Seite wählen

ID#67

04.03.2024

Dr. Svenja Richartz, Hanseatische Versicherungsbörse: Industrierisiken auf der Blockchain – ID#67

Deckungszusagen für Industrierisiken in Echtzeit? Bei der Hanseatischen (vormals Hamburger) Versicherungsbörse seit jeher normal. Dr. Svenja Richartz gibt Einblicke, wie aus dem früheren Präsenzbetrieb eine digitale Blockchain-Lösung wurde. Könnte diese neutrale, digitale Plattform, die – spartenübergreifend – jedem Marktteilnehmer offen steht und als Verein kein Eigeninteresse vertritt, ein praktikables Modell für die ganze Industrieversicherungsbranche sein?

 

Im Gespräch: Dr. Svenja Richartz, Ansgar Knipschild
Länge: 44 Minuten

Transkript

ANSGAR KNIPSCHILD: Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Folge unseres Podcasts. Mein Name ist Ansgar Knipschild. Das ist ID, Industrieversicherung Digital, heute mit einem neuen, spannenden Thema. Es geht um die digitale hanseatische Börse und wie diese Börse mit Industrierisiken auf der Blockchain handelt. Dazu begrüße ich Frau Doktor Svenja Richartz von der hanseatischen Versicherungsbörse. Hallo, Frau Doktor Richartz.

DR. SVENJA RICHARTZ: Hallo, Herr Knipschild.

ANSGAR KNIPSCHILD: Können Sie sich unseren Zuhörerinnen und Zuhörern bitte kurz vorstellen? #00:00:33-9#

DR. SVENJA RICHARTZ: Sehr gerne. Erst einmal freue ich mich, dass ich die Gelegenheit habe, heute bei diesem spannenden Projekt dabei zu sein. Zu mir selber. Ich bin seit Mai 2019 Vorsitzende der hanseatischen Versicherungsbörse. Ansonsten bin ich gelernt Versicherungskauffrau. Danach habe ich im Anschluss ein Studium der Rechtswissenschaft absolviert mit Fokus auf Versicherungsrecht. Promoviert habe ich zu einem seeversicherungsrechtlichen Thema. Nach meiner Zeit an der Universität Hamburg war ich als Syndikusrechtsanwältin beim damaligen VDVM, der heutige BDVM, Bundesverband deutscher Versicherungsmakler, tätig. In der Zeit hatte ich das Vergnügen, die EU-Kommission im Rahmen einer Expertenkommission beraten zu dürfen zum europäischen Versicherungsvertragsrecht.
Zuletzt war ich Geschäftsführerin bei einem traditionsreichen Seeplatz-Assekuradeur hier in Hamburg. Aktuell bin ich Head of Legal bei Hanseatic Broking Center. Ehrenamtlich bin ich neben der Versicherungsbörse in verschiedenen Funktionen in der Branche unterwegs. Ich bin auch stellvertretende Vorsitzende des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft hier in Hamburg. Ich bin im BVK aktiv, im Bezirksverband Hamburg, und auch in der Makler- und Mehrfachvertreterkommission.
Die meiste Zeit geht im Moment in das aktuelle Projekt, in die hanseatische Versicherungsbörse und die Vorstandsarbeit.

ANSGAR KNIPSCHILD: Vielen Dank. Man hört raus, dass jemand spricht, der schon viele Jahre in der Branche unterwegs ist und mit Fug und Recht von sich behaupten kann, die Praxis zu verstehen. Sehr gut. Jetzt möchte ich kurz zum Stichwort Börse kommen. Die meisten unserer Zuhörerinnen und Zuhörer sind im klassischen Versicherungs- und Maklergeschäft unterwegs, typische Geschäftsbeziehungen im Industriegeschäft zwischen diesen Häusern und Parteien, und vielleicht der eine oder andere Assekuradeur. Das Thema Börse ist wahrscheinlich aber eher ein Nischenthema, das nicht in jedem Haus unterwegs ist, sei es Versicherer oder Makler.

Wir sollten unsere Zuhörerinnen und Zuhörer ein bisschen abholen und nochmal erklären, wie eine Börse eigentlich funktioniert. Was ist die Aufgabe einer Börse, in Abgrenzung zum klassischen Vertrieb- oder Kundenweg? Vielleicht auch ein kurzer Blick in die Historie. Die ist spannend, wie ich im Vorgespräch gehört habe. Ich würde Sie bitten, dass Sie uns in die wunderbare Welt der Börsen für Industrierisiken mitnehmen. #00:03:13-6#

DR. SVENJA RICHARTZ: Sehr gerne. Die Börse ist ein Hamburger Unikum. Es gab sie Deutschlandweit nur in Hamburg und sonst gar nicht. Wir sind mit unserer ehemals Hamburger Versicherungsbörse eine von drei Börsen europaweit neben Lloyd’s of London. Es gab in den Niederlanden auch eine Börse, über deren aktuelle Geschäftsgebaren oder Aktivitäten ich nicht so viel sagen kann. Die Hamburger Versicherungsbörse ist im Jahr 1558 gegründet worden, als der damalige Rat der Stadt Hamburg die Erlaubnis zum Betrieb der Versicherungsbörse erteilt hat. Angefangen hat das Ganze als Open-Air-Veranstaltung am ersten befestigten Hafenbecken der Stadt, als es noch keine Versicherungsgesellschaften gab, es aber schon die ersten Kaufleute gab, die Waren versandt haben. Damals war es noch per Segelschiff. Das Risiko war da, die ganze Ladung oder auch das Schiff zu verlieren. Makler gab es zu dem Zeitpunkt in Hamburg auch schon. Statt Versicherungsgesellschaften waren es damals Assekuradeure, die als Kaufleute im eigenen Namen für eigenes Risiko die Risiken gezeichnet haben.

Die Börse ist nicht lange Open Air geblieben, das Hamburger Wetter und die Nähe zu der damaligen Commerz-Deputation, bestehend aus den Hamburger Kaufleuten, sei Dank. Man hat dort schnell Unterschlupf finden können. Aus der Commerz-Deputation ist die Handelskammer Hamburg hervorgegangen. So schließt sich der Kreis. Wir haben auch heute noch in der Handelskammer Hamburg den Börsensaal und die Börsenbänke, die man ohne Probleme besichtigen kann, wenn man zu Besuch ist. Sie sind frei zugänglich. So viel dazu, seit wann es dieses Unikum gibt. Die Hamburger Versicherungsbörse, wie der Name nahelegt, war früher lokal auf den Bereich Hamburg beschränkt. Man hat keine von außerhalb genommen. Von den Bremern hat man sich nicht in die Karten blicken lassen.

ANSGAR KNIPSCHILD: Das habe ich schon einmal gehört.

DR. SVENJA RICHARTZ: Das ist mittlerweile anders. Deswegen haben wir uns in Hanseatische Versicherungsbörse umbenannt. Heute geht es über den Tellerrand von Hamburg hinaus. So viel zur Historie. Wie darf man sich das vorstellen? Werktags hat es von 13:30 Uhr bis 14:00 Uhr die Präsenzzeit oder Börsenzeit gegeben. Zu Hochzeiten sind pünktlich bis 13:30 Uhr 300 Leute mit ihren Zetteln in einer klassischen Börsenfaltung in den Börsensaal gestürmt. Man nimmt ein DIN-A4-Blatt und faltet es längst lang und schmal. So passte es immer in die Innentasche der Anzugjacke der Herren. Das war ganz praktisch. Wer keine Börsenmappe hatte, der konnte es zumindest im Jackett gut geschützt vor dem Hamburger Wetter mit sich führen. Bis zu 300 Leute sind pünktlich hineingestürmt, denn wer zu spät kam, musste den Strafgroschen zahlen. Es wurde am Eingang kontrolliert. Der Börsenausweis musste offen erkennbar um den Hals getragen werden. Jeder hat seinen Börsenplatz, seine Börsenbank gehabt. Das sind Holzbänke an Säulen, an denen kleine Schilder hängen. Auf ihnen steht der Name der Firma und die Tage sind markiert. Man konnte auch markieren, an welchen Tagen man vor Ort an der Börse ist oder nicht.

Zu den Aufgaben oder Funktionen der Versicherungsbörse. Sie ist in erster Linie eine neutrale Austauschplattform, die kompetente Marktteilnehmer zusammengebracht hat. Wo man sich fachlich austauschen konnte über das, was gerade passierte und über Neuigkeiten, die man am Markt erfahren hatte. Wo man aber auch seine Ansprechpartner gefunden hat, die in den unterschiedlichen Bereichen besondere Expertise hatten, oder vielleicht ein gewisses Maß an Risikobereitschaft, neue Sachen auszuprobieren. Man hat von Anfang bei der Versicherungsbörse darauf geachtet, dass man nur kompetente und gut beleumundete Kaufleute oder Börsenbesucher zugelassen hat. Das war eine Marktzugangsvoraussetzung, die bereits seit Gründung der Börse bestand. Man brauchte immer Gewährsleute. Letztlich findet man das, was wir über Jahrhunderte aufgebaut haben, heute in den Anforderungen wieder, wie sie in der Gewerbeordnung stehen. Nur solvente Kaufleute mit einem guten Leumund durften dort handeln. Aus diesem Grund hat die Börse in ihrer langen Geschichte zumindest für den Hamburger Markt eine gewisse Reinigungsfunktion gehabt, indem sie schwarze Schafe konsequent ausgeschlossen hat.

Das Ganze war aufgrund der Börsenordnung, die sich die Mitglieder der Börse gegeben haben, verbindlich. Mit Kürzel auf einem Stück Papier hatte man eine verbindliche vorläufige Deckungszusage in Echtzeit. Das ist etwas, wo alle hinwollen. Wir kommen sogar daher. Das haben wir jahrhundertelang erfolgreich gehandelt. Aus der Historie heraus hat die Börse einen Fokus auf See- und Transportversicherung. Da liegt nicht nur insgesamt die Wiege der Versicherungswirtschaft, sondern insbesondere an einem Seehafenplatz wie Hamburg. Wir haben aber mit Aufkommen der Industrierisiken auch Industrierisiken an der Versicherungsbörse gezeichnet. Manchmal wurde auch Kleinkram mitgemacht. Ich habe in meinem privaten Bestand eine Wohngebäudeversicherung, eine Börsennote, die echt vor Ort gezeichnet wurde. Im Kern kann man aber sagen, dass das komplexe, großvolumige Individualgeschäft das ist, was an der Hamburger Versicherungsbüro seit 1558 gehandelt wurde und auch heute gehandelt werden kann.

ANSGAR KNIPSCHILD: Wie sieht heute der Betrieb an der Börse aus? #00:10:09-7#

DR. SVENJA RICHARTZ: Heute haben wir keinen Präsenzbetrieb mehr an der Börse. Den haben wir mangels Nachfrage im Oktober 2018 eingestellt. Wir haben nicht erst, seit wir E-Mail haben, ein abnehmendes Präsenzaufkommen an der Börse feststellen können, sondern schon mit dem preislich attraktiven Aufkommen von Telefon und Fax. Mit steigenden Büromieten in den Innenstadtlagen gibt es Gesellschaften, die immer weiter hinausgehen, zum Beispiel in die City Nord in Hamburg. Damit hat man nicht mehr fünf Minuten Wegstrecke bis zum Börsensaal, sondern durchaus 35 Minuten hin und zurück mit einer halben Stunde Börsenzeit. Die Mittagspause musste auch gemacht werden. Ab dem Zeitpunkt war eine Abnahme der Präsenz schon festzustellen. Wir haben im Laufe der Jahre die Präsenztage-Nachfrage der Mitglieder angepasst und im Oktober 2018 den Betrieb eingestellt. Aktuell sind wir seit dem 1.1.24 sind wir mit unserer Blockchain-Lösung unterwegs. Wir sind seit dem 1.7.23 in einer Vorphase gewesen. Jetzt kann man uns und unser Geschäftsmodell in unserem virtuellen Börsensaal digital Blockchain-basiert erleben.

ANSGAR KNIPSCHILD: Das hört sich sehr spannend an. Damit kommen wir zum Kernthema unserer Podcasts, Industrieversicherung Digital. Bevor wir auf das nach wie vor spannende Thema Blockchain kommen, würde mich interessieren, wie der Börsenprozess, den Sie eben sehr anschaulich geschildert haben, aus Sicht der Anwender und Anwenderinnen heute aussieht. Wie muss ich mir das vorstellen? Chattet man da? Loggt man sich in Plattformen ein? Wie kann man hier statt des gefalteten Zettels in der Jacketttasche zueinander ins Geschäft kommen? #00:12:23-6#

SVENJA RICHARTZ: Wir haben mit unserem digitalen Ökosystem eine webbasierte Anwendung. Das heißt, je nachdem, ob man diese Anwendung so nutzen möchte, loggt man sich auf der Website ein. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass man unser System in der internen IT-Infrastruktur betreiben kann, wenn es inhouse voll integriert wird. Wir wären da kompatibel. Das liegt am Anwender, wie er sein Erlebnis gestaltet haben möchte. Wenn wir von der einfachsten Variante der webbasierten Anwendung ausgehen, ist es so. Früher hatte ich meinen Börsenausweis um den Hals hängen, wenn ich durch die Tür in die Handelskammer Hamburg gegangen bin. Heute habe ich personalisierte Zugangsdaten, mit denen ich mich in der Webanwendung einwähle. Wir sagen immer gerne spaßhaft, dass das, was ich sehe, wenn ich durch die digitale Zutrittskontrolle gekommen bin, von den Funktionalitäten her wie eine Mischung aus Tinder und eBay ist.

ANSGAR KNIPSCHILD: Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht.

DR. SVENJA RICHARTZ: Das hoffe ich doch. Wir stellen an auf alle Fälle immer fest, dass an dieser Stelle ein breites Grinsen auf den Gesichtern unserer Gesprächspartner auftaucht und viele anfangen, eindeutige Handbewegungen zu machen.

ANSGAR KNIPSCHILD: eBay kennt man. Tinder kennt man natürlich nicht. #00:13:57-5#

DR. SVENJA RICHARTZ: Nein, niemand. Es muss nur etwas mit Wischen zu tun haben. Die Idee ist nicht viel anders, nur für den Geschäftsbereich. Ich bekomme aus dem System Geschäftspartner vorgeschlagen, nämlich alle, die in dem Segment unterwegs, was mich interessiert. Ich kann nach dem Nasenfaktor schauen, wie ich es früher im Börsensaal gemacht habe. Im Börsensaal mochte man im Zweifel auch nicht jeden von 300 Börsenbesuchern. Man hat sich vielleicht auf zwölf konzentriert, weil man gute Erfahrung hatte, die gleiche Sprache sprach und auf einer Wellenlänge war.

Unser Tinder-Faktor im Digitalen ist nichts Anderes. Unser Ökosystem hat einen Netzwerkbaustein. Dort hinterlegt der Börsenbesucher sein Profil und seine Interessen, in welchen Bereichen er aktiv ist, zum Beispiel Seekasko. Das macht nicht jeder. Das sorgt für ein Match der Börsenbesucher untereinander.

Jetzt kommen wir schon zu dem eBay-Faktor. Wenn der Makler ein Risiko hat und auf unserer Ausschreibungsplattform einstellt, gibt er an, für welchen Bereich er das sucht. Wenn er das als öffentliche Ausschreibung macht, weil er sagt, dass jeder darauf darf, er keine Vorlieben hat und jeder anbieten darf, sorgt dieser Tinder-Faktor dafür, dass es genau an diejenigen sortiert wird, die ebenfalls ein Match in dieser Sparte oder diesem Segment haben. So wird nicht ein Versicherer, der keine Kaskoversicherung anbietet, unnötig mit Anfragen überschüttet. Zum Ausschreiben selber haben wir ein paar wenige Pflichtfelder. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, ein verbindliches Format zu wählen oder eine gezwungene Standardisierung im Vorfeld zu versuchen. Wir haben gesagt, wir nehmen das Individualgeschäft so, wie es ist und wie wir es früher auch gemacht haben. Wir haben ein paar Felder, weil eine Sanktionsprüfung heute einfach stattfinden muss. Früher war das kein Thema, heute muss das sein. Ich muss den Namen des Kunden kennen. Ansonsten bin ich aber relativ frei, wie ich dieses System nutze. Man kann sehr viel gestalten durch das Hochladen von Dokumenten.

Wir haben auch hier keine Größenbeschränkungen und keine Formatbeschränkung. Es können Bilder, PDF sein, Excel oder ein Word-Dokument sein. Das ist uns völlig egal. Der Makler stellt das Risiko ein. Er stellt alle Unterlagen, die er zu dem Risiko hat, bei einem Rechenzentrum ein, was neu gebaut werden soll. Zum Beispiel die Baubeschreibung, die Sicherheitsbeschreibungen und alles, was dazukommt. Das, was Sie sonst mit einer E-Mail nicht durchbekommen oder sich mühsam irgendwo einwählen, um es hochzuladen. Der eine darf darauf nicht zugreifen und der andere nicht. Als Makler müssten Sie das wahrscheinlich bei zehn verschiedenen Versicherern hochladen. Sie stellen es einfach auf unserer Ausschreibungsplattform ein. Das funktioniert schnell, einfach und schlicht. Wenn Sie das Risiko ausschreiben, entscheiden Sie sich, dass es öffentlich ist und jeder, der einen Match hat, darauf anbieten darf, oder dass Sie eine private Ausschreibung machen und nur die ein Angebot abgeben dürfen, die Sie persönlich ausgesucht haben. Sie sehen diese Angebote oder diese Ausschreibung und können ein Angebot abgeben. Man kann zum Beispiel sagen, dass das Makler-Wording in Ordnung ist, aber es nur mit meiner Cyber-Klausel oder meiner Sanktionsklausel zusammen geht. So kann jeder das zusammenstellen. Der Versicherer oder der Assekuradeur, der das Angebot abgibt, hat genauso die Möglichkeit, Dokumente hochzuladen.
Wenn es einen individuellen Risikofragebogen gibt, kann man den vorab hochladen und sich darüber austauschen. Im System wird es dokumentiert. Wenn man ein Angebot auf die Ausschreibung hat, die man vorher getätigt hat, was einem zusagt, kann man als Makler dieses Angebot annehmen. Das ist verbindlich, denn wenn unsere Börsenordnung sagt, dass es angenommen ist, funktioniert es. Das ist wie das Kürzel früher, nur digital signiert. Am Ende steht eine Börsennote, wie man sie früher auch hatte, auf der die Eckdaten sind, auf die man sich geeinigt hat. Damit hat man die Dokumentation zu der Eindeckung des Risikos.

ANSGAR KNIPSCHILD: Wo würden Sie sagen, ist der Hauptunterschied zum heute traditionellen Prozess? Ich bin jetzt in der Rolle des Maklers. Ich versende diese Anfragen und schicke das in den Markt. Ich schreibe eine E-Mail mit Risikofragebogen und all den Dokumenten, die Sie gerade aufgelistet haben, und schicke sie hinaus. Das ist auch relativ einfach. Ich kann zwei, drei, fünf oder zehn Empfänger in meinem Empfängerkreis hinzufügen und das entsprechend herumschicken.
Ist es der Komfortfaktor, den ich mir gut vorstellen kann? Ist es der Schlusspunkt, den Sie dank der Börsenordnung bei sich setzen können, dass es eine verbindliche Annahme ist? Wo würden Sie den Hauptunterschied sehen, wenn Sie den klassischen heutigen Weg E-Mail gegen die Plattform sehen? #00:19:48-3#

DR. SVENJA RICHARTZ: Da kommen wir auf die darunter liegende Technologie zu sprechen. Wir haben das Ganze Blockchain-basiert gemacht. Das heißt, wir können zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen, wer wann was mit wem in welcher Fassung ausgetauscht hat. Wenn ich einen E-Mail-Verlauf habe und sie alle in die Adresszeile schreibe, bekommt man Antworten zurück. Die Schlaueren schreiben Datenschutzkonform BCC. Man hat eine große Menge an unterschiedlichen Antworten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten kommen. Das Nachhalten ist relativ mühsam.

Ich kann das über eine Ausschreibung auf unserem Ökosystem deutlich strukturierter abbilden, weil der Strang, der sich unterhalten hat, komplett vorliegt und komplett dokumentiert ist. Ich habe nicht dieses Durcheinander, wie ich es im E-Mail-Verkehr habe. Ich habe kein Problem, was Dokumentengröße oder -formate angeht. Das habe ich oft, wenn ich entsprechende Portale benutze. Bestimmte Dokumente können nur mit bestimmten Größen und Formaten hochgeladen werden. Ich habe da kein Thema mit. Der ganz entscheidende Unterschied ist die volle Datenhoheit bei den Teilnehmern. Der Makler bestimmt, wie man die Daten hinausgibt, und sie können nicht einfach weitergeschoben werden. Wenn eine E-Mail draußen ist, kann sie sonst wo in die Welt weitergeschoben werden. Verschlüsselter E-Mail-Verkehr sollte heute Standard sein, ist er aber leider nicht. Wir haben nicht höchstpersönliche Daten wie bei einer Lebensversicherung. Das fliegt uns datentechnisch nicht ganz so schnell um die Ohren. Jeder Betriebsinhaber wird das aber komplett anders sehen. Das sind seine Betriebsgeheimnisse, die wir unverschlüsselt und lesbar für jeden, den es interessiert, durch die Gegend schicken. Das sollte es nicht sein.

Über unsere Blockchain-Technologie ist es eine private Blockchain. Das heißt, die Informationen liegen immer bei denen Personen vor, die miteinander kommunizieren. Wenn der Versicherungsmakler eine private Ausschreibung an fünf Anbietende macht, liegen die Daten da. Nur diese fünf haben Zugriff darauf. Er kann genau steuern, wer Zugriff auf diese Daten hat. Es ist klar, dass es nicht an einen sechsten oder siebten geht, und dass es nicht weitergeleitet wird, weil das extra ausgewählt wurde. Bei einer öffentlichen Ausschreibung wäre der Kreis natürlich größer, aber es ist trotzdem nicht einfach weiterleitbar. Es ist im System. Ich brauche kein drittes System. Es ist dokumentiert. Ich streite mich nachher nicht mehr bei dem Risikofragebogen dabei. Welche Fassung von dem Bogen habe ich bekommen? War Frage fünf ausgefüllt oder doch nicht? Gab es nochmal einen Wechsel? Bei E-Mail hat man ein Problem. Man kann Sendebericht anfordern, aber aufgrund der unterschiedlichen Zeiteinstellung an Rechner A und Rechner B habe ich eine Differenz. Das heißt, wenn es hart auf hart kommt, habe ich immer ein Thema und eine Diskussionsfront. Ist es für den Makler per E-Mail rechtssicher und rechtsverbindlich? Nein, wenn man es ernst nimmt.
Man hat also immer ein Risiko. Dieses Risiko kann man minimieren, indem man es in einem System darstellt, was diesen Prozess schlank und effizient abbildet. #00:23:30-5#

ANSGAR KNIPSCHILD: Sie haben sehr schön ausgearbeitet, was die Kehrseite des sehr einfachen Mediums E-Mail ist. Warum es im Markt nicht so leicht sozusagen zu töten ist. Es ist sehr einfach beim Abschicken, aber wenn es hart auf hart kommt, kennen wir die Geschichten alle. Nein, es ist bei mir nicht angekommen, oder die und die Information fehlt. Man ist von der Beweispflicht her relativ dünn aufgestellt… Letztendlich können Sie schwer nachweisen, dass die Information wirklich den Empfänger erreicht hat oder umgekehrt. Das ist in so einem System nicht besser machbar. Das kann ich sofort nachvollziehen.

Der andere Faktor, den ich interessant finde, ist, dass eine Blockchain meines Wissens nach dezentral betrieben wird. Das haben Sie mit der Datenhoheit hervorgehoben. Das heißt, es gibt nicht die Börse als Verein, der irgendwo einen Server hinstellt. Aktuell sind Sie ein EV. Darüber müssen wir auch gleich kurz sprechen. So stellt man es sich vielleicht als Zuhörerin oder Zuhörer vor. Klassischerweise macht man einen Webserver. Sie haben eben von einer Webanwendung gesprochen. Dort loggen sich alle ein. So läuft eBay und die andere Plattform, von der Sie eben gesprochen haben. Sie haben sich mit der Blockchain auf ein dezentrales Prinzip gestützt. Das bedeutet, die Mitglieder betreiben das selbst. Können Sie nochmal herausarbeiten, wie wichtig dieser Aspekt den Mitgliedern ist?

DR. SVENJA RICHARTZ: Um in diesem Blockchain-Netzwerk mitspielen zu können, braucht man einen sogenannten Blockchain-Knoten. Man kann ihn selber inhouse betreiben, wie Versicherungsgesellschaften es machen. Als kleinerer Makler kann man diesen Service über unsere Dienstleistungsgesellschaft für einen überschaubaren Betrag dazubuchen. Das ist ein dedizierter, eigener Knoten in einem deutschen beziehungsweise europäischen Rechenzentrum. Dieser Knoten gehört nur diesem Börsenbesucher oder Börsenmitglied. Ein Knoten kann mal ausfallen, aber durch die Dezentralität bricht nicht das System oder das Netzwerk zusammen, weil ein Knoten vorübergehend nicht erreichbar ist. Der Rest kann weiterarbeiten.

Vielleicht kann man mit ganz viel Aufwand einen Knoten manipulieren, aber man kann nicht das komplette Netzwerk manipulieren. Das heißt, die Datensicherheit und die Ausfallsicherheit des ganzen Systems aufgrund der ist deutlich höher aufgrund der Dezentralität. Es ist kein attraktives Angriffsfeld für Cyberkriminelle, weil die Daten nicht zentral an einem Ort liegen. Wir haben keine zentrale Datenbank. Wenn man drin ist, freut man sich und hat alle Industriedaten vor sich. Wir haben eine Vielzahl von Knoten. Die haben alle unterschiedliche Informationen, nämlich immer nur über das, was sie jeweils betrifft und worüber sie im Wege der Ausschreibung und der Angebotsabgabe kommuniziert haben. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber bisherigen Datenbanklösungen oder Datenbank-basierten Lösungen, die der Markt durchaus schon hatte. In dem Zusammenhang ist nicht zu vernachlässigen, dass die Versicherungsbörse eine neutrale Plattform, die für alle Marktteilnehmer offen ist. Wir haben seit 1558 alle Marktteilnehmer verbunden. Das ist bei uns auch im Vorstand repräsentiert. Wir haben als Verein einen Non-Profit-Ansatz. Damit sind wir das einzige Geschäftsmodell am Markt, was bei zunehmender Marktabdeckung günstiger werden kann und wird, weil die Mitglieder darüber entscheiden. Wir verschaffen uns nicht eine monopolartige Stellung zwecks eigenwirtschaftlichem Interesse. #00:27:33-4#

ANSGAR KNIPSCHILD: Sehr interessant. Wenn ich an die letzten zwei Jahre zurückdenke, war da der Höhepunkt des Blockchain-Hypes. Ich habe häufiger gelesen und in der Branche gehört, wo denn der Use Case sei, mit dem man diese Technologie rechtfertigen kann. Hier haben wir ihn. So wie Sie es dargestellt haben, kommen alle Argumente zusammen, vom dezentralen Betrieb über die Sicherheit und die Datenhoheit. Sehr spannend. Sie haben damit einen wunden Punkt in der Branche getroffen. Wie lange sucht die Branche? Damit meine ich die gesamte Industrie, die Versicherungs- und Gewerbeversicherungsbranche. Wie lange hat sie darüber gerätselt, wie kriegen wir eine Plattform hin, von INX24 damals bis heute?
Ich glaube, es werden fast alle zustimmen, wenn man sagt, dass es nicht die zentrale Plattform sein wird. Wo ist der eine Player, dem man vertraut, und dem man mit seinen ganzen Risiken vertraut? Hier erscheint mir ein hochinteressanter Ansatz zu sein, wie man es in der Branche von den Marktteilnehmern selbst organisieren lassen kann. Ich finde es nicht nur vom Technischen sehr spannend, sondern gerade auch vom Organisatorischen. #00:28:35-2#

DR. SVENJA RICHARTZ: Das ist der entscheidende Ausgangspunkt gewesen. Was ist das Wirtschaftsgut eines Versicherungsmaklers? Seine Kundendaten und seine Kundenbeziehung. Die auf eine Ausschreibungsplattform bringen, die einem Konkurrenten oder einem Marktbegleiter, wenn man es charmanter formulieren will, gehört? Chinese Walls hören sich immer gut an, aber daran zu glauben ist eine andere Sache. Auch dann ist es eine zentrale Datenbank, die zentral angegriffen werden kann, wo alles zugänglich. Deswegen haben wir von Anfang an das Thema Neutralität und die Transparenz darüber ganz weit oben gehabt. Die Blockchain-Technologie war nur das Sahnehäubchen, was den Rest ideal mit umsetzen konnte. So passt es gut für uns zusammen.

ANSGAR KNIPSCHILD: Eigentlich müsste bei der Geschichte der ganze Markt in heller Aufregung sein und Ihnen das Gebäude einrennen, um es so auszudrücken.

DR. SVENJA RICHARTZ: Das wäre großartig.

ANSGAR KNIPSCHILD: Das ist doch eigentlich genau das, was wir gesucht haben. Ein bisschen ernster formuliert, wie sehen da Ihre Strategie oder Ihre Ideen aus? Sie sind eine EV. Korrigieren Sie mich, wenn ich es falsch habe, aber das heißt, dass man nicht einfach mal mitmachen und einen Account verschaffen kann, wie man es bei einer anderen Plattform kann. Sondern es ist letztendlich an die Mitgliedschaft gebunden. Das ist mein Verständnis. Führen Sie aus, wie man mitmachen und daran angeknüpft sein kann. Wie sind denn Ihre langfristigen Überlegungen, dass man es für den Markt breiter aufstellt und es für immer mehr Teilnehmer zugänglich macht? #00:30:20-7#

DR. SVENJA RICHARTZ: Unser Non-Profit-Ansatz verhagelt uns die Möglichkeiten, mit Investorengeldern und Fördermitteln zu arbeiten. Wir hatten uns für ein Förderprogramm der Stadt Hamburg beworben. Wir waren in der finalen Endrunde, und dann fiel einem der Juroren auf, das ist ein Non-Profit-Ansatz. Wir saßen da und dachten, das steht auf der ersten Seite unter dem dritten Absatz. Das hat leider nicht funktioniert. Das Einhorn des Hamburger Markt sind wir damit nicht.

ANSGAR KNIPSCHILD: Wenn ich da mal kurz unterbrechen darf. Das heißt, es ist für einige oder für viele Fördermaßnahmen ein Ausschlusskriterium, einen Non-Profit-Ansatz zu haben?

DR. SVENJA RICHARTZ: Ja.

ANSGAR KNIPSCHILD: Da wusste ich noch gar nicht. Interessant.

DR. SVENJA RICHARTZ: Zu den Fördermitteln, die in der Größenordnung gepasst hätten, war das mit dem Ansatz an sich der Knackpunkt. Es wurde ein zweites Förderprogramm aufgelegt für Non-Profit-Ansätze, aber dafür waren wir nicht sozial genug unterwegs. Aus der Branche und für die Branche hat nicht gereicht.

ANSGAR KNIPSCHILD: Interessant. Das lasse ich mal unkommentiert so stehen. #00:31:33-3#

DR. SVENJA RICHARTZ: Es ist tatsächlich so. Ich habe am Anfang gesagt, dass ich diesen Job ehrenamtlich mache. Meine Kollegen im Vorstand machen das genauso ehrenamtlich wie ich. Das verschafft viele Möglichkeiten und Freiheiten, begrenzt einen aber natürlich einfach. Man hat auch noch einen Hauptjob. Der läuft nicht nebenbei. Der erfordert auch einen gewissen Einsatz. Von daher ist es im Marketing ein Aufgang. Deswegen sind wir so glücklich über ein Format wie dieses hier heute. Tue Gutes und sprich darüber, und darüber erreichen wir eine breite Öffentlichkeit. Das versuchen wir auch mit unserem LinkedIn-Auftritt. Wir haben einen sehr engagierten jungen Mann, der uns unterstützt und dafür sorgt, dass unsere Followerzahlen stetig steigen und wir auch da mehr Bekanntheit erreichen.

Dazu kommt, dass wir jahrhundertelang einen Fokus auf Hamburg hatten, maximal noch nähere Umgebung. Das heißt, wir sind außerhalb Hamburgs gar nicht so bekannt. Wir werden sehr stark in der Ecke See- und Transportversicherung gesehen. Wir haben immer schon Industrierisiken oder gewerbliche Risiken an der Börse gehandelt, aber dafür sind wir nicht bekannt. Wenn man sich Lehrbücher überwiegend im See- und Transportversicherungsbereich anschaut, in denen die Versicherungsbörse und die Vollmachen der Assekuradeure, die dort hinterlegt sind, erwähnt werden, werden wir in dem Zusammenhang genannt. Nicht aber im Zusammenhang mit Gewerbe und Industrie. Da fehlt uns der Bekanntheitsgrad. Viele Gesprächspartner finden die Idee … Es hat noch keinen gegeben, der gesagt hat, was wir uns da denn überlegt haben und dass es völlig an den Bedürfnissen vorbeigeht. Nicht ein einziger hat es gesagt. Es kommen aber viele mit der Reaktion, dass sie nicht so viel See- und Transportversicherungsgeschäft haben. Das ist der Punkt, an dem wir Stopp sagen. Wir können See- und Transportversicherungen, wir können aber auch jede andere Sparte im Bereich komplexes Individualgeschäft. Das ist einfach etwas, was sich erst ein bisschen herumsprechen muss.

Wir haben bei uns im Vorstand mit Claus Marcus Götte jemanden, der im VGA sehr aktiv ist und nicht aus dem klassischen Transportmaklerbereich kommt, sondern immer Gewerbegeschäft gemacht hat, diese Spezialität in den Vorstand eingebracht hat und dort einen Fokus sieht, wo er selber noch Aufklärungsarbeit leistet. Um auf die Frage zurückzukommen, wer mitspielen kann und wie man mitspielen kann. In erster Linie ist es ist es eine Spielwiese für die Mitglieder der Hanseatischen Versicherungsbörse. Nur, wer Mitglied ist, kann das Ökosystem nutzen, wenn er eine entsprechende Lizenzvereinbarung abschließt. Was man machen muss, um Mitglied zu werden, ist wie bei jedem anderen Verein. Es gibt einen Aufnahmeantrag, den man ausfüllen muss. Wir haben in unserem Fall die Besonderheit, dass man zwei Bürgen beibringen muss. Für einen süddeutschen Makler, der in Hamburg nicht ganz beheimatet ist, ist es am Anfang ein bisschen schwer zu sagen, wer als Bürge für ihn in Betracht kommt und wen er kennt. Das heißt, wir haben immer ein bisschen Gesprächsbedarf am Anfang. Wir können uns natürlich auch anderweitig von der Qualität des Neumitglieds überzeugen. Das ist aber etwas, was erst wachsen muss und erst langsam über die Stadtgrenzen wachsen kann. Die ersten Bremer Mitglieder haben wir schon. Die waren ganz schnell.

ANSGAR KNIPSCHILD: Das ist nicht schlecht.

DR. SVENJA RICHARTZ: Wer den Aufnahmeantrag ausgefüllt hat und Bürgen benennen konnte, wird es von unserem Aufnahmeausschuss begutachtet und bewertet. Der gibt eine Empfehlung ab. Der Vorstand entscheidet per Beschluss über die Aufnahme. Dann gibt es einen Aushang, wo die Mitglieder informiert werden über das neue Mitglied. Früher war es das schwarze Brett im Börsensaal. Das ist natürlich heute ein digitales schwarzes Brett.

Wenn da jemand ist, der sagt, dass es aus folgenden Gründen gar nicht geht und das entsprechend darlegt, würde das Ganze noch einmal aufgerollt und thematisiert werden. Um im Ökosystem teilzunehmen, hat man früher seine Börsenbesucher für das Börsenparkett zugelassen. Heute tut man das für die digitale Variante. Das heißt, der oder die Mitarbeiter*in, die tatsächlich als Börsenbesucher fungiert, wird noch einmal namentlich gemeldet, die Qualifikation offengelegt und entsprechend zugelassen.

ANSGAR KNIPSCHILD: Das hört mich von der spontanen Einschätzung für mich nach einem Prozess an, der für die Branche und das Segment, in dem Sie unterwegs sind, gut passt. Ein zu schnell wachsendes System mit unbekannten Playern, die keiner kennt und auf einmal auftauchen. Wie Sie es in der historischen Darlegung erzählt haben, ist und bleibt das Geschäft dieses Nasengeschäft, Digitalität hin oder her. Dabei ist es schlauer, auf ein langsames, gesteuertes Wachstum hinzugehen. Sie haben eben von Investoren, ECs, gesprochen, die daneben stehen und sagen, dass wir da skalieren müssten oder die Exponentialkurve daran legen müssten. Ich glaube, das funktioniert nicht. #00:37:25-4#

DR. SVENJA RICHARTZ: Nein, das glaube ich auch nicht. Börsenmitglieder haben auch immer einen gewissen Qualitätsruf gehabt. Man hat mit denen gerne zusammengearbeitet. Man trifft es bei anderen Verbänden am Markt auch, deren Mitglieder einen gewissen erhöhten Qualitätsanspruch haben. Gerade für die Versicherungsgesellschaften, wenn wir über Reversierung von Maklern nachdenken, ist es ein relativ mühsamer Prozess. Das überlegt man sich heute für die Papiere und die Dokumentation, die man für eine Neureversierung abliefern muss. Was steht an Neugeschäften entgegen? Lohnt sich der Aufwand für ein Geschäft? Das ist etwas, wo wir dadurch, dass wir nur qualitätsgeprüfte Personen als Börsenbesucher zulassen, mit unserem System für die Versicherer eine Erleichterung bieten wollen. Es ist schon einmal etwas getan, bei dem die Versicherer sagen können, dass schon jemand anders darauf geschaut hat. Wenn ein Geschäft dabei ist, was passt?

Ich sprach vorhin von dem Rechenzentrum. Wenn die AIG feststellt, dass Rechenzentren das Ding der Zukunft sind. Wir haben ein gutes Konzept und es ist unser Markt. Ein Makler, den Sie sonst nicht kennen, der kleiner ist und aus einem anderen Bereich kommt, hat ein sehr interessantes Inserat. Warum sollte man nicht mit dem zusammenarbeiten? Die einzige Frage, die es zu klären gibt, ist, ob wir Makler Inkasso zulassen oder nicht. Wenn nicht, ist es sowieso kein Thema. Da haben wir gar kein Thema. Wenn wir sagen, dass wir Makler Inkasso nicht jedem geben würden, aber das ein Börsenbesucher ist und wir das machen, kann man das vereinbaren.
Die Konditionen, zu denen man das vereinbart, packt man an das Inserat oder Angebot mit heran und sagt, das mache ich. Wir machen einmal Cortage-Höhe XYZ, Makler Inkasso ja und folgende Abrechnungskonditionen. Es gibt Standards am Markt, auf die man zugreifen kann, zum Beispiel die VHT-Abrechnungsrichtlinien, die der BDVM mit dem VHT geschlossen hat.
BDVM und VHT sind früher Träger der Börse gewesen, bis wir uns als Verein gegründet haben. Es gibt da eine gewisse Nähe und einen Austausch. Diese Abrechnungsrichtlinie ist am Markt so akzeptiert, dass es kein Thema ist, das mit daran zu packen. Dokumentiert, ausgetauscht und Cortage-Satz. Es lässt sich weiterspinnen.

Im Moment haben wir nur den Teil Ausschreibung. Skalierbarkeit dieses Systems ist in vielerlei Richtung denkbar. Wir haben heute schon deutlich mehr Sparten als nur See- und Transportversicherung. Bei dem Haftpflichtbereich wäre ich noch ein bisschen vorsichtig. Die Felder passen da noch nicht immer ganz. Da sind wir gerade dran und arbeiten nach. In den Sachsparten lässt sich das aber heute schon mit unserem System abdecken. Damit kann man arbeiten. Wir haben es mit unseren Mitgliedern zusammen entwickelt, als wir den MVP geschaffen haben. Wir haben uns nicht etwas fernab ausgedacht.

ANSGAR KNIPSCHILD: Frau Doktor Richartz, mich haben Sie auf jeden Fall schon an Bord, wenn man das mit solcher Überzeugungskraft und Leidenschaft darstellt wie Sie. Ich finde, es ist ein tolles Konzept. Ich finde, dass es eine inhaltlich und technisch sehr interessante Lösung ist. Ich glaube aber, es gibt noch eine Menge Herausforderungen, die einem weiteren Wachstum hier vielleicht im Wege stehen könnten.

Von daher die offene Frage an Sie, wo sehen Sie denn für sich, für den Verein die größten Herausforderungen im weiteren Wachstum oder generell für die nächsten Monate und Jahre? #00:41:22-5#

DR. SVENJA RICHARTZ: Wir haben ein Henne-Ei Problem. Die Makler fragen uns immer, welche Versicherer machen mit, und die Versicherer fragen uns immer, welche Makler machen mit.
Nun haben wir die Besonderheit Assekuradeure. Das ist unser Rettungsanker, weil die Assekuradeure deutlich agiler unterwegs sind als viele Versicherungsgesellschaften. Das ist natürlich der jeweiligen Größe geschuldet. Es soll nicht respektlos klingen. Wir haben über die Zeichnungsvollmachten der Assekuradeure schon diverse Gesellschaften indirekt auf unserem Ökosystem angebunden. Bei den Versicherern ist es eine Vielzahl von Abteilungen, die beteiligt ist und mitreden will.

Das Thema IT-Sicherheit können wir darstellen, weil der Kooperationspartner, mit dem wir tätig sind, PPI, ist im Zahlungsdienstleistungsverkehr sehr erfahren und renommiert. Damit haben wir eine Bank, was diese Sicherheitsaspekte aus Sicht der Versicherer angeht. Letztlich wird man sagen, wenn wir genug Makler motivieren können, es auszuprobieren und festzustellen, wie schlank und effizient es sein kann, kommen die Versicherer von alleine. Die kommen dahin, wo die Makler und das Geschäft sind. Ich bin da ganz tiefenentspannt. Einfach etwas Neues ausprobieren und testen. Es ist für kleines Geld. Wir können es hier gerne sagen.

Für einen Vermittler kostet das Lizenzpaket mit drei Lizenzen 1450 Euro im Jahr. Wir reden über komplexes Individualgeschäft, also das Geschäft, wo die Marge bisschen charmanter ist als in anderen Bereichen, was aber unglaublich arbeitsintensiv ist und zunehmend unter Kostendruck kommt. Das ist die Gelegenheit, ohne, dass man sich zwangsweise in irgendwelche Konstrukte pressen lassen muss durch eine nicht passende Standardisierung oder irgendwelche Vorgaben, die für die Bereiche nicht passen. Es bleibt individuell. Man kann das alles so individuell lassen, wie es ist. Es gibt kein Zwangskorsett, aber man hat die Möglichkeit, es schlank und effizient, dokumentiert und verbindlich, rechtssicher und bei voller Datenhoheit abzuarbeiten. Einfach ausprobieren. Das Risiko ist überschaubar.

ANSGAR KNIPSCHILD: Ein schönes Schlusswort. Vielen, vielen Dank, Frau Dr. Richartz. Ich wünsche Ihnen und der Börse alles Gute für die Zukunft, für dieses wirklich tolle und überzeugende Konzept. Ich glaube auch, dass unsere Zuhörerinnen und Zuhörer in der letzten Dreiviertelstunde eine Menge gelernt haben. Ich fand, es war ein toller Beitrag, der gezeigt hat, dass es in dieser digitalen Einöde der Industrieversicherung auch das eine oder andere Pflänzchen aus dem hohen Norden gibt, das zeigt, dass es digital geht. Das fand ich sowohl technisch als auch vom inhaltlichen Konzept toll. Vielen Dank, und hoffentlich bis zunächst

DR. SVENJA RICHARTZ: Sehr gerne, und ich würde mich freuen.

ANSGAR KNIPSCHILD: Bis dann, tschüss.

DR. SVENJA RICHARTZ: Bis dann, tschüss.

Der Podcast „Industrieversicherung Digital“ ist eine Initiative für den offenen Austausch über die Digitalisierung von Industrie- und Gewerbeversicherung: Versicherer, Makler, Kunden und IT im direkten Dialog.

Machen Sie mit! Wenn Sie ein spannendes Thema, einen Erfahrungsbericht oder einen persönlichen Standpunkt mit Kolleginnen und Kollegen diskutieren möchten, melden Sie sich bei uns: E-Mail und LinkedIn-Gruppenlink auf der Mitmachen-Seite.

Podcast abonnieren über:

Apple PodcastGoogle PodcastSpotifyAmazon MusicDeezer