperatur beziehungsweise Feuchtigkeit und bei Unter- oder Überschreitung eines Wertes zahlt die Versicherung, auch unabhängig davon, ob die Ware danach verkauft werden kann oder nicht.
  • Die Firma Cyberfortress bietet eine E-Commerce- oder Ausfallversicherung für Websites und Shops an. Hier dienen die Parameter Domain und Umsatz, um die Höhe zu beeinflussen, und ansonsten die Dauer des Ausfalls der Websites.
  • Firma Anansi Technology bietet einen Offcourse Cover. Hier geht es um den Versandschutz bei Versandproblemen. Sobald Verspätungen, Diebstahl oder Verluste der verschickten Ware auftreten, erfolgt die Zahlung. Das geschieht unabhängig davon, ob die Ware später noch eintrifft oder nach einer Verlustmeldung wieder auftaucht.

Unser Fazit:
Digitalisierung und geringe Verwaltungskosten werden parametrische Deckungen auch im Industriebereich weiterhin treiben. Ein wesentlicher Innovationstreiber ist der von neuen Risiken wie Klima, was ein klassisches Thema der parametrischen Versicherung ist, aber auch Pandemie und Cyberrisiko ausgehende Druck. Hier greifen klassische Underwriting Modelle nur eingeschränkt und daher ist hier die Spielart der parametrischen Versicherung attraktiv. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung, die bisher parametrische Deckungen nur sehr eingeschränkt als versichertes Risiko im rechtlichen Sinne zugelassen hat, einen Wandel in der Bewertung vollzieht. Man ist offener geworden und die Produkte, die geprüft und zugelassen werden, können größere Risiken abdecken. Von daher ist meine These: Diese drei Themen Digitalisierung, neue Risiken und geänderte Jurisdiktion werden die Entwicklung von parametrischen Deckungen weiter beschleunigen und auch in Zukunft immer größere Risiken abdecken.

Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.

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